Vorwurf der Bestechlichkeit:Hat sich Ingolstadts Ex-OB Alfred Lehmann Vorteile verschafft?

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Der frühere Ingolstädter Oberbürgermeister Alfred Lehmann (links) berät sich mit seinem Anwalt. (Foto: Peter Kneffel/dpa)
  • Der ehemalige Ingolstädter Oberbürgermeister Alfred Lehmann muss sich wegen Bestechlichkeit und Untreue vor Gericht verantworten.
  • Dem CSU-Politiker wird vorgeworfen, mehrere Wohnungen in Ingolstadt vergünstigt erhalten zu haben.
  • Am dritten Verhandlungstag ging es um einen Notartermin im Jahr 2011 und die Frage, wie es zu diversen Änderungen in einem Kaufvertrag kam.

Von Johann Osel, Ingolstadt

Die Wege der Verwaltung, so heißt es gern flapsig, sind unergründlich. Das Landgericht Ingolstadt hat sich im Prozess gegen den früheren Oberbürgermeister Alfred Lehmann wegen Bestechlichkeit und Untreue am Mittwoch angeschickt, Licht in Entscheidungen hinter Bürotüren zu bringen. Dem CSU-Politiker, Rathauschef von 2002 bis 2014, wird vorgeworfen, zahlreiche Wohnungen in Ingolstadt vergünstigt erhalten und sich dadurch Vorteile von mehr als einer halben Million Euro verschafft zu haben. Im Gegenzug soll der 68-Jährige Pflichten als Funktionär kommunaler Gesellschaften verletzt haben, zugunsten von Bauunternehmen. Ein Mitarbeiter der städtischen Wirtschaftsfördergesellschaft IFG sagte aus, dass der OB direkt mit einem Bauunternehmer verhandelt habe. Und Lehmann habe Vertragsänderungen vom Mitarbeiter unterschreiben lassen, die eigentlich erneut in die Gremien gehen müssten.

Konkret geht es um das Gelände der ehemaligen Pionierkaserne. Die Stadt hatte das Areal mit Backsteinbauten von der Bundeswehr gekauft, um es zu Wohnraum zu entwickeln, vor allem für Studenten. 2010 beschloss der Beirat der IFG unter Vorsitz des OB den Teilverkauf von 2305 Quadratmetern an ein Bauunternehmen aus dem Landkreis Eichstätt. Beim Notartermin 2011 wurden aber nicht nur sämtliche Änderungswünsche des Käufers besiegelt, bis hin zu abweichenden Zuschnitten; sondern es änderte sich juristisch auch der Käufer: nicht die Firma, sondern der Unternehmer und seine Gattin bekamen privat den Zuschlag. Der Mann ist inzwischen gestorben, die Witwe ist mitangeklagt. Lehmann soll laut Staatsanwaltschaft den Deal mit den Änderungen veranlasst sowie den Zuschlag für das Teilareal generell in die Wege geleitet haben; im Gegenzug hätten später der OB und sein Vater 16 Wohnungen im Objekt günstig erhalten und deren Ausbau zu einem zu niedrigen Preis. Laut Anklage beträgt Lehmanns Vorteil 460 000 Euro.

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Was ist bis zum Notartermin passiert, wie funktionieren "Befehlsketten" der Verwaltung, welchen Einfluss hatte das Stadtoberhaupt? Mit solchen sperrigen Fragen hatte sich die Strafkammer unter Vorsitz von Jochen Bösl an diesem dritten Verhandlungstag zu beschäftigen. Der damalige Geschäftsführer der IFG, zuständig für Immobilien, hat Erinnerungslücken. Beim notariellen Termin sei er einige Wochen auf Kur gewesen. "Druck" und "gesteigertes Interesse" des OB, wie Richter Bösl aus Emails Beteiligter herauszulesen scheint, habe er nicht mitgekriegt. Der IFG-Projektleiter für die Kaserne sagt, er habe gewusst, dass der Unternehmer den direkten Weg zum OB suche - das aber hätten "Investoren so an sich". Auch habe er den OB in E-Mails direkt auf dem Laufenden gehalten über Baurechtliches - weil der Architekt des Bauunternehmers "seine Hausaufgaben nicht gemacht" hat, weil die Verhandlungen recht "zäh" waren und weil das Gesamtareal "hohe politische Bedeutung" hatte. Es wurden steigende Studentenzahlen erwartet.

Genauer erinnern will sich der letzte befragte IFG-Mitarbeiter am Mittwoch. Als Notartermine am Bauunternehmer scheiterten, habe Lehmann ihn angerufen. Er habe da "alle Probleme explizit angesprochen", das müsse er, der OB, "ja wissen". Dann habe er die Ansage erhalten: Der Bauunternehmer biete einen neuen Termin beim Notar an, dessen Vertragsdetails seien "zu beurkunden", ohne den Deal wieder in den IFG-Beirat zu geben. Ein "Chef", ein "Vorgesetzter", so der Mitarbeiter, brauche ihm gegenüber "Anweisungen nicht zu begründen". Ohnehin habe er vom IFG-Geschäftsführer vor dessen Abwesenheit mitgeteilt bekommen: "Stimmen Sie alles, was mit der Pionierkaserne zu tun hat, mit dem OB ab." Lehmanns Verteidiger verwiesen darauf, dass er dies in den Ermittlungen bisher nicht gesagt habe. Auch wirkte die Aussage in Teilen etwas widersprüchlich. Alle befragten Mitarbeiter der IFG wollen nicht gewusst haben, dass Lehmann plante, später persönlich in das Objekt zu investieren. Die Verhandlung lief am Mittwoch bis in die Abendstunden.

Vor gut einer Woche war der Prozess gestartet, Lehmann hatte in einer Stellungnahme alle Vorwürfe bestritten. Am zweiten Verhandlungstag hatte der Alt-OB laut Prozessbeobachtern einen "Etappensieg" erreicht. Einem Gutachter zufolge ist der Kaufpreis für die 16 Wohneinheiten "plausibel", es handelte sich um Buden in einer völlig entkernten Immobilie. Anders sei es beim Innenausbau, der Festpreis sei klar zu niedrig gewesen. Bis Mai sind 16 Verhandlungstage angesetzt. In einem zweiten Fall geht es um ein millionenschweres Innenstadtobjekt. Dort soll Lehmann einer anderen Baufirma Vorteile verschafft haben und eine Penthouse-Wohnung mit 160 Quadratmetern günstig erhalten haben.

© SZ vom 14.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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