Digitalisierung:Bürger können bald online Strafanzeigen stellen

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  • Bürger in Bayern können demnächst Anzeigen bei der Polizei auch online stellen, ein Service, den es schon in vielen anderen Bundesländern gibt.
  • Zunächst soll das nur bei Betrug bei Online-Auktionen, Fahrraddiebstahl und einigen Delikten im Zusammenhang mit Autos möglich sein.
  • In Zukunft können noch mehr Delikte in diese Liste aufgenommen werden. Bei der Anzeige von schweren Straftaten wird man aber immer persönlich zur Polizei gehen müssen.

Von Thomas Schmidt, München

Wer Opfer eines Verbrechens wird, soll seine Strafanzeige bald per Mausklick im Internet stellen können. Das bayerische Innenministerium will bereits im ersten Quartal dieses Jahres die "Anzeigeerstattung online" für alle Präsidien im Freistaat freischalten. Das neue Angebot wird zunächst auf ein paar wenige, minderschwere Delikte beschränkt sein. Bewährt sich die digitale Anzeigenaufnahme, könnte sie auf weitere Verbrechensarten ausgeweitet werden. Das Ministerium zieht dabei jedoch enge Grenzen. Es sei "undenkbar", betont ein Sprecher, schwere Straftaten nur im Internet zu melden. Die Polizeigewerkschaft lehnt die Neuerung nicht ab, warnt aber vor möglichen Nachteilen und Gefahren.

Die meisten Bundesländer - von Baden-Württemberg bis Schleswig-Holstein - bieten längst die Möglichkeit an, Delikte online zu melden. In der Regel handelt es sich um Diebstahl oder Sachbeschädigung. Dabei spielt die Ermittlungsarbeit der Polizei für die Opfer meist nur eine untergeordnete Rolle - sie benötigen vor allem ein offizielles Aktenzeichen, um den Schaden der Versicherung zu melden. Bayern hinkt der Entwicklung hinterher, will nun aber ein eigenes System starten. "Technisch sind wir schon sehr weit", sagt Ministeriumssprecher Michael Siefener. "Jetzt finden noch letzte Tests und Abstimmungen statt."

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Starten will das Ministerium zunächst mit drei Delikt-Formen: Erstens Betrug bei Online-Auktionen, zweitens Fahrraddiebstahl und drittens Sachbeschädigung an Fahrzeugen oder Diebstahl aus dem Innenraum eines Autos. Opfer dieser Delikte können ihre Anzeige künftig mithilfe einer Eingabe-Maske im Internet stellen. Dabei wählen sie das zutreffende Verbrechen in einem Menü aus, geben Ort und Zeit der Tat an und hinterlassen ihre persönlichen Daten, erklärt Siefener. Das System könne selbständig erkennen, welche Dienststelle zuständig ist, und leite die Eingaben automatisch an die richtige Stelle weiter.

Eine eigene Zentrale, die die Online-Anfragen auswertet und verteilt, sei nicht geplant. "In der Regel wird dann eine persönliche Kontaktaufnahme mit einem Polizeibeamten stattfinden", sagt der Pressesprecher. Derzeit werde noch geklärt, was alles notwendig sei, um die Anzeige schlussendlich offiziell zu bestätigen. Beispielsweise sei es üblich, dass die Polizei beim Diebstahl eines Fahrrads nach einem Kaufbeleg frage.

Dem Ministerium ist bewusst, dass man Betrügern durch die Online-Anzeige ein potenzielles Einfallstor schafft. Schließlich ist es einfacher, im Internet einen Diebstahl zu erfinden, als einem leibhaftigen Polizisten ins Gesicht zu lügen. Und es gibt noch einen zweiten Kritikpunkt: "Wir als Polizei wollen den Kontakt zum Bürger", betont Jürgen Ascherl von der Deutschen Polizeigewerkschaft DPolG, der für das Münchner Polizeipräsidium tätig ist. Bei einem einfachen Raddiebstahl könne er sich zwar vorstellen, dass die Internet-Anzeige für den Bürger eine Erleichterung sei, aber "wenn wir im Kleinen anfangen, sehe ich schon die Gefahr, dass irgendwann auch schwerere Delikte online angezeigt werden". Dies sei eine "durchaus bedenkliche Richtung, die wir damit einschlagen".

Ganz so digital wie in Berlin will man in Bayern nicht sein

In Berlin ist man längst weiter. Dort wird jede fünfte Strafanzeige online erstattet. "Bei uns kann alles online angezeigt werden", sagt der dortige DPolG-Landesvorsitzende Bodo Pfalzgraf. Zwei Dienstkräfte filtern Fake-Anzeigen heraus, prüfen, ob ein Notfall vorliegt, "oder nur ein Nachbarschaftsstreit", geben dem Vorgang eine Nummer und leiten ihn weiter. Einerseits sei das Angebot "grundsätzlich sinnvoll", sagt Pfalzgraf. Andererseits kritisiert er, dass Fälle inzwischen völlig ohne persönlichen Kontakt abgewickelt würden. Er befürchte "einen schleichenden Vertrauensverlust in die Behörden", wenn jeder nur über das Internet kommuniziere.

Die bayerische Polizei will das Berliner Modell nicht kopieren, sondern einen schmaleren Weg beschreiten. Bei schweren Straftaten bleibe dem Opfer der Gang zur Polizei auch in Zukunft nicht erspart, betont Ministeriumssprecher Siefener. Eine zweite Grundregel laute: Immer dann, wenn es einen Tatverdacht gegen eine bestimmte Person gebe, müsse der Anzeigeerstatter persönlich bei der Polizei erscheinen, egal bei welchem Delikt. Andernfalls sei die Gefahr zu groß, dass Unschuldige anonym über das Internet diffamiert würden. "Es kann ja nicht sein", betont Siefener, "dass die Polizei aufgrund einer E-Mail eine Wohnungstür eintritt."

Nach der Einführung des Systems will das Ministerium ein wenig Zeit verstreichen lassen und dann Bilanz ziehen. Bayerns stellvertretener DPolG-Vorsitzender Ascherl befürchtet: "Für unsere Kollegen wird es eher mit Mehrarbeit verbunden sein." Sollte sich das Modell aber als Erfolg erweisen, dann sei es laut Innenministerium "nicht ausgeschlossen, das Angebot auf andere Delikt-Formen zu erweitern".

© SZ vom 11.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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