Vor Gericht:Brandstiftung, versuchter Mord - aber kaum Spuren

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  • In einem Laden in Marktredwitz soll mithilfe von Brandbeschleuniger Feuer gelegt worden sein, innerhalb kürzester Zeit war das gesamte Geschäft zerstört.
  • In den Wohnungen über dem Laden hielten sich sechs Menschen auf. Nur durch Glück wurde niemand verletzt.
  • An einer Plastiktüte haben Ermittler genetische Spuren eines 19-Jährigen gefunden. Er ist nun wegen Brandstiftung und wegen sechsfachen versuchten Mordes angeklagt - streitet jedoch alle Vorwürfe ab.

Von Olaf Przybilla, Hof

Rida Al Abed ist aus dem syrischen Homs geflohen, nachdem sein Laden dort bombardiert wurde und vollständig ausgebrannt ist. Nach Franken kamen er und seine Familie vor vier Jahren, und weil er von selbst verdientem Geld leben wollte, hat er sich auch dort ein kleines Geschäft aufgebaut. In Syrien arbeitete Al Abed als Tischler, in Marktredwitz hat er zunächst einen mobilen Lebensmittelhandel gegründet, Brot und Dosengemüse in den umliegenden Dörfern verkauft. Das Geschäft lief schleppend, bis er vor etwa einem Jahr ein leeres Geschäft in der Einkaufsstraße von Marktredwitz gefunden hat. Am 27. Dezember 2017 wurde der Lebensmittelladen eröffnet, Al Abed war glücklich. 18 Tage später läutete früh sein Telefon. Er solle zum Laden kommen, sein Geschäft sei zerstört.

Geht es nach der Staatsanwaltschaft Hof, dann ist für diese Zerstörung zum Teil der Angeklagte Hayder A. verantwortlich. Er soll am 15. Januar gegen drei Uhr in der Nacht gemeinsam mit zwei Mittätern die Schaufensterscheiben und Eingangstür des Ladens eingeschlagen haben. Dann sollen er oder seine Komplizen in den Laden geschlüpft sein und dort mithilfe von Brandbeschleuniger Feuer gelegt haben. An der Kasse, an die Regale und auf den Boden wurde Benzin ausgeschüttet und angezündet. Es dauerte nur wenige Minuten, dann waren das Geschäft und das Warenlager weithin zerstört. Allein an Fenstern und Einrichtung entstand ein Schaden von 80 000 Euro. 18 Tage nach der Eröffnung war der Traum vom eigenen Lebensmittelladen in der Innenstadt vorläufig hinfällig.

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Inzwischen ist der Laden wiedereröffnet. Der Anklagepunkt schwere Brandstiftung ist der strafrechtlich geringere Vorwurf gegen den aus Irak stammenden Hayder A. Im Haus über dem Laden befinden sich etliche Mietwohnungen. Als unten Feuer gelegt wurde, hielten sich dort sechs Menschen auf, die meisten schliefen. Allein einem glücklichen Umstand war es geschuldet, dass keiner der Bewohner zu Schaden kam. Die Anklage lautet also nicht nur auf Brandstiftung, sondern auch auf sechsfachen versuchten Mord.

Der besagte glückliche Umstand kommt am ersten Verhandlungstag zu Wort, es ist ein Anwohner, der schräg gegenüber wohnt. Er hat einen Schlag gehört in der Nacht und hat gewusst, dass ein Laster das Reformhaus in der Nähe drei Stunden zuvor bereits beliefert hatte. Der konnte es folglich nicht gewesen sein. Also hat er aus dem Fenster geschaut und zwei "athletische, drahtige" Menschen, mutmaßlich Männer, mit Kapuzen gesehen. Die Gesichter? Nein, die konnte er nicht erkennen, es war Nacht und der Blickwinkel aus dem zweiten Stock schlecht. Aber die Feuerwehr hat er verständigt. Ein Ermittler schildert, die Kollegen von der Feuerwehr hätten exakt sieben Minuten gebraucht, um am Brandort zu sein. Das habe ihm imponiert. Trotzdem war der Gang des Hauses bereits völlig verqualmt. Man möchte sich gar nicht vorstellen, sagt der Anwohner, was alles hätte passieren können.

Der Angeklagte, eigenen Angaben zufolge ist er 19 Jahre alt, verfolgt die Verhandlung mit Interesse. Er lässt sich übersetzen, nickt permanent, um zu signalisieren, dass er alles verstanden hat und beantwortet sämtliche Fragen präzise. Das Wichtigste aber lässt er seinen Anwalt erklären: Nicht im Geringsten sei er an der Tat beteiligt gewesen. In besagter Nacht habe er, wie oft, nicht in Bad Alexandersbad übernachtet, wo er gemeldet ist. Sondern in der Wohnung eines Verwandten in Marktredwitz, ganz in der Nähe des Brandortes.

Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, den Brand gemeinsam mit zwei Mittätern im Auftrag "einer noch nicht bekannten Person" gelegt zu haben - "vermutlich" um eine "durch die Geschäftseröffnung geschaffene Konkurrenz los zu werden". Ein Cousin des Angeklagten hat ebenfalls einen Lebensmittelladen in Marktredwitz. Und der neue Laden, direkt im Zentrum, soll - so schildern es Zeugen - gut angelaufen sein in den ersten Tagen. Bis zu 2000 Euro Umsatz, ein respektabler Zulauf.

Was man nach dem ersten Prozesstag bereits prognostizieren kann: Das wird ein längeres Verfahren, die Anklage stützt sich auf Indizien. An einer Plastiktüte im Laden sind genetische Spuren des Angeklagten gefunden worden. Nur, sagt dieser, habe er bei seinem Verwandten an der Theke mitgearbeitet, da hätte man ständig mit Tüten zu tun gehabt. Solche Tüten fänden sich also wohl in der ganzen Stadt. Sein Handy war zwar in der entsprechenden Funkzelle am Brandort eingebucht. Nur: Die Wohnung, in der sich A. aufgehalten haben will in dieser Nacht, ist gleich um die Ecke - im Bereich derselben Funkzelle.

Die Videos, die aus umliegenden Geschäften gemacht wurden, sollen - so klingt es am ersten Tag an - ebenfalls schwer zur Identifizierung eines Täters taugen. Auch eine Augenzeugin will lediglich Flüchtende "aus dem arabischen Kulturkreis" gesehen haben, sie wird demnächst in der Verhandlung zu Wort kommen. Und die Männer, die den Brand angeblich mit gelegt haben sollen? Die Indizien gegen sie reichen offenbar derzeit für eine Anklage nicht aus.

© SZ vom 06.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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