Altes Handwerk:Renaissance der Büttnereien in Bayern

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Im Feuer geläutert: Durch die offene Flamme werden in den Holzfässern unerwünschte Aromastoffe oder harzige Substanzen zersetzt. (Foto: Daniel Karmann/dpa)

Andreas Aßmann leitet am Rande des Spessarts eine von nur noch 18 Büttnereien in Bayern. Die verstärkte Nachfrage von Winzereien hilft ihnen aus schwierigen Zeiten.

Von Carolin Gißibl, Eußenheim

Andreas Aßmann streicht über eins seiner Fässer. "Alles Unikate", sagt er. In der Werkshalle seines Betriebs in Unterfranken ist es staubig, es riecht nach Lagerfeuer und Krafteinsatz. Arbeiter stülpen ein fast zwei Meter hohes Fass ohne Boden über eine brennende Feuerschale. "Toasting" nennt der Fachmann dieses Vorgehen. "Durch die offenen Flamme wird die feste Holzstruktur der Fassinnenseite aufgebrochen, und unerwünschte Aromastoffe oder harzige Substanzen werden zersetzt", erklärt Aßmann. Zellulose wird zu Holzzucker gespalten und karamellisiert, der Holzstoff Lignin zum Teil in Vanillin umgewandelt. "Die Aromen aus unserem Fass gehen in den Wein und verleihen eine charakteristische Note."

Der Firmenchef mit Glatze und kleinem Unterlippenbart könnte in seinem beigen Arbeitsanzug auch als Ranger in einem Nationalpark durchgehen. Seit 1996 leitet er den Familienbetrieb in Eußenheim (Landkreis Main-Spessart) in dritter Generation. Es ist eine der letzten Büttnereien in Franken. Dabei war das uralte Handwerk, das schon im 1. Jahrhundert vor Christus in Gallien betrieben worden sein soll, noch vor 50 Jahren in der Region weit verbreitet. Heute gibt es in Bayern laut Handwerkskammer 18 Büttner, die je nach Ort auch "Böttcher", "Schäffler" oder "Küfer" genannt werden. Insgesamt sind es in Deutschland 60 Betriebe (beides Stand Juni 2021).

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Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte Großvater Aßmann 1945 den Betrieb gegründet. Die Büttnerei stellt heute Holzfässer von 20 bis 8000 Litern her. Die großen Stückfässer sind Sonderanfertigungen und stehen zum Beispiel im historischen Fasskeller der Residenz in Würzburg. Exportiert wird vorwiegend nach Frankreich - aber auch in die Schweiz, Italien, Japan, Australien und Neuseeland. Die Kundschaft kommt vornehmlich aus dem Weinbereich. "Allein der Geruch der Fässer begeistert mich", sagt etwa der fränkische Winzer Hermann Dereser aus Kolitzheim südlich von Schweinfurt. "Die Qualitäten der Barriques sind eine heimische Besonderheit."

"Früher war es eine Schinderei"

Auf 1200 Quadratmetern liegt die Werkshalle am Rande des Spessarts. Ein Arbeiter sitzt in einem Fass, schleift Holz. Seine Haare sind voller Sägespäne. "Wir beziehen ausschließlich Spessarteiche aus dem Umkreis von 100 Kilometern", erklärt Andreas Aßmann. Zwei bis sechs Jahre wird das Holz zur Trocknung gelagert, bevor es von ihm und seinen acht Mitarbeitern verarbeitet wird. Wobei der 50-Jährige sagt: "Ich arbeite nicht. Wer seinen Job zum Hobby macht, muss nie auf die Arbeit gehen."

Hand in Hand: Firmenchef Andreas Aßmann (links) und sein Vater Karl stehen in der Fertigung des Familienbetriebs an einem Fass. (Foto: Daniel Karmann/dpa)

Auch Vater Karl Aßmann packt noch mit an - mit 81 Jahren. Jeden Morgen wickelt er seine Lederschürze um, zieht Stahlkappenschuhe an, schneidet und biegt die Holzstreifen für die äußere Rundung, die sogenannten Dauben. Seitdem er 14 Jahre alt ist, werkelt Karl Aßmann im Betrieb, den er über Jahrzehnte geführt hatte. "Früher war es eine Schinderei", erzählt er. "Heute gibt es zum Glück elektrische Sägen, Hobel und Schleifmaschinen." Ans Aufhören denke er nicht. Eine schwierige Zeit seien die 1970er-Jahre gewesen: Wegen Missernten blieben viele Fässer leer. "Wir haben damals Nischenprodukte wie Pflanzenkübel oder Sitzgelegenheiten produziert - das hat uns gerettet", so Karl Aßmann. Andere Betriebe stellten auf Kunststoff- und Aluminiumfässer um.

Zu den Gesellen des Familienbetriebs gehört auch der Enkel von Karl Aßmann, Erik. An diesem Morgen schürte der 23-Jährige schon um 5.30 Uhr den Kessel an, um mit Wasserdampf die Dauben biegsam zu machen und später mit Stahl zusammenzuspannen. Die Fässer werden mit Lack veredelt, manche graviert. Bis ein Fass fertig ist, dauert es je nach Größe einen Tag bis eine Woche. "Ein Wein muss atmen und reifen", sagt Firmenchef Andreas Aßmann. Ein Fass kann bis zu 100 Jahre halten. "Aber es kommt auf die Pflege an - wie in einer Ehe. Um ein Holzfass muss man sich kümmern wie um eine Frau."

Franken ist mit 99 Prozent der Anbaufläche das wichtigste Weinanbaugebiet in Bayern. Es gibt etwa 3500 Winzer, rund 650 davon direktvermarktend, und dazu Genossenschaften, die alle insgesamt auf mehr als 6300 Hektar Wein anbauen - und sich zwischen verschiedenen Fässern entscheiden müssen. "Holzfässer sind nicht so pflegeleicht wie Edelstahlfässer und benötigen im Keller höchste Aufmerksamkeit und Hygiene. Das Fass darf nicht austrocknen und muss vor Mikroorganismen geschützt werden", erklärt Michael Bock vom Fränkischen Weinbauverband in Würzburg. "Holzfässer, als traditionelle Weinbehältnisse, erleben derzeit eine Renaissance und erfreuen sich großer Beliebtheit."

Gespreizte Erscheinung: So sehen die in der Büttnerei Aßmann mit Eisenreifen versehenen Dauben aus, bevor sie mittels Wasserdampf in Form gebracht werden. (Foto: Daniel Karmann/dpa)

Den wachsenden Bedarf bestätigt auch Marcus Vetter, stellvertretender Bundesvorsitzender des Verbands des Deutschen Fass- und Weinküfer-Handwerks. "Um das Böttcherhandwerk auch in Zukunft zu erhalten, müssen Anreize geschaffen werden, die eine Tätigkeit in diesem Bereich attraktiv machen", sagt er. "Nur, wer sich mit seinem Beruf, seiner Tätigkeit identifiziert, kann auch andere dafür begeistern und damit auch wieder mehr junge Menschen zum Handwerk führen."

Wilhelm Schmid, in gleicher Position wie Vetter beim in Heilbronn ansässigen Verband aktiv, führt eine Fassfabrik in München: "Ich kann natürlich nur für meine Firma sprechen, aber wir hatten in den letzten Jahren keine Probleme, Nachwuchs zu bekommen. Offenbar ist unser Beruf mittlerweile so exotisch, dass er allein dadurch interessant wird." Schmid sieht allerdings eine andere Herausforderung: "Das Hauptproblem sehe ich derzeit in den stark steigenden Rohstoffpreisen für Holz, aber auch zum Beispiel Bandstahl - seit letztem Jahr 100 Prozent Erhöhung - und der Möglichkeit, diese Steigerungen in Form von Preiserhöhungen beim Kunden durchzusetzen."

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