Hochwasserschutz:Polderland Bayern

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Hochwasser in Passau. Nun sollen Polder in ganz Bayern entstehen. (Foto: dpa)

Mit dem Bau gigantischer Rückhaltebecken will die bayerische Staatsregierung ein halbes Jahr nach der Flut die Hochwassergefahr bannen. Doch so schnell wird das wohl nicht gehen, denn gegen das Projekt regt sich Widerstand unter Landräten und Bauern.

Von Christian Sebald

Exakt ein halbes Jahr nach der verheerenden Flutkatastrophe an der Donau ist ein neuer Streit um den Hochwasserschutz in Bayern entbrannt. Ministerpräsident Horst Seehofer und das Kabinett wollen nun den Bau gigantischer Rückhaltebecken an den Flüssen im Freistaat vorantreiben und haben dazu am Dienstag das "bayerische Flutpolderprogramm" ausgerufen.

Grüne und Bund Naturschutz üben scharfe Kritik, weil einmal mehr einzig auf technische Maßnahmen gesetzt und der natürliche Hochwasserschutz vernachlässigt werde. Auch viele Landwirte, die Grund und Boden für neue Polder zur Verfügung stellen sollen, bleiben skeptisch. Sie befürchten, dass sie nicht angemessen entschädigt werden.

Mit ihrem neuen Programm folgt die Staatsregierung dem Credo ihrer Hochwasser-Experten. Es lautet: So wichtig Dämme und Deiche entlang der Flüsse sind, wegen der immer größeren Ausmaße der Flutkatastrophen kann man künftig das Schlimmste verhindern, wenn man die Wassermassen schon an den Oberläufen in Rückhaltebecken ausleitet.

Nicht von ungefähr hat das Juni-Hochwasser Kempten verschont. Die Stadt ist die einzige in Bayern, die von einem sogenannten Polder geschützt wird, den Weidachwiesen an der Iller. Dorthin wurden Anfang Juni rechtzeitig Millionen Kubikmeter Wasser ausgeleitet, die sonst Kempten getroffen hätten.

Bisher existiert noch kein einziger

Um nun auch die Kommunen entlang der Donau zu schützen, will die Staatsregierung den Bau einer ganzen Reihe solcher Polder am Fluss forcieren. Bisher existiert dort noch kein einziger. Allein zwischen Neu-Ulm und Straubing seien Stauräume mit insgesamt 130 Millionen Kubikmeter Wasser Fassungsvermögen nötig, heißt es in dem Bericht von Umweltminister Marcel Huber (CSU) an das Kabinett.

Das ist in etwa 20-mal so viel, wie in die Weidachwiesen bei Kempten geleitet werden kann. In den Abschnitten Neu-Ulm bis Donauwörth, Donauwörth bis Kelheim und Kelheim bis Straubing sollen jeweils zwei Polder eingerichtet werden.

Außerdem will sich der Freistaat dort Standorte für weitere Anlagen sichern, auch wenn sie erst später eingerichtet werden. Auch am Inn will man den Bau großflächiger Polder forcieren, damit Passau sehr viel besser gegen künftige Fluten gewappnet ist.

Ganz so schnell wie Hubers Bericht verheißt, dürfte der Freistaat nicht vorankommen. Die Planungsarbeiten für den Donau-Polder Riedensheim (Landkreis Neuburg-Schrobenhausen) etwa laufen schon seit Jahren, nun ist der Baubeginn für 2014 angepeilt. Auch die Rückhaltebecken bei Katzau (Kreis Pfaffenhofen) und an der Öberauer Schleife bei Straubing sind seit Jahren im Gespräch, sie stecken aber weiter in den Planungsarbeiten fest.

Und für die Donaupolder Eltheim und Wörthhof, die einmal ein Speichervermögen von 32 Millionen Kubikmetern haben sollen, sind noch nicht einmal die Standorte gesichert. Im Gegenteil: Der Regensburger Landrat Herbert Mirbeth (CSU) wehrt sich nach wie vor strikt gegen die Projekte.

Der Grund dafür ist stets derselbe. Vor allem die Landwirte sind gegen Polder. Zwar betont Bauernverbandspräsident Walter Heidl stets, dass man natürlich für Hochwasserschutz sei und sich in einer "gesamtgesellschaftlichen Verantwortung" sehe. Aber die Angst der Bauern sitzt tief, dass sie nicht mehr über ihren Grund und Boden verfügen können, wenn der zu Poldern wird, und im Überflutungsfall auf den Schäden sitzen bleiben.

Nach wie vor sind viele von Seehofers Worten während der Juni-Katastrophe verärgert, dass man Grundbesitzer künftig schneller enteignen werde, sollten sie sich Hochwasserschutz-Projekten verweigern.

Enteignungen seien nicht nötig

Nun sagte Staatskanzleichefin Christine Haderthauer, Enteignungen würden nicht nötig. Der Freistaat beabsichtige gar nicht, Flächen für die geplanten Polder zu erwerben. Umweltminister Huber hatte sich zuvor auf der Herbstversammlung der Bauern harte Worte anhören müssen. Ohne angemessene Entschädigungen - für die Planungen wie auch im Fall künftiger Flutungen - brauche man gar nicht erst zu reden anfangen, hieß es.

Auch von Naturschützern und Grünen kommt heftige Kritik. "Wer glaubt, dass man Flutkatastrophen an der Donau in den Griff bekommt, wenn man dort viele Polder baut, der täuscht sich", sagt Christine Margraf vom Bund Naturschutz. "Polder sind immer nur das letzte Mittel. Man muss an der Wurzel anpacken und Hochwasser dort bekämpfen, wo es entsteht." Das beginne im Gebirge beim Schutz des Bergwalds und reiche bis zur Renaturierung von Mooren und zum Kampf gegen den Flächenfraß. "Auf jedem Quadratmeter Boden, der zubetoniert wird, kann kein Hochwasser versickern", sagt Margraf.

Der Grünen-Politiker Christian Magerl fordert ebenfalls die Stärkung des natürlichen Hochwasserschutzes. "An der Isar bei Freising haben staatliche Experten ein ausgezeichnetes Konzept für die Rückverlegung von Dämmen und Deichen entwickelt", sagt er. "Der Freistaat kann hier auf einen Schlag Millionen Kubikmeter natürlichen Stauraum schaffen, der nicht nur Landshut und andere Isarstädte schützt. Sondern auch die Kommunen an der Donau von der Isarmündung bis Passau."

© SZ vom 04.12.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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