Karl Baumann aus der Gemeinde Wenzenbach nahe Regensburg liebt seinen Beruf. Er ist selbständig tätig im Bereich Maschinenbau und Konstruktion. "Das ist mein Leben", sagt er. Auch Wildwasserfahren und Canyoning sind seine Leidenschaft. Aber im März dieses Jahres erkrankte er an Covid-19. Der 52-Jährige musste - angeschlossen an eine Herz-Lungen-Maschine - um sein Leben kämpfen, lag sieben Wochen lang im Krankenhaus, drei davon im Koma. Und nun die Spätfolgen: Plötzlich hält er immer wieder inne, seine Gedanken verschwimmen, ihm fallen mitten im Satz die nächsten Worte nicht mehr ein. Doch Karl Baumann ist ein Mensch, der nicht aufgibt. Ein Kämpfer. Er hat jetzt eine Selbsthilfegruppe für ehemalige Covid-19-Patienten ins Leben gerufen.
Für das erste Treffen via Internet hatte sich der Wenzenbacher Unternehmer am Mittwoch viel Ruhe verordnet, um das auf eine Stunde festgesetzte Kennenlernen am Abend ohne Aussetzer durchstehen zu können. "Ich bin total gespannt", sagt er wenige Stunden vor der Videokonferenz. Natürlich knüpft auch er - so wie die anderen 14 Teilnehmer - Hoffnungen an die neue Selbsthilfegruppe: "Vor allem, dass wir uns gegenseitig helfen können" - und sei es durch den Austausch von Informationen über geeignete Therapeuten.
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"Nimm dir mit, was du brauchen kannst, den Rest lass hier", so umschreibt Lisbeth Wagner von der Regensburger Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfegruppen (Kiss) das Motto solcher Gruppen. Elementar sei auch die Erkenntnis, "dass andere Menschen dieselben Erfahrungen teilen". Allein schon das gebe Kraft, die eigenen Probleme besser einzuordnen. Hierbei gehe es schlicht um Entlastung durch erweitertes Wissen. "Nicht jeder muss das Rad neu erfinden", sagt Wagner.
Bei Kiss hatte sich Karl Baumann Unterstützung für den Aufbau der Corona-Selbsthilfegruppe geholt. Vorläufig wird diese nur online zusammentreffen. Erst wenn die Pandemie besiegt ist, sollen auch Präsenztreffen stattfinden. Zunächst musste aber viel Vorarbeit geleistet werden: Damit die Betroffenen überhaupt zusammenfinden konnten, hatte Lisbeth Wagner das Projekt über Facebook und über lokale Medien vorgestellt. Das Interesse war groß, wie sie betont, doch die Gruppe wurde von vornherein auf 15 Personen aus Niederbayern und der Oberpfalz begrenzt. "Natürlich ist es wünschenswert, dass sich auch anderswo lokale Corona-Selbsthilfegruppen bilden", sagt Wagner.
Damit beim ersten Mal auch technisch keine Pannen auftreten, hat Lisbeth Wagner schon am Mittwochmorgen mit Karl Baumann einen Test gemacht. Es klappte auf Anhieb. Auch für sie ist das ein Novum, eine Selbsthilfegruppe, die online zusammenkommt. "Ja, ein bisschen gespannt bin ich schon auch", sagt sie. Wie die anderen Teilnehmer wird sich Karl Baumann beim ersten Treffen vorstellen und seine Geschichte erzählen. Sie beginnt am 7. März, als er und seine Frau mit Freunden im Ort zum Essen gingen. Im Lokal saß vermutlich ein Corona-Infizierter. "Alle, die an dem Essen teilgenommen hatten, wurden kurz darauf am selben Tag krank."
Bei Baumann waren es anfänglich die gängigen Grippesymptome: Beschwerden im Magen-Darm-Bereich, Nasenbluten, dann 40 Grad Fieber. "Schließlich hat der ganze Körper verrückt gespielt", sagt er. Was genau wann geschah, weiß er nicht mehr. "Die Zeit fehlt mir", sagt er. Bei seiner Frau seien nur leichte Symptome aufgetreten, wie bei einem Heuschnupfen. Doch auch sie leidet jetzt an Spätfolgen: Mitten im Gespräch wisse auch sie plötzlich nicht mehr weiter. "Es ist also völlig unabhängig davon, welche Symptome man zuvor hatte", ist sich Baumann sicher.
Seit März ist er krank geschrieben, die Zukunft des Betriebs sieht er nun darin, dass sein 21-jähriger Sohn "über kurz oder lang übernimmt". Für seine Mitmenschen - insbesondere für die jungen - hat Karl Baumann eine Botschaft: "Nehmt Corona ernst." Niemand solle glauben, noch schnell mal Party machen zu können. "Was, wenn man so das Virus mit nach Hause bringt, und am Ende die Großeltern sterben?", fragt er.