Klimawandel in Bayern:Totenmesse für Bayerns Gletscher

Lesezeit: 3 min

Unter Führung des katholischen Pfarrers Florian Hammerl und seiner evangelischen Kollegin Uli Wilhelm (beide verdeckt) ist am Dienstag eine Prozession zu den Resten des Zugspitzgletschers gezogen. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

Das Ende der letzten Gletscher steht bevor. Mit einem ökumenischen Requiem haben katholische und evangelische Christen deshalb auf dem Zugspitzplatt auf die Folgen der Klimaerwärmung aufmerksam gemacht.

Von Christian Sebald, Garmisch-Partenkirchen

Es war verhangen und hatte tatsächlich ein wenig geschneit, sodass Mitarbeiter der Zugspitzbahn auf der Aussichtsplattform auf der Bergstation der Seilbahn den Schnee von den Tischen räumen mussten. Doch die für den aktuellen Sommer ungewöhnlich kühle Witterung kann nicht darüber hinwegtäuschen: Der Klimawandel setzt dem Nördlichen und dem Südlichen Schneeferner oben auf dem Zugspitzplatt so zu, dass nur noch kümmerliche Reste von den beiden Gletschern vorhanden sind. Unter dem Leitwort "Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen. Woher kommt mir Hilfe?" sind am Dienstag katholische und evangelische Gläubige aus dem Werdenfelser Land mit der Seilbahn hinauf auf die Zugspitze gefahren. Mit der Aktion wollten sie auf die Folgen des rasanten Klimawandels für Natur und Umwelt aufmerksam machen.

An der Kapelle Mariä Heimsuchung, die auf dem Zugspitzplatt liegt, feierten der katholische Pfarrer Florian Hammerl und seine evangelische Kollegin Uli Wilhelm mit den Gläubigen einen ökumenischen Gottesdienst. "Wir fürchten uns davor, dass unsere Lebensgrundlagen wegschmelzen wie dieser Gletscher", sagte Wilhelm. Mit Trauer, Sorge und Wut sehe sie den Klimawandel. Es sei nicht zu verstehen, dass Lösungen auf die lange Bank geschoben würden. Danach segneten die beiden Pfarrer den schwindenden Gletscher. Der Kirchenmusikdirektor des evangelisch-lutherischen Dekanants Weilheim, Wilko Ossoba-Lochner, hatte für den Gottesdienst das Berg-Requiem "Elegie auf das Ende des ewigen Eises" komponiert, das an der Kapelle uraufgeführt wurde.

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Das Requiem kam nicht von ungefähr. Dass die Gletscher in Bayern schon bald verschwunden sein werden, ist seit Jahren besiegelt. Die Frage ist nur, wie lange es noch dauert. Vor gut zehn Jahren haben die Glaziologen an der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (BAdW) prophezeit, dass es bis Mitte des Jahrhunderts dauern wird. Vor zwei Jahren mussten sie sich korrigieren. Nach ihrer damaligen Prognose werden die bayerischen Gletscher Anfang der 2030er-Jahre verschwunden sein. Vergangenen September verlor dann der Südliche Schneeferner auf der Zugspitze als erster seinen Gletscher-Status. Sein Eis war damals keine zwei Meter mehr dick, zu wenig für einen Gletscher.

Seither gibt es nur noch vier Gletscher in Bayern: Den Nördlichen Schneeferner und den Höllentalferner, die sich beide ebenfalls an der Zugspitze erstrecken, sowie das Blaueis am Hochkalter und den Watzmanngletscher im Nationalpark Berchtesgaden. Einer der beiden letztgenannten ist der nächste, der verschwinden wird. Der BAdW-Glaziologe Christoph Mayer will sich nur nicht drauf festlegen, welcher es sein wird. "Unsere nächsten Vermessungen finden Ende August statt", sagt Mayer, der auch Co-Autor des offiziellen bayerischen Gletscherberichts ist. "Dann werden wir Genaueres sagen können."

Der Grund für das rasante Gletscherschmelzen ist der ungebremste Klimawandel, der die bayerischen Alpen sehr viel massiver trifft als die flacheren Regionen. Mit gut zwei Grad Celsius ist die Durchschnittstemperatur in den Bergen in den vergangenen 120 Jahren doppelt so stark angestiegen wie im übrigen Freistaat. Das bedeutet, dass sich die Höhenlage, in der Gletscher bestehen können, schon weit nach oben verschoben hat. Bis in die 1950er Jahre galten als Untergrenze für einen Alpengletscher etwa 3000 Höhenmeter. Inzwischen setzen die Glaziologen sie bei wenigstens 3500 Metern an.

Der Nördliche Schneeferner am 08. August 2022. Das Eis wird bald abgeschmolzen sein. (Foto: Angelika Warmuth/dpa)

Die vier bayerischen Gletscher liegen alle deutlich tiefer. Die beiden verbleibenden Zugspitz-Gletscher auf 2400 bis 2700 Höhenmetern, das Blaueis auf 2400 Höhenmetern und der Watzmanngletscher sogar nur auf gut 2100 Höhenmetern. "Und der Klimawandel bremst sich ja nicht ab", sagt Mayer. "Im Gegenteil: Bisher beschleunigt er sich." Am längsten durchhalten wird wohl der Höllentalferner. Das liegt nicht nur daran, dass er mit 16,7 Hektar Fläche der größte der vier Gletscher ist. Sondern er liegt vergleichsweise günstig in einer tiefen Senke nördlich des 2962 Meter hohen Zugspitzgipfels und ist auch nach Westen und Nordwesten von hohen Felswänden umgeben. Deshalb bekommt er im Winter besonders viel Lawinenschnee ab. Und die übrige Zeit des Jahres liegt er zumeist im Schatten.

Der Nördliche Schneeferner dagegen, der lange Bayerns größter Gletscher war, liegt oben auf dem Zugspitzplatt, wo überall die Sonne hinscheint. Gerade in extrem sonnigen Jahren setzt ihm das gehörig zu. Statistisch gesehen fließen jede Minute 500 Liter Wasser aus dem Nördlichen Schneeferner ab. Aufs Jahr gesehen summiert sich das auf 263 Millionen Liter - so viel wie ungefähr 5800 Menschen verbrauchen. Allerdings dürfte das Maximum bereits überschritten sein. Wie andere Gletscher auch ist der Nördliche Schneeferner längst so geschrumpft, dass aus ihm weniger Wasser abfließt als früher.

Dieses Jahr ist übrigens eher günstig für die bayerischen Gletscher. Sagt zumindest der Glaziologe Mayer. Auch wenn der Winter selbst eher schneearm war und es ab dem Frühsommer immer wieder heiße Tage und sogar Hitzeperioden gegeben hat. "Aber die vielen Niederschläge im April und im Mai sind in den höheren Lagen alle als Schnee niedergegangen", erklärt Mayer. "Und der hat im Vergleich zu 2022 für ein relativ gutes Schneepolster auf dem Gletschereis gesorgt." Außerdem gab es mehr Wolkentage als im Vergleichszeitraum 2022. "Deshalb war die Sonnenstrahlung auf die Gletscher längst so intensiv", sagt Mayer. Am Ende der Gletscher in Bayern werden solche meteorologischen Einflüsse freilich nichts mehr ändern. Sie können es allenfalls noch etwas hinauszögern.

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