Festspielhaus in Bayreuth:Tristan mit Rindsrouladen

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München debattiert über einen neuen Konzertsaal - Bayreuth hat ganz andere Probleme. Das Festspielhaus bröckelt, die Musiker müssen in einer Gastwirtschaft proben.

Olaf Przybilla

Wer noch nie am Grünen Hügel zu Gast war, der dürfte das, was Ulf Klausenitzer von den Probebedingungen in Bayreuth zu erzählen hat, für einen mäßig gelungenen Scherz halten. Der Geiger spielte 31 Jahre lang im Festspielorchester, sechs Jahre lang war er dessen Vorstand, nun ist er altersbedingt ausgeschieden. Eines, sagt er, wird er aus der Zeit in Bayreuth womöglich nie mehr aus der Nase bekommen: den Duft von Rindsrouladen während "Tristan und Isolde".

Hinter dem Festspielhaus regiert die Tristesse. In Bayreuth fehlen nicht nur moderne Proberäume. (Foto: ddp)

Ein Witz, wie gesagt, möchte man meinen. Aber die Dinge liegen anders: Tatsächlich ist es so, dass einer der berühmtesten Klangkörper der Welt zum Proben Jahr für Jahr in einem Bau zusammenkommt, der zum einen den Charme einer DDR-Kantine verströmt; zum anderen in der Tat hauptsächlich als Stätte zur Essensversorgung dient.

Für Touristen ist das gar nicht so übel: Weil das Restaurant neben dem Festspielhaus mit großen Scheiben protzt, darf man den Orchestermusikern in den Tagen vor der Premiere dabei zuschauen, wie sie auf Stühlen einer Gastwirtschaft hocken und auf den Maestro blicken, der nur unweit von der Pommes-Friteuse entfernt die "Götterdämmerung" dirigiert. Man darf diesen Anblick hier durchaus mal empfehlen.

In Bayreuth ist das momentan deshalb ein Thema, weil der Technische Direktor der Festspiele dort gerade zusammengestellt hat, woran es sonst noch überall mangelt im Haus. Die einzelnen Punkte sind grundsätzlich nicht neu, die Dimension des Mangels ist es schon. In Wagners Weihestätte tröpfelt Wasser durch das Dach. Fenster und sanitäre Anlagen sind 50 Jahre alt, wer hinter den Kulissen durchs Haus läuft, glaubt sich in einem ostdeutschen Vorwende-Museum.

Der Sandstein des Hauses bröckelt so stark, dass "Teile der Fassade bereits abgesperrt werden mussten", sagt Bayreuths Oberbürgermeister Michael Hohl, Passanten wären sonst in Gefahr gewesen. Und die bauliche Situation rings ums Haus, darunter das kombinierte Ess- und Probe-Gebäude, ist so erbärmlich, dass es dort selbst Lokalpatrioten die Stimme verschlägt. Nach dem Krieg wurden hinter und neben dem Festspielhaus allerlei monumentale Werkstattbauten in die Höhe gezogen. Wer das Gelände von Norden aus betritt, glaubt sich zwischen den klotzigen Gebäudewürfeln auf einem aufgelassenen Gelände von AEG.

Für den großen Wurf, der das Areal architektonisch neu geordnet hätte, gab es ambitionierte Pläne. Die aber wurden eingestampft, die veranschlagten 23 Millionen Euro schienen nicht mehr in die Zeit zu passen. Nun geht es um eine Variante, die nur sechs Millionen Euro kosten und wenigstens grobe Mängel bereinigen soll, allerdings nur die neben dem Haus.

In Zukunft soll es möglich sein, Wagners Kinderoper nicht in einer Halle aufzuführen; und die Proben für Produktionen nicht ins Gewerbegebiet der Stadt auslagern zu müssen. In der letzten Saison hatte Stefan Herheim seinen "Parsifal" noch in einer verwaisten Werkshalle der Bayreuther Vorstadt proben müssen, gleich neben einer "Fachausstellung für spritzige Badideen". Dass mit den sechs Millionen Euro auch das Wagner-Proben im Küchendunst aus der Welt ist, darf dagegen als sehr fragwürdig gelten.

Georg von Waldenfels war mal Finanzminister von Bayern, jetzt ist er der Chef der Bayreuther Mäzenatenvereinigung. 55 Millionen Euro haben die "Freunde" seit dem Krieg in die Festspiele investiert, für die immensen Baumaßnahmen aber, die nun anstehen, sieht er den Freistaat "dringend in der Pflicht". Waldenfels lebt in München und in Oberfranken, beide Regionen schätzt er sehr. Was ihn momentan in Erstaunen versetze, sei die Debatte über einen weiteren Konzertsaal in München.

Nicht etwa, dass er den der Stadt nicht gönnen würde. "Aber es gibt eben noch andere Zentren der Hochkultur in Bayern", sagt er. Wer sich umhört in Bayreuth, kann diese Skepsis dieser Tage häufiger hören. Auch vom Orchestermusiker Klausenitzer. Solange in Bayreuth der Duft von Rouladen wehe, halte er jede Debatte über neue Konzertsäle in Bayern für "einen charmanten Scherz".

© SZ vom 04.02.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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