Filmfestival in Landsberg:30 Stunden Til Schweiger schauen - und zwar im Ernst

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Von Anfang an alles im Griff: Til Schweiger mit Tina Ruland im Film "Manta, Manta" aus dem Jahr 1991. (Foto: Constantin)

Ausgerechnet ein Independent-Filmfestival widmet dem Schauspieler am Wochenende in Landsberg eine Retrospektive.

Von Yvonne Poppek

Das muss man erst einmal schaffen: elf Stunden, 28 Minuten Kino am Stück. Oder gar 16 Stunden und 52 Minuten. Kleinere Pausen gibt es schon, natürlich. Dafür haben alle 15 Filme der zwei Kinoblöcke mit Til Schweiger zu tun, als Schauspieler, Regisseur oder Produzent. Die Auswahl beginnt mit "Manta, Manta" und reicht über "Barfuß" und "Keinohrhasen" bis hin zu "Tschiller". Es ist vermutlich nicht unverschämt zu behaupten, dass man als Zuschauer da irgendwann an seine Grenzen kommt. Vielleicht erst recht, wenn man eigentlich ein Independent-Filmfestival in Landsberg am Lech besucht und sich Entdeckungen aus dem Low-Budget-Bereich verspricht.

Aber: Darum geht es nicht. Zumindest nicht auf dem vierten Snowdance-Filmfestival, das an diesem Samstag beginnt. Til Schweiger habe einmal einen Satz geprägt, der bestens zum Festival passe, sagt Tom Bohn. Der Regisseur hat gemeinsam mit dem Schauspieler Heiner Lauterbach und dem Marketingagenten Jürgen Farenholtz das Snowdance 2014 als Plattform für den unabhängigen Film initiiert. Und Bohns Meinung nach passt also der Satz von Til Schweiger, den dieser einmal über seine Arbeit formulierte, ebenfalls bestens zu Snowdance: "Ich bin independent im Establishment."

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Independent-Filme müssten nicht zwangsläufig wenig Geld kosten, sagt Bohn. Und sie müssen auch nicht allen Sehgewohnheiten widersprechen. Worum es gehe - und das betont Bohn schon seit der Entstehung von Snowdance - sei, dass jemand den Film mache, den er machen wolle - auch ohne Fördergelder und Senderfinanzierung. Eine Herzensangelegenheit sozusagen, eine, die man spürt und die am Ende zu einem guten Film reift. Und zu diesen Filmemachern zählt man in Landsberg ganz offensichtlich Til Schweiger.

Das ist der eine Grund, weshalb nun eine Til-Schweiger-Retrospektive, vermutlich die erste ihrer Art, ausgerechnet auf einem Independent-Filmfestival läuft. "Wir wollen den Weg zeigen, der mit der Lindenstraße begann", sagt Bohn. Schweiger lasse sich nicht verbiegen, das sollen die Zuschauer sehen. Er habe eben die Kraft, andere von seinen Ideen zu überzeugen. Und natürlich, so muss man ergänzen, hat er auch früh Geld investiert, um seine Vorstellungen umzusetzen: Mitte der Neunzigerjahre gründete er bereits eine eigene Produktionsfirma und brachte "Knockin' On Heaven's Door" heraus. Die Firma verkaufte er später - ohne jedoch als Produzent aufzuhören. Bei seinen großen Erfolge wie "Keinohrhasen" oder "Kokowääh" war Til Schweiger Regisseur, Hauptdarsteller und Produzent zugleich. Geht es noch unabhängiger?

Dass gerade in diesem Punkt sich die Filmschaffenden nicht immer einig sind, ist dabei kurioserweise die Ursache dafür, dass es in diesem Jahr die Marathon-Werkschau in Landsberg gibt. Bei der zweiten Ausgabe des Festivals wurde Schweiger in einer öffentlichen Diskussion kritisiert: Seine Filme zählten nicht zum Independent-Bereich. Da Schweiger nicht anwesend war und sich demnach nicht verteidigen konnte, luden ihn die Initiatoren (und Kollegen) 2016 einfach selbst zur Podiumsdiskussion ein. Der Filmemacher kam, er diskutierte, er stellte sich gegen den Idealismus von No-Budget-Filmern. Und offensichtlich fand er Gefallen an Landsberg. Denn für seine Werkschau am Samstag und Sonntag kommt er wieder in die Stadt am Lech.

Dabei hat das Snowdance außer dem Besuch von Til Schweiger einiges anderes zu bieten. Zum einen eine erstaunliche Erfolgsbilanz. Von Jahr zu Jahr konnte das Festival die Zahl der Einreichungen verdoppeln, sagt Bohn. Selbst, als sie im vergangenen Jahr Gebühren dafür erhoben. 418 aus 48 Ländern seien es diesmal gewesen, sagt der Regisseur. Ausgewählt wurden schließlich 25 Lang- und 18 Kurzfilme, vier Videoclips und neun Serien. Zehn Filme gehen in Landsberg in den Wettbewerb. Sie decken das Spektrum von der Dokumentation bis zum Thriller ab. So ist etwa der bereits in Hof ausgezeichnete Psychothriller "Freddy Eddy" von Tini Tüllmann dabei. Oder die US-Dokumentation "I Go Back Home - Jimmy Scott", über den 1925 geborenen und 2014 gestorbenen Jazz-Sänger Jimmy Scott. Oder der englische Science-Fiction-Film "The Open", der Atomkrieg und Tennismatch-Finale auf sonderbare Weise verquickt.

Doch nicht nur die Anzahl der Bewerbungen ist gewachsen. Das Festival selbst überspannt in diesem Jahr neun Tage - und damit zwei Wochenenden mit Filmen, Diskussionen, Partys. Zuvor war Snowdance ein Ereignis von Freitag bis Sonntag. Auch eine neue Spielstätte ist dabei: Außer im Stadttheater und im Olympia-Kino werden die Beiträge in zwei Sälen des großen Cineplex-Kinos gezeigt. Jetzt, davon ist Tom Bohn überzeugt, sei Snowdance auf dem Weg, "ein richtig fettes Festival zu werden". Und natürlich eines, das sich bei aller Hingabe an die Unabhängigkeit zum Establishment bekennt. Offensichtlich müssen das keine Gegensätze sein.

4. Snowdance Filmfestival ; Samstag, 28. Januar, bis Sonntag, 5. Februar, Landsberg am Lech, www.snowdance-filmfestival.de

© SZ vom 28.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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