Landespolitik:Ein Abend der großen Geste

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Ein Abend im Zeichen des gegenseitigen Respekts (von links): Harald Güller (SPD), Vural Ünlü von der Türkischen Gemeinde, Gudrun Brendel-Fischer (CSU), Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Hep Monatzeder (Grüne). (Foto: Türkische Gemeinde)

Die Türkische Gemeinde in Bayern zeichnet drei scheidende Politiker für besondere Anstrengungen um die Integration und die deutsch-türkische Freundschaft aus. Mit der Wahl der Laudatorin setzen die Veranstalter ein Zeichen.

Von Roman Deininger

Wenn Charlotte Knobloch spricht, hat jedes Wort Gewicht. Als junge Frau, sagt die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, habe sie davon geträumt, dass "das Nebeneinander" in der Gesellschaft eines Tages zu "einem Miteinander" werden würde. Der Traum habe sich erfüllt, findet Knobloch, vor ein paar Wochen ist sie 91 Jahre alt geworden. Doch natürlich bleibe dieses Glück zerbrechlich, das hätten die vergangenen Wochen gezeigt, in denen der Nahostkonflikt auch in Deutschland Gräben geschlagen habe. "Wir erleben, dass immer mehr Menschen auch in Bayern in Angst leben", sagt Knobloch, nicht zuletzt Jüdinnen und Juden.

Wer Zuversicht sucht in einem eher düsteren Herbst, der wird an diesem Novemberabend in einem Nebenzimmer des Münchner Restaurants Pageou fündig. Die Türkische Gemeinde in Bayern (TGB) hat eingeladen, um drei Landespolitiker mit ihrer Verdienstplakette zu ehren - für besondere Anstrengungen um die Integration und die deutsch-türkische Freundschaft. Knobloch hat sich bereit erklärt, die Laudatio auf die drei zu halten, eine Geste, die der kleinen Zeremonie einen außergewöhnlichen Charakter verleiht: Es ist, genau zur rechten Zeit, ein herzlicher Schulterschluss von türkischer und jüdischer Gemeinde.

Vural Ünlü, der Vorsitzende der liberal orientierten TGB, bekräftigt in seiner Begrüßung, was er gleich nach dem grausamen Überfall der Terrororganisation Hamas auf Israel am 7. Oktober gesagt hatte: Dass sein Verein "bedingungslos an der Seite der jüdischen Gemeinden in Deutschland" stehe - und dass es "völlig inakzeptabel" sei, dass die Mordtaten auch hierzulande von manchen bejubelt wurden. Unter den Türken in Bayern, erklärt Ünlü, gebe es zwar eine "Grundempathie" mit der palästinensischen Zivilbevölkerung. Aber eben kaum Sympathie für die Terroristen der Hamas.

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Knobloch sagt, es seien auch Begegnungen wie diese hier im Pageou, die ihr Hoffnung gäben: Schließlich sei es "die Kraft des demokratischen Diskurses, die das Nebeneinander zum Miteinander formt". Laudatorin Knobloch und Gastgeber Ünlü sind sich einig, dass die Geehrten des Abends viel zu diesem Diskurs beigetragen haben. Alle drei sind gerade als Abgeordnete aus dem bayerischen Landtag ausgeschieden, Harald Güller von der SPD nach insgesamt 24 Jahren. Als er damals anfing im Maximilianeum, erzählt der Schwabe Güller, habe er sich die "Verrohung der Gesellschaft" von heute "nicht vorstellen können". Doch die Demokratie, die er in dieser langen Zeit kennenlernen durfte, sei wehrhaft.

Gudrun Brendel-Fischer, CSU-Politikerin aus Oberfranken, war in den vergangenen fünf Jahren die Integrationsbeauftragte der Staatsregierung. Jetzt will sie, die frühere Lehrerin, diese Arbeit an ganz anderer Stelle fortsetzen und Migrantinnen deutschen Sprachunterricht geben. Der Dritte im Bunde ist Hep Monatzeder von den Grünen, 18 Jahre lang war er Dritter Bürgermeister in München. Er werde auch im Ruhestand "ein Mensch mit politischem Herzen und Gewissen" bleiben, sagt Monatzeder. Und gewiss "nicht tatenlos zusehen", wenn "Unfug und Hass" die Gesellschaft vergiften.

Alle Ausgezeichneten hätten sich stets um "engen Kontakt zur Migranten-Community" bemüht, sagt TGB-Chef Ünlü, dafür sei man sehr dankbar. Und dann ist es an Charlotte Knobloch, so etwas wie ein Grundrezept für das Miteinander in Bayern zu formulieren: "Wer hier lebt und unsere Werte teilt, wer seine Meinung sagt und keinen Hass verbreitet, wer seinen Weg geht, ohne den seiner Mitmenschen zu schmälern - der muss hier Heimat finden können, ganz egal wann und wo er betet."

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