Forschungscampus:Historische Chance für Erlangen

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Siemens plant einen Forschungscampus in Erlangen - so soll er aussehen. (Foto: SZ-Grafik)

Es ist die Erschließung eines neuen Stadtteils samt Tram-Anbindung: Der Siemens-Konzern will im Süden Erlangens für 500 Millionen Euro einen Forschungscampus errichten. Der Freistaat wäre damit auf recht einfache Weise eine ganz andere Frage los.

Von Olaf Przybilla und Martina Scherf

Es soll ein riesengroßer Wurf werden. Für Siemens ebenso wie für die Stadt Erlangen. Der Konzern plant auf dem Gelände seines bisherigen Standortes im Süden der Stadt einen neuen Forschungscampus, geschätztes Bauvolumen: 500 Millionen Euro. Labore, Büros und Wohnungen für Mitarbeiter sollen dort auf rund 54 Hektar entstehen. Stadt, Freistaat und der Konzern sehen diese Entscheidung als historische Chance für die Entwicklung der gesamten Region.

"Der geplante Campus unterstreicht unser langfristiges Bekenntnis zum Standort Erlangen und soll für unsere Mitarbeiter wie auch für die Region ein Symbol für Innovationskraft sein", betont Siemens-Chef Joe Kaeser, der am Mittwoch mit Ministerpräsident Horst Seehofer und Erlangens Oberbürgermeister Siegfried Balleis (CSU) eine gemeinsame Rahmenvereinbarung unterzeichnen wird. Vorausgegangen war eine Machbarkeitsstudie, die nach Übereinstimmung aller Beteiligter positiv ausgefallen ist. Der nächste Schritt wird nun ein städtebaulicher Wettbewerb sein.

Die meisten alten Gebäude werden abgerissen

"Die Grundrisse werden jetzt festgelegt, alles Weitere wird in einzelnen Schritten bis zum Jahr 2030 entschieden werden", erklärt ein Siemenssprecher. Der Konzern möchte in den nächsten zehn bis 15 Jahren alle etwa 8000 Mitarbeiter vom Standort Innenstadt in mehreren Etappen in den Süden umsiedeln.

Auf dem neuen Campus würden dann rund 16 000 der 25 000 Erlanger Siemensbeschäftigten arbeiten. Das derzeit noch umzäunte und für die Öffentlichkeit abgesperrte Gelände zwischen dem Stadtteil Bruck und der Innenstadt soll künftig frei zugänglich sein.

Die meisten der mehr als 40 Jahre alten Gebäude auf dem Südgelände werden wohl abgerissen, sagt ein Siemens-Sprecher. Weil die neuen Häuser mit weniger Grundfläche auskommen, wird rund ein Drittel der Fläche frei. Der Siemens Campus soll jedoch nicht nur eine moderne Arbeitsumgebung sein. Auch an ein Hotel einschließlich Apartments für Siemens-Mitarbeiter aus dem Ausland ist gedacht. "In dem Areal könnte auch ein neues urbanes Wohn- und Lebensumfeld entstehen." Darüber werde sich die Konzernzentrale eng mit der Stadt austauschen.

Auch die geplante Verkehrsanbindung von Nürnberg über Erlangen nach Herzogenaurach, die sogenannte Stadt-Umland-Bahn, dürfte durch die Siemens-Pläne entscheidend vorangetrieben werden. Die Tram war lange umstritten, vor allem Erlangens Oberbürgermeister Balleis befürchtete eine Kostenexplosion. Durch die Siemens-Pläne sieht Balleis nun aber gute Chancen auch für das Verkehrs-Großprojekt: Die Anbindung würde den am Erlanger Südrand gelegenen Campus mit der Stadt Nürnberg verbinden.

Er wolle nicht gleich vom "Mantel der Geschichte" sprechen, sagt Balleis. Aber die Gelegenheit, einen neuen Stadtteil zu entwickeln und mit einer Tram anzubinden, gebe es nur "für einen kurzen Moment lang". Erst am Montag hatte Innenminister Joachim Herrmann in Aussicht gestellt, dass die Staatsregierung nicht nur hinter der Tram stehe. Sondern die staatliche Förderung auch auf insgesamt 90 Prozent erhöht werden könnte. Nach Angaben des Innenministeriums wird die Tram 365 Millionen Euro Kosten, davon 320 Millionen reine Baukosten.

Philosophische Fakultät im Himbeerpalast

Durch den Umzug in den Campus werden mehrere Siemens-Bürogebäude mitten in der Stadt frei. Hoffnungen darf sich die von akuter Raumnot geplagte Universität Erlangen-Nürnberg machen: Nach derzeitigen Planungen könnte sie dann die Philosophische Fakultät im sogenannten Himbeerpalast unterbringen. Bisher sind die Institute auf mehrere marode Häuser in der Stadt verteilt.

Der Platz in dem alten Siemensgebäude könnte für Büros und Seminarräume reichen, Hörsäle müssten noch angebaut werden. Damit würde der Freistaat auf recht einfache Weise zumindest einen Teil eines Dauerproblems, die Platznot an der Uni, lösen. Auch für die Forschungsinstitute in der Südstadt könnte die Nähe zu Siemens förderlich sein.

Bekenntnis zum größten Standort

Ursprünglich hatte Siemens die Ergebnisse der Machbarkeitsstudie erst für April angekündigt, also nach der Kommunalwahl. Dass dies nun "wesentlich rascher gelaufen ist als erwartet", freut Oberbürgermeister Balleis, der vor seiner Zeit als Rathauschef selbst bei Siemens angestellt war. Er spricht von einer "historischen Chance" für Erlangen und einem Bekenntnis zum weltweit größten Standort des Unternehmens.

Erlangen und Siemens verbindet eine lange Tradition, die bis ins Jahr 1925 zurückreicht: Mit der Vereinigung der Reiniger Werke mit Siemens & Halske wurde der Grundstein des heutigen Healthcare Sektors gelegt. In der Region arbeiten etwa 46 000 Beschäftigte in den Bereichen Industrie, Energie und Medizintechnik, die meisten davon in Erlangen.

© SZ vom 12.02.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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