Ingolstadt:OB Lösel gibt sich vor Gericht distanziert gegenüber politischem Ziehvater

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  • Im Prozess gegen Ingolstadts Alt-OB Lehmann tritt seine ehemalige rechte Hand im Rathaus Christian Lösel als Zeuge auf. Der CSU-Politiker gibt sich in der Verhandlung distanziert.
  • Lösel hat 2016 anonyme Briefe erhalten, in denen Lehmann Bestechlichkeit vorgeworfen wurde.
  • Zwei Drittel der Verhandlungstage sind inzwischen bewältigt. Das Urteil wird für Mitte Mai erwartet.

Von Johann Osel, Ingolstadt

Es sind harsche Anschuldigungen, die am Dienstag im Ingolstädter Landgericht beim Korruptionsprozess gegen den ehemaligen Oberbürgermeister Alfred Lehmann zu hören sind - dass sich der Politiker eine Luxuswohnung in Bestlage "von seinen Immobilienfreunden" bezahlen lassen habe, dass dies eine "Treueprämie" sei für Gegenleistungen in einer Stadt, in der "das liebe Geld zählt". Kein Zeuge lässt sich freilich zu derlei Formulierungen hinreißen, auch nicht die Staatsanwaltschaft - sondern sie stehen in einem vom Richter verlesenen anonymen Brief von 2016. Anonyme Briefe, wie sie damals zahlreich Oberbürgermeister Christian Lösel, Lehmanns Nachfolger und CSU-Parteifreund, erreichten.

Es war die Zeit, als am kommunalen Klinikum in Ingolstadt allmählich ein System von Vetternwirtschaft ans Tageslicht kam; und der Verdacht gegen Lehmann, Schmu bei Immobilienprojekten zum eigenen Vorteil betrieben zu haben - wie es die Staatsanwaltschaft später angeklagt hat. Lehmann, von 2002 bis 2014 Rathauschef, wird Bestechlichkeit in zwei Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit Untreue vorgeworfen. Er soll Wohnungen vergünstigt erhalten haben, im Gegenzug soll er Firmen bevorzugt haben.

OB Lösel ist am Dienstag als Zeuge geladen und berichtet von den anonymen Schreiben. In diesen Briefen seien Personen der Stadtspitze und der Verwaltung "diskreditiert" worden, "ein Blumenstrauß an Themen, wie ein Schrotschuss". Darunter seien unter anderem Vorwürfe zu Beraterjobs gewesen, die Lehmann als Alt-OB hatte. In der "Reihe der ersten zehn, zwölf" Briefe sei es auch um Lehmanns Privatwohnung gegangen. Er soll laut Anklage auf einem Innenstadtareal, dem früheren städtischen Krankenhaus, eine Penthousewohnung mit 160 Quadratmetern "zum Schein" als Rohbau gekauft und dann gratis ausgebaut bekommen haben. Als Gegenleistung für einen Deal, als der Krankenhauszweckverband den Teil des Areals an den Bauträger vergab. Lehmann war als OB automatisch Aufsichtsratschef dieses Gremiums. Konkret soll er im Bieterkampf und bei der Preisberechnung Unkorrektheiten veranlasst haben.

Lösel sagt, er habe die anonymen Briefe dem städtischen Rechtsreferenten und in Kopie auch seinem Vorgänger übergeben. Lehmann wiederum habe beigetragen, die Dinge aufzuklären, habe ihm zum Beispiel den Notarvertrag für seine Wohnung vorgelegt. Einige Monate später geriet Lehmann dann ins Visier der Staatsanwaltschaft deswegen, Razzien lösten in Ingolstadt und vor allem in der Lokalpolitik Unruhe aus. Dass Lehmann eine Wohnung für sich gesucht habe, sei nie ein Geheimnis gewesen, sagt Lösel. Auffälligkeiten bezüglich Rohbau und Ausbau habe er nicht erkennen können. Zum Rohbau-Vertrag ist es laut Lehmann gekommen, da er auf Rat seiner in Rumänien geborenen Gattin den Ausbau mit einem rumänischen Handwerker kostengünstig plante; später habe er sich anders entschieden und den Bauträger arbeiten lassen. Durch diverse Umstände sei es verspätetet oder nicht zur Rechnungsstellung gekommen. Bei der ersten Hausdurchsuchung bei ihm habe er schon einen beträchtlichen Teil bezahlt. Jedoch lässt Lösels Aussage zu den Briefen den Schluss zu, dass Lehmanns Zahlungsfreude auch Folge der Anwürfe gewesen sein könnte.

Fast 20 Jahre kennt Lösel Lehmann, war dessen Referent im Rathaus, galt als politischer Ziehsohn. Dafür wirkt ihr Verhältnis vor Gericht recht kühl. Kaum einen Blick richtet Lösel Richtung Anklagebank, nur einmal geht es nicht anders, als Lehmann eine Frage an den Zeugen stellt - mit distanziertem Siezen. Lösel hat im Skandal rund ums Klinikum eine gute Figur gemacht, bestellte Wirtschaftsprüfer, kümmerte sich um Transparenz-Regeln, pochte auf Aufklärung, "ohne Wenn und Aber", wie er mal im SZ-Interview betonte. Nur einmal fiel kurz ein fahles Licht auf ihn: Mit einem Bauunternehmer aus Neuburg an der Donau, bei dem Lehmann als Alt-OB als Berater anheuerte, hatten die Ehepaare Lehmann und Lösel eine Firma gegründet, eine Art Fonds. Lösel hatte dies als "private Altersvorsorge" definiert, ohne jeglichen Interessenskonflikt; und hatte seine Einlage beim Aufkeimen der politischen Debatte verkauft. Sein Beitrag im Lehmann-Prozess bleibt überschaubar.

Seit Anfang März steht der Alt-OB vor Gericht. Er hatte zum Auftakt die Vorwürfe bestritten. Zwei Drittel der Verhandlungstage sind jetzt bewältigt, bisher glich die Rekonstruktion von Bauprojekten, deren Vergabe und Bezahlung einem Puzzle. Einen fingierten Losentscheid bei der Zuteilung des Areals in der City hat Lehmann zugegeben. Es sei eine "Sprachregelung" gewesen, um die Fläche wie geplant auf mehrere Bauträger zu verteilen. Die Vergabe selbst sei korrekt gewesen. Am Dienstagvormittag setzte sich die kleinteilige Arbeit der Strafkammer fort, geladen waren mehrere Handwerker, die in der Penthousewohnung zu Werke waren. Sie gaben an, dass sämtliche Premiumausstattung Lehmann in Rechnung gestellt wurde; strittig bleibt indes, wie es sich mit den Grundausbaukosten verhält. Im zweiten Objekt in der Anklageschrift geht es um Studentenbuden auf einem einstigen Kasernengelände. Ein Urteil der Kammer wird Mitte Mai erwartet.

© SZ vom 24.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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