Ein Jahr nach dem Jahrhundert-Hochwasser:Bayern kämpft gegen die Elemente

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Nach dem verheerenden Hochwasser, das 2013 Städte und Dörfer in ganz Bayern zerstörte, werden die Dämme im Rekordtempo saniert. Die Landesregierung setzt zudem auf eine alte Idee - die in der Vergangenheit höchst umstritten war.

Von Heiner Effern, Christian Sebald und Wolfgang Wittl

"2013 gilt fortan als Maßstab für katastrophale Wasserstände, für kaum bezifferbare Schäden, für zerstörte Existenzen und unermessliches menschliches Leid." (Oberbürgermeister Jürgen Dupper, Passau)

In den ersten Junitagen des vergangenen Jahres suchte eine Flut Bayern heim, so mächtig wie vielleicht keine je zuvor. Nach tagelangem, dichten Regen waren die Donau, die Isar, die Mangfall und weitere kleine Flüsse in Bayern nicht mehr zu bändigen. Deiche wurden überspült oder brachen, Menschen mussten mit Booten gerettet werden, ihre Häuser versanken im Wasser.

In Passau erreichte die Donau am 3. Juni 2013 den höchsten Pegelstand seit dem Jahr 1501: 12,89 Meter, gut acht Meter höher als sonst. Fast 1200 Gebäude wurden überflutet, mehr als 7000 Bewohner waren betroffen. Schäden in Höhe von etwa 190 Millionen Euro lassen das weitreichende Ausmaß der Katastrophe nur erahnen. Noch schlimmer war die Lage in Deggendorf: Die Isar durchbrach einen Damm. 180 Häuser mussten in dem Landkreis abgerissen werden, die Schätzungen von 500 Millionen Euro Schaden haben laut Landrat Christian Bernreiter bis heute Bestand.

Hochwasserschäden in Bayern
:Bilder der Zerstörung

Das Wasser in Bayern fließt ab - zurück bleibt Zerstörung. Vor allem in den überschwemmten Gebieten bei Deggendorf wird jetzt das ganze Ausmaß der Verwüstung deutlich. Was die Menschen, die in ihre Häuser zurückkehren dürfen, sehen, treibt vielen die Tränen in die Augen.

Angekündigt hatte sich die Flut schon Tage zuvor an den Alpenflüssen. In Freilassing stand das Wasser der Saalach schon am 2. Juni bis zum ersten Stockwerk mancher Häuser. Die Tiroler Achen setzte nicht nur Anliegerorte unter Wasser, sie zerstörte bei Grabenstätt auch die Autobahn München-Salzburg. An der Mangfall wurde ein Deich überspült und drohte zu brechen.

Die Innenstadt von Rosenheim blieb verschont, einige Stadtteile wurden aber überflutet. Bislang wurden 7,7 Millionen Euro an Hilfen ausbezahlt, es gehen jedoch immer noch neue Anträge ein. Im Landkreis Rosenheim erhalten bisher 220 Privatleute und Firmen Hochwasserhilfe. Umweltminister Marcel Huber beziffert die Schäden in Bayern auf 1,3 Milliarden Euro.

Sofort nach der Flut lief die Aufrüstung des Hochwasserschutzes an. Die Staatsregierung verdoppelte annähernd das Budget dafür auf 210 Millionen Euro pro Jahr und genehmigte zusätzlich 150 befristete Planstellen im Hochwasserschutz. Deiche wie bei Fischerdorf oder Kolbermoor, die ganz oder beinahe gebrochenen waren, wurden binnen weniger Wochen saniert. Andere wie in Natternberg werden rückverlegt. Allein die Spundwände, die noch 2013 als Abdichtung neu in Deiche gerammt wurden, addieren sich laut Umweltminister Huber auf eine Länge von mehr als 20 Kilometer.

Die zerstörten Dämme wurden und werden in Rekordtempo saniert, Lücken wurden geschlossen, aber das Zauberwort der Zukunft heißt: Flutpolder. Wie an einer Perlenkette sollen sich die künstlichen Becken künftig an der Donau, aber auch am Inn und anderen Flüssen entlangreihen, damit sie bei Hochwasser Millionen Kubikmeter Wasser aufnehmen können. So soll den Flutwellen die Spitzen gebrochen werden. Dafür müssten an den Flüssen aber die Oberlieger mitmachen, wie etwa im Landkreis Regensburg.

Die Bürger erwarteten vom Freistaat und vom Bund, "dass flussbauliche Maßnahmen im Oberlauf der Flüsse getroffen werden, um so Katastrophen dieses Ausmaßes künftig zu vermeiden", sagt Passaus Oberbürgermeister Jürgen Dupper. Klar sei aber auch: Eine Stadt wie Passau werde nie zu hundert Prozent geschützt werden können.

Hochwasserschutz
:Polderland Bayern

Mit dem Bau gigantischer Rückhaltebecken will die bayerische Staatsregierung ein halbes Jahr nach der Flut die Hochwassergefahr bannen. Doch so schnell wird das wohl nicht gehen, denn gegen das Projekt regt sich Widerstand unter Landräten und Bauern.

Von Christian Sebald

Schon in der Vergangenheit wollte die Staatsregierung ein solches Netzwerk installieren. Allein, sie war stets am Widerstand der Bauern gescheitert, diese wollten den Grund dafür nicht hergeben. Der einzige Polder, der bisher realisiert werden konnte, liegt an der Iller oberhalb von Kempten. Der nächste soll nun an der Donau bei Riedensheim gebaut werden. Und wenn alles gut geht, könnten 2016 an der Mangfall die Arbeiten für ein Becken bei Feldolling anlaufen.

Die Planungen für die weiteren Bauabschnitte in Deggendorf liefen wie vorgesehen, sagt Landrat Christian Bernreiter: "Am Geld scheitert es nicht." Nun komme es darauf an, ob Bürger Einsprüche oder Klagen vorbrächten.

© SZ vom 02.06.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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