Parteien:Aiwanger: Lasse mich nicht mundtot machen

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Ilse Aigner (CSU), Präsidentin des Bayrischen Landtages. (Foto: Gregor Fischer/dpa/Archivbild)

Nach seiner umstrittenen Rede gegen das Heizungsgesetz hagelt es Kritik an Bayerns Regierungsvize Aiwanger. Der wittert dahinter eine „linke Masche“. Doch auch innerhalb der Regierung knirscht es nun.

Von Christoph Trost und Marco Hadem, dpa

München (dpa) - Bayerns Vize-Ministerpräsident Hubert Aiwanger (Freie Wähler) hat Vorwürfe zurückgewiesen, bei einer Demonstration die Wortwahl der AfD benutzt zu haben. Auch vom Koalitionspartner CSU kam am Montag scharfe Kritik an Aiwangers umstrittener Äußerung vor rund 13 000 Menschen in Erding. Aiwanger hatte gesagt, „die schweigende große Mehrheit dieses Landes“ müsse sich die Demokratie wieder zurückholen. Er hatte damit Kritik am Heizungsgesetz der Bundesregierung geübt. Allerdings sieht sich auch Ministerpräsident Markus Söder (CSU) wegen seiner Teilnahme in Erding weiter Kritik ausgesetzt. Beide hatten die Kundgebung, an der auch Querdenker und AfD-Anhänger teilnahmen, zu lauten Attacken auf die Ampelregierung in Berlin genutzt.

Vier Monate vor der Landtagswahl knirscht es nun also laut und vernehmlich zwischen den beiden Koalitionspartnern CSU und Freie Wähler, ihr Bündnis wollen sie aber nach der Wahl am 8. Oktober fortsetzen. Tatsächlich setzen Aiwanger & Co. darauf, dass viele Unzufriedene ihr Kreuz künftig bei den Freien Wählern machen und nicht bei der AfD oder anderen. Dass Aiwanger, zumal im Wahlkampf, oftmals deftiger hinlangt, war der CSU zwar schon aufgestoßen, aber bisher meist schweigend toleriert worden - um den Schein einer harmonischen Koalition nicht zu trüben.

Aiwanger sagte am Montag der Deutschen Presse-Agentur in München: „Ich stehe zu diesem Satz. Die breite Bevölkerung muss sich schlichtweg wieder Gehör verschaffen, wenn sie anders nicht ernst genommen wird.“ Der Freie-Wähler-Chef fügte hinzu: „Nur weil irgendwann mal ein AfD-ler etwas ähnliches gesagt hat, ist das noch lange kein Tabu-Satz für jeden anderen.“ Mit dieser „linken Masche“ lasse er sich nicht mundtot machen. „Morgen ruft die AfD dazu auf, in Lederhose aufs Oktoberfest zu gehen, dann dürfte niemand mehr in Lederhose aufs Oktoberfest gehen - oder was?“, schimpfte Aiwanger.

Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) nannte Aiwangers Wortwahl am Montag „leider unangemessen“. „Wir leben in einer Demokratie, und deshalb braucht man auch niemanden aufzufordern, diese von irgendwo zurückzuholen - schon gar nicht als Regierungsmitglied mit besonderer Verantwortung“, sagte er. „Bei aller inhaltlichen Auseinandersetzung gilt: Populismus am rechten Rand ist brandgefährlich und gefährdet unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt“, warnte der CSU-Politiker.

Innenminister Joachim Herrmann (CSU) warnte Aiwanger davor, eine Sprache zu gebrauchen, „wie sie bei Querdenkern oder Reichsbürgern auf der einen Seite und bei Klimaklebern auf der anderen Seite benutzt wird“. Selbst wenn man sich über das Berliner Ampelchaos noch so aufrege, sollte man nicht in Zweifel ziehen, „dass wir eine rechtmäßige und funktionsfähige Demokratie in Deutschland haben“.

Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) sagte der „Süddeutschen Zeitung“ und dem „Münchner Merkur“ (Montag), man könne die Entscheidungen der Ampel für richtig oder eben falsch halten. „Aber die Entscheidungen wurden demokratisch gefällt“, betonte sie. „Das sollte auch ein stellvertretender Ministerpräsident und Vorsitzender einer Partei in Regierungsverantwortung nicht infrage stellen.“

FDP-Landtagsfraktionschef Martin Hagen, selbst Redner in Erding, warf Aiwanger ein „erschreckendes Demokratieverständnis“ vor. Dieser werde immer mehr zur Belastung für die Staatsregierung.

Aiwanger konterte dagegen: „Es ist undemokratisch, wenn die Ampel sehenden Auges Politik gegen eine große Mehrheit der Bevölkerung macht.“ Damit treibe sie die Menschen den Rechten in die Arme. „Selbst wenn die Ampel demokratisch gewählt ist, ist das kein Beweis dafür, dass alles, was sie beschließt, auch demokratisch im Sinne der Mehrheit der Bevölkerung ist.“ Eine Regierung müsse sich immer rückversichern, ob sie Politik für die Bevölkerungsmehrheit mache - „und das ist beim Heizungsgesetz eben nicht der Fall“, sagte er.

Rückendeckung bekam er von Freie-Wähler-Landtagsfraktionschef Florian Streibl. „Hubert Aiwanger hat die Demokratie nicht infrage gestellt - sondern darauf hingewiesen, dass die Mehrheit der Bevölkerung von der Ampel übergangen wird. Denn auch wenn man demokratisch gewählt ist, heißt das noch lange nicht, dass man Narrenfreiheit hat“, sagte Streibl der dpa. Im Wahlkampf werde zudem „manchmal auch härter hingelangt“. Aiwangers Satz sei eine „legitime demokratische Äußerung“ gewesen. „Klar, dass es der CSU nicht passt, wenn Hubert Aiwanger solch einen Auftritt hinlegt. Ich kann mir schon vorstellen, dass das bei der CSU Ängste auslöst“, fügte Streibl hinzu.

„Ich denke, wir hören hier vor allem den Wahlkämpfer 'raus, das ist natürlich ganz eindeutiger Populismus“, sagte Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) im RTL/ntv-„Frühstart“ über Aiwanger. Bayerns Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze sagte, es besorge sie, dass Aiwanger keinen Anstand habe und weiter zu seinen Aussagen stehe.

Bayerns DGB-Chef Bernhard Stiedl kritisierte, dass Söder und Aiwanger die Bühne gerne genutzt hätten, vor der sich auch Querdenker, Verschwörungstheoretiker und Anhänger einer rechtspopulistischen Partei versammelt hätten. Aiwanger sei sich zudem nicht zu schade gewesen, mit populistischen Äußerungen billigen Applaus abzugreifen. „Es ist noch immer schief gegangen, auf der Populismus-Welle mitzureiten, das stärkt am Ende nur die politischen Ränder.“

CDU-Generalsekretär Mario Czaja verteidigte Söders Teilnahme an der Demo. Man sollte da, wo man eingeladen sei, Rede und Antwort stehen, sagte Czaja am Montag in Berlin. Das habe Söder in Erding getan. „Und das halte ich auch für richtig.“ Es sei wichtig, sich nicht zu verstecken, auch wenn einem der Wind etwas intensiver ins Gesicht blase, „und die Marktplätze nicht anderen zu überlassen“.

© dpa-infocom, dpa:230612-99-22002/3

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