Oberpfalz:Die Mär vom naiven Postboten

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Ex-Bürgermeister Josef Schmid (rechts neben seinem Verteidiger) hat gemeinsam mit seinem Kämmerer mehr als 50 000 Euro veruntreut. (Foto: Armin Weigel/dpa)
  • Wegen Veruntreuung von mehr als 50 000 Euro musste sich der frühere Bürgermeister der oberpfälzischen Gemeinde Wenzenbach vor Gericht verantworten.
  • Das Amtsgericht Regensburg verurteilte ihn nun zu einem Jahr Freiheitsstrafe auf Bewährung und 5000 Euro Geldstrafe.

Von Andreas Glas, Regensburg

Der Beruf des Bürgermeisters ist kein Ausbildungsberuf, man kann ihn hierzulande nicht studieren. Jeder kann Bürgermeister werden, das nennt man Demokratie. Zum Beispiel der Postbote Josef Schmid, den die Menschen in Wenzenbach (Landkreis Regensburg) vor 14 Jahren zum Chef in ihr Rathaus wählten. Dort blieb er, bis er vor zweieinhalb Jahren aus Altersgründen nicht mehr zur Wahl antreten durfte.

Kaum war er aus dem Amt, begann der Kommunale Prüfungsausschuss mal zu forschen, was Schmid all die Jahre so im Rathaus getrieben hat - und plötzlich mussten sich die Wenzenbacher fragen, ob es wirklich sein kann, dass der beliebte, leutselige Bürgermeister in Wahrheit ein Straftäter ist. Die Antwort hat am Freitag das Regensburger Amtsgericht gegeben: Josef Schmid (Freie Wähler) ist schuldig, wegen Untreue in drei besonders schweren Fällen. Das Urteil: ein Jahr Freiheitsstrafe auf Bewährung und 5000 Euro Strafe, die er an ein gemeinnütziges Projekt zahlen muss.

Doch nicht etwa der Tatbestand machte den Prozess einzigartig, sondern die Verteidigungsstrategie des früheren Wenzenbacher Bürgermeisters. Seine Strategie bestand darin, dem Gericht weiszumachen, dass er quasi schuldunfähig sei, weil er als Postbote keine Ahnung von allen Gesetzen haben könne, die ein Bürgermeister so zu befolgen hat. "Schlimmstenfalls leichtsinnig" habe Schmid gehandelt, sagt sein Verteidiger am Ende der Verhandlung. Dann steht Schmid selbst auf, die Hände vor dem Bauch gefaltet, die Stimme brüchig, und sagt: "Ich habe mit meiner ganzen Kraft nur zum Wohle der Gemeinde gehandelt."

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Bereits im Juni hatte das Amtsgericht den Wenzenbacher Gemeindegeschäftsführer wegen des gleichen Tatbestands zu einer Bewährungsstrafe von zehn Monaten verurteilt. Gemeinsam mit Josef Schmid soll der Geschäftsführer die Gemeinde um mehr als 50 000 Euro geprellt haben. Seinem Geschäftsführer, sagt Schmid, habe er "vertraut und ich habe mich auf ihn verlassen". Deshalb habe er praktisch alles, das dieser ihm vorgelegt habe, auch unterschrieben. Zum Beispiel den Antrag, dass der Geschäftsführer seine nicht genommenen Urlaubstage ausbezahlt bekommt. Weil der Geschäftsführer über die Jahre rund 90 Urlaubstage angehäuft hatte, war das eine stattliche Summe. Das Problem: Der Urlaubsanspruch war bereits verfallen, zudem erlaubt das Gesetz gar keine Auszahlung von nicht genommenem Urlaub an Beamte.

Vor Gericht ging es also um die Frage, ob dem Bürgermeister bewusst war, dass er mit seiner Unterschrift gegen das Gesetz verstieß. Nein, sagten Schmids Verteidiger. Erstens sei ihr Mandant gelernter Postbote und habe sich daher auf den Geschäftsführer verlassen müssen, "der wiederum die entsprechende Ausbildung gehabt" habe. Zweitens habe ein Bürgermeister "nicht die Aufgabe, sich um Details der Verwaltung zu kümmern". Und hätte er dem Geschäftsführer den angehäuften Urlaub ganz normal gewährt, "dann wäre die Verwaltung zusammengebrochen" - weil Schmid dann mehrere Monate auf dessen Expertise hätte verzichten müssen, die er als Postbeamter ja selbst nicht haben könne.

Die Staatsanwältin dagegen sagte in ihrem Plädoyer: "Wenn jemand 30 Jahre Beamter im einfachen Dienst war und mir sagt, dass ihm nicht klar war, dass dieser Urlaub verfällt, dann glaube ich ihm das nicht." Außerdem dürfe es nicht sein, "dass man einfach sagt: Das passt schon" und als Bürgermeister alles unterschreibe, was einem ein Mitarbeiter auf den Schreibtisch legt.

Wie der Richter reagierte

Dass es aber genau so gewesen ist, glaubt offenbar Sebastian Koch (SPD), Schmids Nachfolger im Wenzenbacher Rathaus. "Herr Schmid scheint sich über vieles nie größere Gedanken gemacht zu haben", sagte Koch Mitte der Woche bei der Zeugenaussage über seinen Vorgänger. Und weiter: "Er hat sich nach meinem Eindruck eher aufs Repräsentieren verlegt."

Für die Gemeinde ist auch deshalb ein so hoher Schaden entstanden, weil Josef Schmid dem Geschäftsführer den nicht genommenen Urlaub steuerfrei auszahlte. Mit seiner Unterschrift sorgte Schmid dafür, dass die Gemeinde die privaten Steuerschulden des Geschäftsführers übernimmt. Auch hierzu argumentierten die Verteidiger, dass Schmid nicht gewusst habe, was er da unterschrieb. Vielmehr habe der Geschäftsführer den Bürgermeister "als Werkzeug benutzt", um sich einen Vorteil zu erschleichen.

Richter Alexander Guth hingegen urteilte, die Verteidiger hätten "versucht, das Bild eines blauäugigen Postbeamten zu zeichnen. Für so blauäugig und unwissend halte ich Sie aber gar nicht", wandte er sich an Josef Schmid - und verwies darauf, dass dieser den Inhalt der Dokumente "mit einem Blick erfassen" habe können.

© SZ vom 01.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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