Kratzers Wortschatz:"Jeder größer der Arsch, desto größer die Bruach"

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Das alte Wort Bruach ist jetzt wohl endgültig aus unserem Sprachschatz verschwunden. Johann Andreas Schmeller hatte ihm in seinem berühmten Wörterbuch noch eine ganze Seite gewidmet. Ein kürzlich gestorbener Amateurfußballer hatte es als wohl letzter Zeitgenosse noch verwendet.

Kolumne von Hans Kratzer

Ein Wort ist erst dann ausgestorben, wenn es mit dem letzten Menschen, der es verwendet hat, beerdigt wird. So war es auch vor einigen Monaten, als der frühere Amateurfußballer Hermann S. zu Grabe getragen wurde. Unvergessen, wie er einmal nach einem Freundschaftsspiel in der Umkleidekabine bedauernd feststellte, er habe vergessen, eine frische Bruach einzupacken. Vor 80 Jahren hätte auf dem Land noch jeder verstanden, was er damit meinte. Bruach war die gängige Bezeichnung für die Unterhose. Der Schriftsteller Georg Lohmeier (1926-2015) merkte einmal an, die Bruach wäre es wert, wieder in die Umgangssprache eingeführt zu werden. "Um einen Deut uriger, lustiger und freudiger wäre die Sprache ob dieses einzigen Wortes, das leicht wieder lebendig gemacht werden könnte", schrieb Lohmeier.

Der große Wortklauber Johann Andreas Schmeller (1785-1852) hat dem Wort Bruach (Bruech) in seinem Bayerischen Wörterbuch eine ganze Seite gewidmet. Kein Wunder, immerhin ist diese leinerne Unterhose verwandt mit den sehr vornehmen englischen Breeches-Hosen. Die bairische Bruach strahlt diese Noblesse eher weniger aus, und auch Schmeller kommt nicht umhin, gröbere Sätze zu zitieren, etwa jenen aus einem alten Predigtbuch: "Je größer der Arsch, desto größer die Bruach."

Welche Bedeutung das Wort einst hatte, ersieht man schon aus einer katholischen Predigt aus der Reformationszeit. In dieser beklagte der Sprecher, dass so viele Prädikanten (Prediger) den Stand der Ehe anstrebten, und er vermutete, die neuen Apostel wollten mit Kindermachen in den Himmel kommen, "sie haben ihr Evangelium im Maul, den Teufel im Herzen und den Geist in der Bruach".

"Hemd und Bruach sollen sein rupfen Tuach", ist einer alten Kleiderordnung zu entnehmen. Schon damals mangelte es nicht an peinlichen Situationen: "Er lässt liegen auf der Frauen Bett sein Bruach!" Es ging allenthalben recht derb zu, weshalb es nicht verwundert, dass der wortmächtige Martin Luther in einer Predigt dem Teufel riet: "Ich hab in die Bruch geschissen, häng's an Hals und wisch 's Maul daran."

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