Energiepolitik:Warum in Bayern 30 bereits genehmigte Windräder nicht gebaut werden

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Obwohl ihr Bau vor dem Inkrafttreten der umstrittenen Abstandsregel 10 H beschlossen wurden, stehen die Anlagen immer noch nicht.

Von Christian Sebald, München

Wenn es um Windräder geht, ist die CSU zu keinen Zugeständnissen bereit - auch bei Projekten, denen Parteichef und Ministerpräsident Markus Söder und das Kabinett ihr Plazet erteilt haben. Das zeigt ein Streit um 30 Anlagen, der seit Wochen im Landtag schwelt. Das Skurrile daran: Die Anlagen sind genehmigt worden, lange bevor Ende November 2014 das umstrittene 10-H-Gesetz in Kraft getreten ist.

Nach der Regelung muss der Abstand zwischen einem Windrad und einer Wohnsiedlung das Zehnfache der Anlagenhöhe betragen. Bei einem 200 Meter hohen Windrad sind das also zwei Kilometer. Das 10-H-Gesetz ist nach einhelliger Einschätzung von Experten der Grund, warum der Ausbau der Windkraft in Bayern praktisch zum Erliegen gekommen ist. Nun könnte 10 H auch die 30 Windräder zu Fall bringen, obwohl das Gesetz zum Zeitpunkt ihrer Genehmigung noch nicht in Kraft war.

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Zwischen Genehmigung und Bau eines Windrads vergeht nach Angaben des Branchenverbands BWE oft viel Zeit, unter anderem deshalb, weil Anwohner gegen Projekte klagen. Deshalb passiere es immer wieder, dass die geplanten und genehmigten Anlagentypen beim tatsächlichen Baustart nicht mehr verfügbar sind. In der Regel könnten die Investoren umstandslos auf andere Modelle ausweichen. Nötig dafür sei eine sogenannte Änderungsgenehmigung. Sie hat es freilich in sich.

Selbst wenn das Windrad, für das sie notwendig ist, vor Erlass des 10-H-Gesetzes genehmigt worden ist, gilt die scharfe Regelung dann plötzlich. Das heißt, dass ein ursprünglich genehmigtes Windrad nun nicht mehr errichtet werden kann, wenn es den geforderten Mindestabstand von 10 H nicht einhält. Der Branchenverband BWE spricht deshalb von einem "Konzeptionsfehler der bayerischen Bauordnung". Er fordert einen schnellen Bestandsschutz für die Baugenehmigungen.

Der Grünen-Landtagsabgeordnete und Energiepolitiker Martin Stümpfig übt scharfe Kritik an der Regierungskoalition. "Für viele der betroffenen Projekte bleiben nur noch wenige Wochen Zeit", sagt er. "Wenn sie nicht schleunigst errichtet werden können, erlischt ihr Anspruch auf Vergütung des Windstroms, den sie produzieren." Damit würden die Anlagen nicht nur unrentabel. Sondern den Investoren drohten bisweilen Millionenverluste. Als Beispiel nennt Stümpfig ein Projekt in Unterfranken, bei dem Vorleistungen der Investoren in Höhe bis zu 13 Millionen Euro im Feuer stünden.

Eigentlich sollte der Streit längst befriedet sein. Die Staatsregierung hat sich am 3. Dezember 2019 mit der Sache befasst und entschieden, dass sie "für Rechtssicherheit bei der Inbetriebnahme von Windkraftanlagen sorgt, die vor Inkrafttreten der 10-H-Regelung genehmigt wurden und bei denen zwischenzeitlich ein Wechsel des Anlagentyps technisch notwendig ist". So kann man es im Bericht zu der Kabinettssitzung nachlesen. Die einzigen Bedingungen der Staatsregierung: Es darf sich weder an der genehmigten Höhe des Windrads, noch am Standort der Anlage etwas ändern. Zugleich betont die Staatsregierung, dass die Regelung Vorteile für die Anlieger hätten. Moderne Windturbinen seien nämlich "leiser, umweltfreundlicher und effizienter" als ihre Vorgänger. Stümpfig und der BWE haben den Beschluss denn auch sehr begrüßt.

Seither hat sich freilich nichts getan. Die Regierungsfraktionen von CSU und Freien Wähler haben nach wie vor keinen Antrag für eine entsprechende Änderung der Bauordnung in den Landtag eingebracht. Beobachter sagen, das liege einzig und allein an der CSU und den radikalen Windkraft-Gegnern in der Fraktion. Sie sabotierten die im Kabinett beschlossene Gesetzesänderung auf Biegen und Brechen.

Bauministerin Kerstin Schreyer (CSU) hat Stümpfig auch kürzlich kühl beschieden, die CSU-Fraktion fordere "zur Ermittlung der Reichweite einer möglichen Gesetzesänderung eine Aufstellung zu Anzahl und Umständen aller von der geplanten Neuregelung betroffenen Einzelfälle". Diese werde derzeit durchgeführt. Deshalb könne man noch keinerlei Angaben zu einer möglichen Änderung der Bauordnung machen. Der Branchenverband BWE hat deshalb dieser Tage erneut Brandbriefe an Ministerpräsident Söder, Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger sowie die Chefs der beiden Regierungsfraktionen, Thomas Kreuzer (CSU) und Florian Streibl (FW), losgelassen.

© SZ vom 07.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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