Wirtschaft in Bayern:"Und wir müssen die Suppe jetzt auslöffeln"

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260 000 Unternehmer haben die Corona-Soforthilfe erhalten - und müssen nun nachweisen wofür. (Foto: Angelika Warmuth/dpa)

Als Bayern in den ersten Corona-Lockdown taumelte, versprach die Staatsregierung unbürokratisch Geld. Doch nun droht etlichen Unternehmern die Rückzahlung der Soforthilfe. 362 Millionen Euro sind bereits eingegangen.

Von Maximilian Gerl, Neumarkt/München

Elisabeth Würz hat so ziemlich alles versucht: Sie hat einen Anwalt befragt, TV-Runden besucht und Ministerpräsident Markus Söder (CSU) eine Protestnote in die Hand gedrückt. Geändert hat es nichts. Wie viele Kolleginnen und Kollegen hat Friseurin Würz - die auch Obermeisterin der Friseurinnung Neumarkt in der Oberpfalz ist - im Frühjahr 2020 für ihren Salon Corona-Soforthilfe beantragt und erhalten. Nun soll sie das Geld wieder zurückzahlen. "Da denkt man sich: Halleluja", sagt Würz am Telefon. Das sei so, als sie und andere die Hilfe beantragt hätten, "nicht kommuniziert" worden. "Und wir müssen die Suppe jetzt auslöffeln."

So wie Würz geht es auch den übrigen, gut 260 000 Unternehmerinnen und Unternehmern in Bayern, die Corona-Soforthilfe erhalten haben - und denen im vergangenen Jahr die ersten Bescheide ins Haus flatterten: Sie müssen nun nachweisen, das Geld damals zu Recht erhalten zu haben. Wie viele davon am Ende tatsächlich etwas zurückzahlen müssen, ist unklar, viele Rückmeldungen stehen noch aus. Laut Wirtschaftsministerium hatten noch vor Start der Überprüfungen gut 30 000 Soforthilfe-Empfänger gemeinsam rund 230 Millionen Euro überwiesen. Seitdem kamen 20 000 Personen und 132 Millionen Euro hinzu.

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Dabei hatte die Staatsregierung doch darum geworben, sich um die Soforthilfe zu bewerben: Sie sollte unbürokratisch Pandemie-Einbußen abfedern. Noch vor Berlin schnürte München deshalb ein Paket für die Monate März bis Mai 2020, das so ähnlich deutschlandweit übernommen wurde. Insgesamt 2,2 Milliarden Euro wurden in Bayern ausgezahlt, größtenteils finanziert vom Bund, ganz gemäß der von Söder ausgegebenen Devise "Whatever it takes": Was nötig sei, um die Wirtschaft zu stützen, werde auch unternommen. Nun aber, drei Jahre später, wird das Motto umgedreht, in "Bayern takes it all". So fühlt es sich zumindest für jene an, welche die Soforthilfe wieder herausrücken sollen.

Eine "erhebliche Zahl" an Empfängern habe "rückblickend zu hohe Hilfszahlungen erhalten"

Der Frust kommt mit Ansage. Denn die Richtlinien sahen von Anfang an vor, dass die Soforthilfe zurückgezahlt werden muss, wenn der sogenannte Liquiditätsengpass kleiner als erwartet ausfällt. Ein übliches Vorgehen bei Hilfen aller Art, um Betrug vorzubeugen. Trotzdem kommen die Prüfbescheide nun für viele überraschend, hatte die Staatsregierung doch immer eine größere Nachkontrolle der Corona-Soforthilfen ausgeschlossen. Darauf ließ sich aber der Bund nicht ein. Die Folge: "stichprobenartige Überprüfungen", wie das bayerische Wirtschaftsministerium im Dezember auf SZ-Anfrage mitteilte. Demnach habe wohl eine "erhebliche Zahl" an Empfängern "rückblickend zu hohe Hilfszahlungen erhalten". Auch wegen des ordnungsgemäßen Umgangs mit Steuermitteln müsse man sie nun auf ihre Verpflichtung hinweisen, ihre eingereichten Prognosen zu überprüfen. "Ein nachträgliches Abweichen von den ursprünglichen Voraussetzungen ist schon aus rechtlichen Gründen nicht möglich."

So gesehen setzt sich die Verwirrung um die Soforthilfe nur fort, die seit ihrem Start besteht. Vor allem die Frage, was genau unter einem Liquiditätsengpass zu verstehen ist, sorgt damals wie heute für Probleme. Der Engpass berechnet sich "aus dem erwerbsmäßigen Sach- und Finanzaufwand ... abzüglich der Einnahmen". Umsatz minus Kosten gleich Fehlbetrag also. Aber: Bayern schloss die Personalkosten von der Rechnung aus. Dass man sie nicht geltend machen konnte, war vielen Unternehmern nicht bewusst. Andere Bundesländer zeigten sich da kulanter - und berücksichtigten zum Beispiel, dass Lehrlinge und Aushilfen nicht in Kurzarbeit geschickt werden konnten.

Ein weiteres Problem, gerade für Soloselbständige: Sie mussten laut Richtlinien eine eigene Betriebsstätte vorweisen. Doch die haben etwa Musikerinnen und Grafikdesigner häufig nicht, weil sie von daheim aus arbeiten oder bei anderen Betrieben. Dass sie deshalb offiziell nicht hilfsberechtigt waren, erfuhren manche erst, nachdem sie sich um die Hilfe beworben hatten. Viele fürchteten daraufhin, Hartz IV beantragen zu müssen; Sorgen, die die Staatsregierung noch befeuerte. "Die Grundsicherung deckt mehr ab, als wir abdecken", sagte etwa Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW) im Mai 2020 im Landtag.

Und jetzt? Kommt mit den Bescheiden auf Überprüfung noch mal alles hoch, der Frust über drei Jahre Pandemie, Umsatzeinbußen und Kommunikationspannen. Ende Juni läuft die Frist ab, die im Fall der Fälle zu entrichtenden Summen dürften meist zwischen 5000 und 9000 Euro liegen. Zu viel auf einmal für manch kleineren Betrieb. "Das hat man mal nicht eben in der Portokasse", sagt auch Friseurmeisterin Würz. Sie kämpft vorerst weiter, dass sie und die Kollegen von einer Rückzahlung verschont bleiben. In ein paar Wochen stehe eine Verbandstagung an, erzählt sie, auch Söder habe sein Kommen angekündigt. "Er begibt sich in die Höhle des Löwen."

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