Salzburger Land:Bayerns Berlin liegt an der österreichischen Grenze

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Die neue Brücke stammt von 1903, ihr Bau war das größte verbindende Projekt vor dem Zersägen des Grenzbalkens nach Österreichs Schengen-Beitritt 1997. (Foto: Johannes Simon)

Vor 200 Jahren wurde Laufen an der Salzach geteilt, seitdem verläuft die Staatsgrenze mitten durch die Stadt. Mittlerweile ist das kaum mehr zu spüren.

Von Matthias Köpf, Laufen

Wenn sich das oberbayerische Laufen mit einer anderen Stadt vergleicht, dann lieber nicht mit dem nahen Tittmoning, mit Traunstein oder gar mit dem erst im 20. Jahrhundert emporgekommenen, aber längst mehr als doppelt so großen Freilassing. Laufen vergleicht sich da eher mit Berlin, wobei Berlin ja eigentlich gar keine geteilte Stadt mehr ist.

Durch das einstige Laufen jedoch zieht sich, genau in der Mitte der Salzach, immer noch eine Grenze: 200 Jahre ist es heuer her, dass das ehemalige Fürsterzbistum Salzburg und damit auch die alte Handelsstadt Laufen an einem Münchner Verhandlungstisch auseinandergerissen wurden. Der östlich von Salzach und Saalach gelegene Teil mitsamt der Residenzstadt Salzburg ging an Österreich, der westliche Teil, für den sich dann ein paar Jahrzehnte später der Name "Rupertiwinkel" eingebürgert hat, kam zum Königreich Bayern.

Die beiden rivalisierenden Monarchien gaben sich nach der Säkularisierung 1803 alle Mühe, sich das zuvor viele Jahrhunderte lang selbständige Herrschaftsgebiet der Salzburger Erzbischöfe in Gänze einzuverleiben. Als neues Kurfürstentum ging es zunächst an Ferdinand III. von Toskana aus einer Nebenlinie der Habsburger, zwei Jahre später mit der einst ebenfalls selbständigen Fürstprostei Berchtesgaden direkt an das Kaiserreich und 1810 doch noch an Bayern.

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Im Land selbst hat diese im Vertrag von München 1816 endgültig fixierte Teilung niemand so getroffen wie die Laufener. Die hatten zwar immer mal wieder ihre von einem Hochwasser zerstörte Brücke aufbauen müssen, doch ansonsten hatte die Salzach sie nie getrennt.

Jetzt fanden sich Freunde, Verwandte und Zunftkollegen plötzlich als Bürger verschiedener Staaten wieder. Gegenseitige Besuche, und sei es bei nächsten Angehörigen, wurden plötzlich zu Auslandsreisen für manche Menschen, die so etwas wie einen Pass bis dahin weder gebraucht noch überhaupt gekannt hatten. Die Hälfte der zuvor rund 2400 Laufener waren plötzlich Bayern, die andere Hälfte Österreicher. Wer von diesen noch schnell umzog, musste in Bayern einen Einbürgerungsantrag stellen. Die beiden nun habsburgischen Stadtteile, die Altach und das obere Dorf, nannten sich zusammen noch viele Jahren lang offiziell "Österreichisch Laufen" und erst später "Oberndorf".

Sie hatte es noch schlimmer erwischt als die nunmehr bayerische Hälfte mit ihren stattlichen Bürgerhäusern im Inneren der engen Salzachschleife. Denn die Gerätschaften der Feuerwehr ließen sich noch einigermaßen auseinanderdividieren, doch einen Friedhof mussten sich die Oberndorfer erst anlegen, und einen, der sie dort in aller Form beerdigt hätte, gab es anfangs auch nicht, bis der Hilfspfarrer Joseph Mohr aus Mariapfarr nach Oberndorf kam, mit dem Text für das später weltberühmte Stille-Nacht-Lied im Gepäck. Doch auch die geschrumpfte Laufener Pfarrgemeinde musste sich eine ganz neue Route für die Fronleichnamsprozession suchen.

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Was die neuen hohen Herren schnell errichten ließen, waren die ersten Zollhäuschen. So sehr die plötzlichen Zölle den Laufenern beidseits der Salzach ins Kontor schlagen mochten, so eröffneten sie doch auch neue Einkommensquellen für die traditionsreichen Salzachschiffer.

Deren jahrhundertelang vor allem auf das kostbare Salz aus Hallein und Reichenhall konzentriertes Transportgewerbe hatte seine Blüte zu dieser Zeit schon hinter sich. Jetzt ließen sich wenigstens mit dem Schmuggel wieder Gewinne machen. So soll die Spezereienhandlung Sperl eigens ein Loch in der flussseitigen Gartenmauer gehabt haben, durch das sich direkt vom Schiff die geschmuggelten Waren reichen ließen. Geschmuggelt wurde im geteilten Laufen noch lange, wenn auch wohl nicht mehr im ganz großen Stil.

Auf welcher Seite der Gegenüber wohnt, ist heute nicht mehr eindeutig

Österreich trat 1995 der EU bei und wurde 1997 Teil des Schengenraums. Ein Jahr später zersägten die Bürgermeister von Laufen und Oberndorf buchstäblich und symbolisch den Grenzbalken, der die beiden Orte voneinander getrennt hatte. Das größte verbindende Projekt war bis dahin der Bau der neuen Brücke von 1901 bis 1903 geblieben. Zuvor waren die alte Brücke und auch halb Oberndorf wieder einmal einem Hochwasser zum Opfer gefallen, weshalb der ganze Ort auf österreichischer Seite ein Stück flussaufwärts verlegt wurde, wohin seither auch die neue Brücke führt.

An der Stelle der alten Brücke entstand im Jahr 2006 der neue Europasteg, an dessen Geländer die Liebespaare viele Vorhangschlösser angebracht haben. Der Steg spannt sich mehr als 130 Meter über den Fluss, doch die Schlösser hängen genau in der Mitte: Dort, wo im Boden in metallenen Buchstaben die Schriftzüge "Freistaat Bayern" und "Land Salzburg" eingelassen sind und die Tafel am Geländer ein Ö und ein D mit einem Plus dazwischen zeigt.

Mehr als bloße Zeichen scheint es trotz Flüchtlingskrise und neuen Grenzkontrollen auch nicht mehr zu sein, was die Laufener und die Oberndorfer heute trennt. Wer mit der Mundart dort vertraut ist, hört zwar sofort, ob einer da oder dort zur Schule gegangen und ob bei ihm daheim die "Zeit im Bild" oder die "Abendschau" über den Fernseher geflimmert ist.

Doch auf welcher Salzachseite dieses Gegenüber dann wohnt, ist wieder so ungewiss wie vor 200 Jahren, denn etwa ein Drittel der inzwischen rund 6900 Laufener sind heute österreichische Staatsbürger. Viele von ihnen pendeln in die alte Residenzstadt Salzburg.

© SZ vom 12.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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