Unter Bayern:Bulgogi oder Mettenwurst

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Man könnte meinen, der Zauber des Weihnachtsfestes liege vor allem in den Kochtöpfen. Dem Essen jedenfalls wird in vielen Familien eine sehr hohe Bedeutung beigemessen. Aber eigentlich wollen doch alle nur was Schlichtes.

Glosse von Katja Auer

Das Weihnachtsfest birgt allerhand Mysterien, das bleibt nicht aus bei einer Geschichte, in der es um Engelserscheinungen geht, eine Jungfrauengeburt und um drei Könige mit kostbaren Spezereien im Gepäck, die einer Himmelserscheinung nachreisen. Einige Details sind überliefert aus jener Nacht, dass ein Ochs und ein Esel der Niederkunft beigewohnt haben sollen beispielsweise, und dass die Hirten auf dem Felde zwar erst ein wenig erschrocken sind vor dem Engel, dann aber doch seiner Empfehlung folgten, im Stall dem Kindelein zu huldigen.

Nirgendwo allerdings steht geschrieben, das der heilige Josef seiner Maria ein Paar Wiener heiß gemacht hat nach den ganzen Strapazen.

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Dennoch ist das Essen längst wichtiger oder gar wichtigster Bestandteil des Weihnachtsfestes, auf das ursprüngliche Mysterium werden garantiert weniger Überlegungen verwandt als auf die Speisenfolge.

Wie in jener Familie, in der es seit jeher eine Gans als Weihnachtsessen gibt. Mit dem Manko allerdings, dass eigentlich niemand das Tier so richtig gerne mag. Die halbwüchsigen Mädchen essen ohnehin kein Fleisch mehr, der Mutter ist es zu fett und dem Vater wäre ein Schweinsbraten lieber. Aber der Opa will zu Weihnachten eine Gans, so wie immer. Nun ist der Opa heuer gestorben und es könnte an Weihnachten ein veganes Grünkern-Risotto geben oder was Leichtes mit Hühnchen oder halt einen Schweinsbraten. Die Familie war sich dann schnell einig: Es gibt eine Gans zu Weihnachten, so wie immer.

Anderswo kochen inzwischen die Kinder. Die sind weitgereist und kulinarisch erfahren und wollen das Eltern und Großeltern nahebringen. Sushi oder koreanisches Bulgogi, kreolisches Jambalaya oder getrockneten Stockfisch nach portugiesischer Art. Das wird gewürdigt, freilich, es darf ja auch mal was Besonderes sein. Aber später, nach der Christmette, holt sich der Vater noch eine Mettenwurst aus der Kammer. Die wäre ihm schon als Abendessen am liebsten gewesen, weil eigentlich braucht es gar nichts Besonderes zu sein.

Also doch Wienerle mit Kartoffelsalat oder in Franken vielleicht auch blaue Zipfel. Es steht zwar nichts von Würstchen in der Bibel, mit ein bisschen Fantasie lässt sich aber schon ein Grund finden, warum die angeblich wie gemacht sind für den Heiligabend. Da ist zum einen deren Schlichtheit, die zur Armut der heiligen Familie passen soll. Zum anderen ist der Kartoffelsalat gut vorzubereiten und soll so den unvermeidbaren Weihnachtsstress minimieren. Und dann ist der Advent der kirchlichen Tradition zufolge eine Fastenzeit, erst am ersten Feiertag darf demnach geschlemmt werden.

Das allerdings muss rechtzeitig bedacht werden. Um spontan eine Tradition zu begründen, eignet sich eine Gans zum Beispiel nicht. Das musste dieser Tage ein Mann in einer Metzgerei erfahren: Jetzt gebe es doch keine Gänse mehr, vor zwei Wochen schon war die letzte Möglichkeit zur Vorbestellung. Immerhin hat er noch darauf hingewiesen, dass jetzt schon feststeht, wann nächstes Jahr Weihnachten ist. Kleiner Tipp. Und warum es dann doch wieder in Stress ausartet, das gehört wahrscheinlich zum Mysterium.

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