SZ-Serie: Urlaub daheim:Ruhe bei Ludwig und Lola in der Rhön

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Sommerserie Bayern Rhön Staatsbad Brückenau und Kuppenrhön Foto: Johann Osel (Foto: N/A)

Im Staatsbad Brückenau residierten einst König und Mätresse. Heute bietet es noch immer Erholung und kann als Basislager für schöne Wanderungen durch die Kuppenrhön dienen.

Von Johann Osel

Seine königliche Ruhe hat man hier. Den Eindruck könnte sich das Staatsbad Brückenau eigentlich zum Slogan nehmen. Nun ist es aber nicht so, dass man den Monarchen, konkret Ludwig I., verleugnet, hier in dem prächtigen Kleinod des unterfränkischen Kurorts. Im Gegenteil: Ludwig I., Feingeist und Förderer der Kunst und Architektur, hat Brückenau geliebt, mehr als zwei Dutzend Mal war er dort, hat bauen lassen und pflanzen, hat residiert und gelustwandelt und sich womöglich anderen Gelüsten gewidmet.

Des Königs Gattin weilte zur Kur lieber in Franzensbad; so reiste 1847 Lola Montez nach Nordbayern. Die vorgeblich spanische (in Wahrheit irische) Tänzerin war die berüchtigtste Mätresse und wurde bald zum Politikum in München. An vielen Stellen im Bad wird an Ludwig und Lola erinnert, und sei es bei den Namen der Trinkquellen. Als ein Heilwasser (hilfreich etwa bei Erkrankung der tiefen Beinvenen) vor 30 Jahren nach Lola benannt wurde, waren alte Brückenauer noch immer erbost: "Für dieses Luder?"

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Wichtiger allerdings ist das, was Ludwig hinterlassen hat: eben einen Ort absoluter Ruhe. Ein Schmuckkästchen. Wie ein abgeschlossener Campus wirkt die Anlage mit Hotels, Gastronomie, Kliniken (viele in historischen Bauten) und vor allem dem Park. Architektonisch akkurat in seinen Achsen, nicht weniger exakt im Schnitt der Bäume und Rasenflächen; man sieht Gärtner herumwuseln. Wohl Corona-bedingt ist aktuell wenig los, doch wer das Bad von früheren Reisen kennt, der weiß: Überlaufen ist es selten. Aus einem Saal dringen Jazzklänge, eine Probe. Besucher flanieren, lesen, ruhen sich aus. Und über allem schwebt ein Touch von Noblesse - Jogginganzüge trägt hier nur, wer wirklich joggt. Zu sehen sind, bei den Herren, eher Leinenhosen.

Das Staatsbad kann Ziel eines Tagesausflugs sein, für ein paar Stunden Erholung dienen oder als Basislager zur Erkundung der Region. Denn im Grunde muss man ja wandern in der Rhön, dem grün-blau-weißen Mittelgebirge im Grenzgebiet von Bayern, Hessen und Thüringen. Grün ist die Natur mit ihren Wäldern und Fluren, blau der Himmel, der häufig scheinbar ewig weite Ausblicke zulässt, und weiß sind als wiederkehrende Tupfer die Schafe.

Wie es um Ludwig als Wandersmann bestellt war, ist nicht so genau bekannt; er war zu Zeiten der Lola-Liebelei bereits betagt. Man weiß aber von Jagden, deren Erfolge an der "tausendjährigen Eiche" im Staatsbad gefeiert wurden. Der Baum, um die 850 Jahre alt, steht nach wie vor stolz an der einstigen Residenz, muss aber mit Balken gestützt werden. Vielleicht ist der König, heimlich, mit seiner Lola spaziert, diverse flache Wege durchs Sinntal verlaufen hier.

Schon die Strecke zwischen dem Ort Bad Brückenau und dem vorgelagerten Staatsbad bietet sich an, gut sieben Kilometer hin und zurück. Wer Rast machen will, der kann im Café Hexenhäuschen Kuchen essen. Begleitet von allerlei Märchenkitsch im Garten, Schlagermusik ("Weiße Rosen aus Athen") und Gesundheitsplausch an den Nachbartischen. Schwerpunkt Niere.

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(Foto: N/A)

Auf Wanderungen rund um Bad Brückenau kann man vor allem die absolute Stille genießen.

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(Foto: N/A)

"Tausendjährige Eiche" im Staatsbad Brückenau, tatsächlich gut 850 Jahre alt. Sie muss mit Balken gestützt werden.

"Bei uns in der Rhön, da isses einfach schön", sagen die Einheimischen

Für fitte Geher gibt es freilich eine Vielzahl an ausgeschilderten Routen in der unmittelbaren Umgebung: in der Brückenauer Kuppenrhön. Dieser Teil des Gebirges ist nicht so bekannt wie Wasserkuppe (Hessen) oder Kreuzberg (Bayern), kaum frequentiert - und meist weniger anspruchsvoll für Kondition und Waden. Die Wanderung auf den Dreistelz mit Aussichtsturm (elf Kilometer) wäre eine Option, wobei der Anstieg auch nicht zu unterschätzen sein soll. Der Reporter wählt die Tour rund um die Pilsterköpfe, drei Kuppen östlich von Bad Brückenau auf 637, 614 und 571 Metern Höhe. An die vier Stunden (mit Pausen) braucht man dafür. Startpunkt ist am Alten Rathaus, noch im Stadtgebiet geht's zunächst überraschend steil hinauf.

Aber Entwarnung: Es bleibt nicht so in den folgenden Stunden, man ist rasch auf einer gewissen Höhe angelangt. Und die ersten Mühen kompensiert ein Ausblick auf die Kleinstadt, die laut einem alten Gedicht seit Langem Linderung verheißt, "wenn dich deine Niere zwickt, wenn die Galle dich versauert, wenn dich deine Blase drückt, wenn dein edles Herz verbauert". Weiterer Trost nach dem Anstieg: Durch den kühlen Wald eines Pilsterkopfes geht es flott weiter.

Kein Mensch ist hier im Gehölz zu sehen an einem Werktag. Wohl ist der Weg für Patienten und Reha-Gäste doch zu beschwerlich, und touristisch besteht allgemein Steigerungspotenzial in der Gegend. Die Stille kann gruselig werden. Was ist das für ein Geräusch? Ein Tier? Es könnte die Figur einer der vielen Geschichten sein, die sich um die Brückenauer Kuppenrhön ranken. Wie bei den Pilsterköpfen die vom Trompeter, der seine Frau am Wochenbett alleine ließ, Kind und Gattin verstarben; seitdem taucht sein Geist immer wieder auf und bläst traurige Weisen. Vermutlich ist er's.

Verlässt man den Wald, öffnet sich das weite Land. Absolute Stille auch hier oben (obwohl die Autobahn nicht allzu fern ist), man hört jeden Windhauch, der durch die Gräser schleicht. Im Panorama zeigt sich der Dreistelz, gleichermaßen sagenumwoben. Drei Jungfrauen, bildhübsch und dünkelhaft, sollen da gelebt haben. Als sie einem Wanderer das Logis verwehrten, verfluchte der sie und die drei Damen versanken mitsamt Schloss unter Blitzen im Berg. Wo sie bis heute schlafen. Gott sei Dank, an den Pilsterköpfen tauchen Dörfer auf, die Szenerie wird belebter, Anwohner, Spaziergänger. "92 Kalorien verbraucht", dröhnt es aus dem Smartphone einer Frau mit Hund.

Das Gerät des Reporters meldet nach anderthalb Stunden 300. Die Sonne sticht. Ein Malus der Tour ist, dass nicht immer die Wälder Schutz bieten. Auch ungut: Es gibt derzeit keine Einkehrmöglichkeit und nur vereinzelt Ruhebänke. Immerhin, endlich kommt eine Bank, der Katholische Burschenverein Breitenbach/Mitgenfeld (zwei Dörfer auf der Route) ließ sich nicht lumpen. Scheunen, Fachwerk, Schafe, Pferde, Natur - der Weg über die Dörfer, der nach zwölf bis 14 Kilometern wieder in Bad Brückenau endet, ist auch eine schöne Landpartie. Und wäre ideal für Radfahrer.

"Bei uns in der Rhön, da isses einfach schön", sagen die Einheimischen reimend, abends am Stammtisch beim Wirt im Ortskern. Sie bevorzugen das Rad. Hoffentlich nicht in dem Zustand, wie sie beisammen sitzen beim Bier. Die Gegend ist auch Genussregion. Ausgeschenkt wird etwa Bier der Klosterbrauerei vom Kreuzberg. Vielleicht führt ein nächster Trip doch dorthin.

© SZ vom 28.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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