CSU: Dagmar Wöhrl:Die Katzenmama

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Während der Quelle-Krise tritt Wirtschaftsstaatssekretärin Dagmar Wöhrl vor allem als Tierfreundin auf. Markus Söder feiert sie als "Vertreterin für Wirtschaftskompetenz".

Olaf Przybilla

Der 3. Juni 2009 wird den Quelle-Mitarbeitern in Erinnerung bleiben. Eine ganze Region machte an diesem Tag mobil. Auf dem Firmengelände an der Fürther Straße versammelten sich die Quelle-Leute, um ihrer Angst eine Stimme zu verleihen. Keiner konnte an diesem Tag ausschließen, dass sämtliche 4500 Mitarbeiter der Firma in Nürnberg und Fürth ihren Job verlieren.

Dagmar Wöhrl, CSU-MdB aus Nürnberg, 2005 (Foto: Foto: SEYBOLDTPRESS)

Alle, die etwas zu sagen haben in Mittelfranken, traten an diesem Mittwoch vor die Betroffenen: Abgeordnete, Kommunalpolitiker, sogar ein Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium. "Wir stehen an eurer Seite", rief einer. So etwas könne kaum trösten, erwiderte einer der Quelle-Leute: "Aber es macht uns Mut zu kämpfen."

Dagmar Wöhrl, Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium, dürften die wenigsten gesehen haben an diesem Tag auf dem Quelle-Gelände. Dabei war die nach Karl-Theodor zu Guttenberg ranghöchste Wirtschaftspolitikerin der Republik durchaus anwesend. Die Abgeordnete aus Nürnberg stand an der Treppe neben dem Podium und kommentierte für die Umstehenden die Beiträge der Redner kritisch aus der Sicht des Bundeswirtschaftsministeriums.

Starke gemacht für "Hunde, Katzen und Mäuse"

Ans Mikrophon treten wollte sie nicht. Parteifreunde, die ihr wohlgesinnt sind, streuten zur Begründung, der Quelle-Betriebsrat habe einen Beitrag Wöhrls verhindert. Schließlich untersteht sie Guttenberg, der sich im Juni sehr reserviert gezeigt hatte, wenn es um staatliche Hilfen für Quelle ging. Wöhrl selbst bestreitet, dass jemand gegen einen Beitrag von ihr interveniert habe. "Ich dränge mich nur einfach nicht so gern in den Vordergrund", erklärt sie.

Das scheint zuzutreffen, wenn es darum geht, "Hunderten Betroffenen bei Quelle Mut zuzusprechen" - lästert ein Vorstandsmitglied der Nürnberger CSU. Ansonsten aber habe sich die Wirtschaftspolitikerin beileibe nicht rar gemacht in den vergangenen Wochen.

Im Gegenteil: Ihre Auftritte, in denen sich Wöhrl für "Hunde, Katzen und Mäuse" stark machte, seien zahlreich gewesen, weiß ein ranghoher CSU-Politiker. Niemand in der Partei will Wöhrl das zum Vorwurf machen, zumindest öffentlich nicht. Ohne Namen zu nennen, weiß aber fast jeder einen skeptischen Kommentar über die Miss Germany des Jahres 1977, die auch Präsidentin des Nürnberger Tierheims ist.

Lesen sie weiter, wie Wöhrl von Seehofer bloß gestellt wird.

In der Außenwahrnehmung führt dieses Engagement für Tiere gelegentlich zu Merkwürdigkeiten. Als die Zeitungen am 14. August 2009 bundesweit von einer sehr schweren Stunde für den gesamten fränkischen Ballungsraum berichteten - tags zuvor war bekannt geworden, dass bis zu 1800 Mitarbeiter bei Quelle ihren Job verlieren werden -, war von Dagmar Wöhrl zu diesem Thema kein Kommentar zu bekommen, auch auf Nachfrage hin nicht.

Dafür verfasste die Staatssekretärin aus Nürnberg an jenem 14. August einen Eintrag für ihr Twitter-Tagebuch: "Fahre jetzt zur Jahrespressekonferenz meines Tierheims. Katzenalarm! Allein in den letzten drei Monaten mussten wir 400 Katzen aufnehmen." Acht Tage zuvor hatte sie diesem Forum anvertraut: "Nun bin ich total satt und eigentlich reif für die Couch. Will mich aber noch über ,mein VZ' erkundigen." Mein VZ steht für "Mein Verzeichnis", eine Plattform zur Selbstdarstellung im Internet.

Als Horst Seehofer kürzlich in Nürnberg ein wirtschaftspolitisches Strukturprogramm für die gebeutelte Region verkündete, assistierte ihm nicht Wöhrl - sondern Markus Söder, der in der Landesregierung für Gesundheit zuständig ist und ebenfalls aus Nürnberg stammt. Der bayerische Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP) war nicht anwesend, auch die bayerische Wirtschaftsstaatssekretärin Katja Hessel (FDP) nicht, die auch aus Nürnberg stammt.

Verhältnis mit Seehofer zerrüttet

Beide beteuerten danach, für Seehofers Verkündigung sei niemand aus dem bayerischen Wirtschaftsministerium erwünscht gewesen. Schließlich wollte Seehofer die FDP-Kabinettsmitglieder danach vorführen - und sie bezichtigen, sich zu wenig am Ort mit den Betroffenen auseinanderzusetzen. Seehofers Plan klappte vorzüglich; dass die Nürnberger CSU-Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium in der Krise ebenfalls nur sehr selten bei den Betroffenen zu sehen war, fiel kaum einem auf.

Seehofer selbst scheint das sehr wohl registriert zu haben. In der Krise ist er in Nürnberg einmal gemeinsam mit Wöhrl vor die Presse getreten. Es kam zu einem Wortwechsel, der für Wöhrl einer Bloßstellung gleichkam. Seehofer fragte etwas - die Staatssekretärin antwortete, sie telefoniere gerade mit Guttenberg.

Daraufhin bellte Seehofer, lächelnd: "Das habe ich dich aber jetzt nicht gefragt, Dagmar." Parteifreunde wissen, dass das Verhältnis der beiden zerrüttet ist, spätestens seit es im CSU-Vorstand schon vor einiger Zeit zu Streitereien um Lappalien kam. Dass der Rückhalt Wöhrls auch beim Nürnberger CSU-Bezirkschef Söder aufgebraucht ist, ist offenkundig. Als Söder vor sieben Monaten in seinem Bezirksverband nach jemandem fahndete, der in Wirtschaftspolitik als Bundesminister "kompetent" wäre für die Nachfolge von Michael Glos - da nannte Söder einen Referenten der Stadt Nürnberg. Der Name seiner Stellvertreterin im CSU-Bezirksverband, Wöhrl, fiel ihm nicht ein.

Drei Wochen vor der Wahl sieht das nun ganz anders aus. Als Söder den Wahlkampf vergangene Woche für die Nürnberger CSU einleitete, feierte er Wöhrl als "unsere Vertreterin in Berlin für Wirtschaftskompetenz". Wöhrl erklärte am Mikrophon, es sei für die CSU "nicht wichtig, Talkshows und Twitter" zu beherrschen. Wichtig sei es vielmehr, "Ansprechpartner für die kleinen und großen Sorgen der Leute" zu sein. Es gebe Menschen im fränkischen Ballungsraum, sagte Wöhrl, "die haben Riesenprobleme".

© SZ vom 09.09.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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