Elias Holl:Der Mann, dem Augsburg sein Gesicht verdankt

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Elias Holl prägte das Stadtbild Augsburgs: Rathaus (Bau 1615-1620, Innenausstattung 1620-1626) und Perlachturm (erhöht 1614/1615). (Foto: Roman Tarasenko)

Elias Holl hat sämtliche Wahrzeichen seiner Heimatstadt gebaut, zum 450. Geburtstag wird er vielfältig gewürdigt. Über eine Ausnahmeerscheinung, die mal als Visionär und mal als einfacher Baumeister galt.

Von Sabine Reithmaier

Oft kommt es nicht vor, dass ein einziger Baumeister ein Stadtbild so dauerhaft prägt. Doch Elias Holl, vor 450 Jahren am 28. Februar 1573 in Augsburg geboren, hat sämtliche Wahrzeichen seiner Heimatstadt gebaut, das Spätrenaissance-Rathaus mit dem Goldenen Saal genauso wie das Zeughaus oder die Stadtmetzg. Bis heute sei er eine faszinierende Persönlichkeit, findet Christoph Emmendörffer. "Er steht für hervorragende Baukunst, aber auch für Glaubensfreiheit", sagt der Leiter des Maximilianmuseums. Jede Zeit, jede nachfolgende Generation habe andere Eigenschaften an ihm entdeckt. "Mal war er ein visionäres Genie, mal der einfache Handwerksmeister, mal der Patriot, der echt deutsch gebaut hat - Holl eignet sich wunderbar als Projektionsfläche."

Emmendörffer steckt mitten in den Vorbereitungen für die große Geburtstagsausstellung, mit der die Stadt ihren berühmten Sohn würdigt. Ihr Titel "Meister-Werk-Stadt" (17. Juni bis 17. September) spielt mit Holls Posten als "Stadtwerkmeister", eine Position, die er von 1602 bis 1629 und dann wieder von 1632 bis 1635 innehatte. Eindeutig in einer Zeit, als das Bauwesen in der bedeutenden Reichsstadt Augsburg Hochkonjunktur hatte und sich das mittelalterliche Stadtbild durch Holls Wirken nach und nach veränderte.

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Mehr als 300 Exponate sollen in der Schau gezeigt werden. Architekturmodelle, Pläne, Zeichnungen, Druckgrafik, Kunsthandwerk und Gemälde - Material ist reichlich vorhanden. Holl war als städtischer Bediensteter vertraglich verpflichtet, seine Zeichnungen und Entwürfe dem Baumeisteramt zu überlassen. So wurden die Unterlagen archiviert, die Modelle in der Rüstkammer über dem Goldenen Saal im Rathaus aufbewahrt. "Augsburg war wirklich vorausschauend", findet Emmendörffer, "man könnte auch sagen nachhaltig." Die Modellkammer, inzwischen ins Maximilianmuseum gewandert, ist längst zum nationalen Kulturgut avanciert.

Holl hat mehr als 80 Gebäude gebaut, 20 haben sich bis heute erhalten. Die Palette reicht von den berühmten Repräsentationsbauten hin zu Wohnhäusern für Stadtbedienstete oder Lagerhallen und Stadel für Handwerker. "Seine Bandbreite war immens", sagt Emmendörffer. Was er baute, dokumentierte der Stadtwerkmeister in Verzeichnissen, aber auch in seiner "Hauschronik". Darin hielt er familiäre Ereignisse fest, immerhin war er zweimal verheiratet und hatte 18 Kinder. Aber er vermerkte auch seine Bauunternehmungen darin. Was seine Notizen betrifft, unterschied er nicht zwischen Repräsentations- und Gebrauchsbauten, vermerkte auch Rampen und Brücken für einen Wehrturm. "Und alles ist gleichermaßen handwerklich perfekt gemacht", sagt Emmendörffer und schwärmt von den großen gemauerten Wandvorlagen, mit denen Holl den vom Einsturz bedrohten Südturm des Doms stützte.

Nach der Meisterprüfung - die Lehrjahre absolvierte er bei seinem Vater - arbeitete er erst als eigenständiger Maurermeister, baute vor allem Wohnhäuser. Im November 1600 lud ihn ein Kaufmann ein, mit ihm und anderen Handlungsreisenden nach Italien zu kommen. Ziel war das Fondaco dei Tedeschi in Venedig, das damalige Handelszentrum der deutschen Kaufleute. Die Expedition habe ihn sicher beeindruckt, auch seinen Horizont erweitert, glaubt Emmendörffer. "Aber ein Erweckungserlebnis wie für andere Künstler war die Tour sicher nicht." Er habe sich alles wohl besehen, schreibt Holl selbst. Nach elf Wochen ist er bereits zurück in Augsburg, erhält bald die ersten öffentlichen Aufträge.

Von Lucas Kilian stammt dieses Porträt des Elias Holl - ein Kupferstich von 1619. (Foto: Kunstsammlungen und Museen Augsburg)

Über die Bewertung Holls - war er nur ein genialer Maurermeister oder doch ein visionärer Architekt - debattierten die Forscher vor allem in den Achtzigerjahren. "Holl war eine Ausnahmeerscheinung, was Bautechnik betrifft", sagt Emmendörffer. Er habe unglaubliche bautechnische Leistungen realisiert. Beispielsweise die Erhöhung des Perlachturms, notwendig geworden, weil in ihm das Geläute des alten, zum Abriss bestimmten Rathauses aufgehängt werden sollte. Holl entwickelte ein freitragendes Baugerüst, das nur an zwei großen Stämmen aufgehängt war, das Mauerwerk des Turms wurde nicht beschädigt.

Die Forschung sei sich heute darüber einig, dass Holl als Architekt in einem großen Kollektiv gewirkt habe, sagt der Museumschef. An seinen großen Bauten waren auch andere Künstler beteiligt. So bat man den kaiserlichen Hofmaler Joseph Heintz den Älteren, Entwürfe für die Zeughaus-Fassaden zu liefern.

1629 verlor Holl seinen Job. In diesem Jahr mitten im Dreißigjährigen Krieg erließ Kaiser Ferdinand II. das Restitutionsedikt, das die Rekatholisierung aller seit 1552 protestantisch gewordenen Bistümer und Stifte bestimmt. Das traf auch das bikonfessionelle Augsburg. Evangelische Stadtbedienstete wurden gezwungen zu konvertieren, wenn sie ihren Job behalten wollten. Holl lehnte das ab und akzeptierte lieber seine Kündigung. Als freilich der Schwedenkönig Gustav II. Adolf im April 1632 Augsburg, Symbol des unterdrückten Protestantismus in Süddeutschland, eroberte, wurde wieder alles rückgängig gemacht. Die Katholiken quittierten ihre Ämter, Holl kehrte auf seinen Posten zurück.

Die Stadt plant für das Jubiläumsjahr eine Reihe von Veranstaltungen. Eine kleine Ausstellung im Rathaus (28. Februar bis 16. Juni), in der sieben Holl'sche Bauten vorgestellt werden, überbrückt die Wartezeit bis zur Eröffnung der großen Schau. Die vierteilige Vortragsreihe "Die Kunststunde" widmet sich Vergnügungen, Mode und Speisen zu Holls Lebenszeit. Eine eigene Sicht auf Holl liefert das Sensemble Theater mit der bissigen Komödie "Luftschlösser" (Premiere 1.3., 20.30 Uhr, Goldener Saal).

Unter dem Motto "Make Augsburg Great Again!" sucht der Kulturreferent der Stadt nach einer Sensation, die Augsburg weltweit in die Schlagzeilen bringen könnte. Und dafür eignet sich das Geburtstagskind Elias Holl doch ziemlich gut.

450 Jahre Elias Holl: Infos unter www.augsburg.de/kultur/450-jahre-elias-holl

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