Coronavirus:Die Pandemie stagniert

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Die Zahl der Neuinfektionen in Bayern bleibt konstant niedrig. Das stimmt Experten zuversichtlich, dass die Eindämmung der Krise funktioniert. Die Lockerungen jedenfalls trieben die Zahlen nicht erneut nach oben.

Von Christian Sebald, München

Die Befürchtungen waren groß, dass die Lockerungen der Anti-Corona-Maßnahmen in Bayern zu einem deutlichen Anstieg der Infektionszahlen führen könnten. Doch bisher ist das nicht der Fall. Seit Wochen stagniert die Pandemie im Freistaat stabil auf niedrigem Niveau. Am Dienstag meldete das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) 66 Infektionen mehr als am Vortag. Damit haben sich seit Ausbruch der Pandemie Ende Januar 2020 in Bayern 49 331 Personen mit dem Virus infiziert. Aktuell werden bayernweit 105 Corona-Patienten in Kliniken behandelt, 28 davon auf Intensivstationen. 2610 Patienten sind im Zusammenhang mit einer Corona-Infektion gestorben. Die Differenz zum Vortag betrug einen Patienten. 45 780 Infizierte gelten als genesen.

Viel wichtiger als die absoluten Zahlen selbst ist aber, dass sie sich einmal mehr auf dem Niveau der vergangenen Wochen bewegen. Sagt der LGL-Chef Andreas Zapf. Er ist Bayerns oberster amtlicher Seuchenbekämpfer. "In der zweiten und dritten Juni-Woche waren sie sogar noch etwas niedriger, da hatten wir teilweise nur um die 30 oder 40 Neuinfektionen am Tag", sagt Zapf. "Dann sind sie etwas angestiegen und pendeln bei etwa 70 bis 90 täglich." Auf dem bisherigen Höhepunkt der Pandemie Anfang April meldete das LGL bis zu 2000 Neuinfektionen am Tag.

Karte
:Corona-Infektionen in den bayerischen Landkreisen

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Als Gründe für die stabile Situation nennt Zapf nicht nur, dass die harten Anti-Corona-Maßnahmen von Bund und Freistaat nachwirken. Dazu zählt er ausdrücklich auch die bisherigen Reisebeschränkungen. Sehr viele Menschen verhielten sich außerdem weiter sehr diszipliniert. Zugleich habe sich die Prognose bestätigt, dass sich Corona ähnlich wie Erkältungskrankheiten in der warmen Jahreszeit und bei hoher UV-Strahlung weniger schnell ausbreitet als in der kalten. Vor allem aber haben die Gesundheitsämter die Pandemie inzwischen offenbar gut im Griff. "Wenn eine Infektion festgestellt ist, laufen alle weiteren Maßnahmen reibungslos und routiniert ab", sagt Zapf. "Ob das nun die Ermittlung von Kontaktpersonen, Reihenuntersuchungen oder Quarantänemaßnahmen sind. Die Abläufe sind eingespielt." Zum Beispiel unlängst in Memmingen. Dort hatten sich auf einer größeren Hochzeit mehrere Gäste, unter ihnen auch Kinder, mit dem Virus angesteckt. Das Memminger Gesundheitsamt konnte die Infektionsketten bis in die Stadt Aschaffenburg und die Landkreise Passau und Rhein-Neckar (Baden-Württemberg) ermitteln.

Aschaffenburg wurde gleichsam doppelt getroffen. Dort hatte sich nicht nur eine Familie infiziert, die bei der Memminger Hochzeit zu Gast war. Völlig unabhängig davon wurde bei einer Reihenuntersuchung in einem Hort entdeckt, dass sich drei Erzieherinnen mit dem Virus angesteckt hatten. Deshalb sind binnen weniger Tage in der Region etwa hundert Menschen in Quarantäne geschickt worden. Das hat sich bewährt. Laut OB Jürgen Herzing (SPD) wurden in der Stadt seither keine weiteren Personen mehr positiv auf Corona getestet, die weitere Ausbreitung der Pandemie wurde offenbar gestoppt. So wie Aschaffenburg sind auch alle anderen Städte und Landkreise in Bayern aktuell weit entfernt von der Obergrenze von 35 Infektionen je 100 000 Einwohner in den zurückliegenden sieben Tagen, ab der härtere Anti-Corona-Maßnahmen vorgesehen sind.

Und wie geht es nach dem Sommer weiter? LGL-Chef Zapf reagiert zwiespältig auf die Frage. Auf der einen Seite ist er optimistisch, dass Staatsregierung, Behörden und Gesundheitswesen die Pandemie so weit im Griff haben, dass es nicht wieder zu so massiven Infektionen kommt wie im Frühjahr. Auf der anderen Seite treibt ihn die Sorge wegen einer zweiten Infektionswelle um - wenn er zum Beispiel die Bilder von feiernden Touristen aus Deutschland auf Mallorca sieht, die sich nicht um Vorsorgemaßnahmen scheren.

Am LGL rüsten sie sich denn auch für alle Fälle. Aus Zapfs Sicht werden eine Reihe Anti-Corona-Maßnahmen bestehen bleiben, bis ein Impfstoff oder wirksame Medikamente gegen das Virus vorhanden sind. Als Beispiel nennt er die Maskenpflicht im öffentlichen Nahverkehr. Außerdem werden die Laborkapazitäten für Corona-Tests immer weiter aufgerüstet. Allein am LGL sollen sie auf 5000 Stück am Tag verdoppelt werden. Die Hygiene-Beratungen in Pflegeheimen und anderen sensiblen Einrichtungen werden fortgesetzt. Auch die Taskforce am Münchner Flughafen soll verstärkt werden, um auch international Infektionsketten schnell zu ermitteln. Und unter Regie des LGL ist ein Zentrallager für Schutzkleidung, Masken und andere Notfallausrüstung eingerichtet worden.

© SZ vom 15.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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