CSU-Chef Seehofer nach der Europawahl:Die Partei bin ich

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Siegerpose als Programm: CSU-Chef Horst Seehofer (Archivbild) (Foto: REUTERS)

Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer hat eine spezifische Hybris entwickelt. Er definiert den Standort der CSU immer wieder neu nach seinem Bilde. Bei der Europawahl hat sich gezeigt, wie das der Partei schadet.

Ein Kommentar von Kurt Kister

Gewiss, es gibt wichtigere Erkenntnisse aus der Europa-Wahl als das schlechte Abschneiden der bayerischen CSU. Bedeutender ist die Tatsache, dass noch nie so viele Extremisten, EU-Feinde (zu denen die AfD nicht gehört) und echte Spinner ins Parlament gewählt wurden wie dieses Mal. Und dennoch überwiegen die Parlamentarier, die Europa voranbringen wollen, bei Weitem. In Straßburg und Brüssel wird es lauter zugehen, schriller und hoffentlich leidenschaftlicher. Das Wahlergebnis bietet dem EU-Parlament die Möglichkeit, den Meinungs- und Überzeugungskampf um die Zukunft Europas schärfer, profilierter und interessanter als bisher zu führen.

Prinzipiell gehört das Schrumpf-Häuflein der CSU-Europaabgeordneten zu den konstruktiven Europäern. Dies ist so, auch wenn die irrlichternde Partei und ihr Vorsitzender ein paar Monate lang den Eindruck zu erwecken versuchten, die CSU decke europapolitisch alle Positionen zwischen SPD und AfD selbst ab. Dieser Kurs, bei dem die CSU jener Igel sein wollte, der stets schon überall da ist, wo der Hase gerade hinkommt, wurde von Horst Seehofer gesteuert - gemeinsam mit einem Generalsekretär, dessen Namen man sich wohl nicht merken muss, sowie einem Vize-Vorsitzenden, dessen Namen man schon viel zu lange kennt. Ein Beispiel: Während der CSU-Vize Gauweiler das EU-Personal öffentlich als Flaschen identifizierte, schilderten die CSU-Europaabgeordneten ihre fruchtbare Zusammenarbeit mit eben jenen Flaschen.

Wähler wurden für blöd verkauft

Man könnte sich nun lange damit aufhalten, warum die CSU ausgerechnet bei der Europawahl ihre Wähler für blöd verkauft hat. Dabei aber ist nicht das Thema Europa entscheidend, sondern vielmehr die Art und Weise, wie die CSU unter Horst Seehofer gegenwärtig ihre Wähler, vielleicht sogar die Bayern insgesamt sieht: Eine Partei, die insinuiert, sie stehe für eine Position genauso wie für das Gegenteil, nimmt an, dass ein Teil der Leute das nicht merkt, also nicht zu den Hellsten zählt, und es einem anderen Teil egal ist. Und weil die CSU erst bei der Landtags- und dann bei der Bundestagswahl in die Nähe der 50 Prozent im Freistaat geraten ist, glaubt bisher der Parteichef, er könne machen, was er wolle, weil das, was er mache, stets von hinreichend vielen Menschen für richtig erachtet worden ist. Jetzt haben sich die Wähler erstmals anders verhalten - ein Menetekel.

MeinungWahlniederlage der CSU
:Doch lieber das Original

Einerseits für, andererseits gegen Europa: Diese Strategie geht für die CSU völlig daneben. Die Europakritiker wollen Seehofers Spagat nicht mitmachen - und wählen lieber die Populisten der AfD.

Ein Kommentar von Andreas Roß

Auch wenn es der CSU scheinbar gut geht, befindet sie sich in einer Strukturkrise. Zu viele Handelnde von früher - zu Europa etwa die Landsturm-Veteranen Scharnagl und Gauweiler - und zu viel Handeln wie früher bestimmen das Bild. Die Verwandten-Affäre im Landtag, die immer noch bis tief ins Kabinett reicht, ist nicht ausgestanden. Die Miesbacher Landrats-Korruption hat jene Vorurteile bestätigt, die man, sollte man sich noch an die Ära Strauß erinnern, damals über die CSU entwickeln konnte. Die Zahl der "Einzelfälle" von Filz und Filzesfilz ist groß. Sie passt nur heute noch viel schlechter in die Zeit als früher.

Hie und da gelingt es regionalen CSU-Gliederungen, moderner zu sein oder zumindest so zu erscheinen. Die Münchner CSU ist auf diese Weise stärkste Fraktion in einer grundsätzlich rot-grünen Stadt geworden. Diese Art der für die Partei dringend nötigen Modernisierung erfolgt zufällig und hängt oft an einzelnen Personen. So wie ganze Parteibezirke selbstgefällig in Stagnation verharren, gibt es hie und da Aufbruch - der dann wiederum nicht selten aus der Parteizentrale argwöhnisch beäugt wird.

Stoiber war ein Aufgaben-Egomane

Der Parteichef Seehofer hatte zwar zunächst die CSU wieder stabilisiert. Sein Vorvorgänger Edmund Stoiber war nicht zuletzt an seiner Egomanie gescheitert. So sonderbar das klingt: Stoibers Egomanie war weniger auf seine Person gerichtet als vielmehr darauf, was er alles erreichen wollte - für Deutschland, für Bayern, ein wenig auch für sich. Stoiber war ein Aufgaben-Egomane.

Seehofers Egomanie dagegen ist in erster Linie die Widerspiegelung der selbst genährten Überzeugung, dass außer ihm, dem Seehofer, es niemand anderer kann. Er hat eine sehr spezifische Hybris entwickelt. Deswegen ist er in einer skurrilen Weise teil-absolutistisch geworden, deswegen definiert er den Standort der CSU immer wieder neu nach seinem Bilde, und deswegen düpiert, ja beleidigt er seine Hintersassen in Kabinett und Partei nach Gusto. Seehofer hat die Partei gestärkt, jetzt trägt er zu ihrer Lähmung bei.

Weil die politischen Gegner in Bayern relativ schwach sind, gibt es für eine wirkliche CSU-Reform, jetzt, da die Wahlen vorbei sind, zu wenig Anlass von außen. Vielleicht wird ja der Parteichef selbst mit seiner Le-parti-c'est-moi-Haltung der Anlass für die Reform.

© SZ vom 28.05.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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