Bildung in Bayern:Mehr als 400 Millionen Euro für Schüler-Schnelltest

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Zweimal in der Woche hieß es für die bayerischen Schülerinen und Schüler bisher: Packung auf und Stäbchen in die Nase. (Foto: Rolf Vennenbernd/dpa)

Der Freistaat bezahlte für die 15 Millionen Tests im Schnitt jeweils 4,70 Euro. Die Grünen kritisieren die Kosten. Zumal es eine Alternative gibt.

Von Viktoria Spinrad, München

416 157 384 Euro und 72 Cent - das hat der Freistaat in einem halben Jahr für Schüler-Schnelltests ausgegeben. Das ist das Ergebnis einer Anfrage der Landtags-Grünen an das Gesundheitsministerium. Demnach hat der Freistaat von Februar bis Juli 2021 für 15 Millionen Tests an Schülern, Lehrern und Verwaltung im Schnitt jeweils 4,70 Euro investiert - heute kosten die Tests einen Bruchteil davon.

"Die Staatsregierung hätte vorausschauender handeln können, statt viel Geld auszugeben", sagt Gabriele Triebel (Grüne) zur Anfrage, die zunächst der Augsburger Allgemeinen vorlag. Kritische Worte findet auch Matthias Fischbach (FDP): Der gezahlte Preis werfe Fragen nach dem Vergabeverfahren auf. In diesem, das betont das Gesundheitsministerium, seien insgesamt 102 Angebote geprüft worden.

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Konkret wurden 88 141 200 Tests bestellt, wovon bis Mitte Juni 17 Prozent ausgegeben wurde. Den Zuschlag für den Auftrag bekamen zwei US-amerikanische und ein chinesischer Hersteller. Das Gesundheitsministerium betont auf SZ-Anfrage, dass die Bestellung der Tests im Winter erfolgte "und damit zu einem Zeitpunkt, zu dem einer hohen Nachfrage an Selbsttests für den sicheren Schulbetrieb ein sehr geringes Angebot an geeigneten Tests gegenüberstand, was sich auf deren Einkaufspreis niederschlug." Eine Verringerung der Bestellmenge hätte die Gefahr begründet, dass Schulen aufgrund fehlender Tests keinen Präsenzunterricht hätten anbieten können.

Da das Ziel der Staatsregierung die zuverlässige und sichere Versorgung der Schulen mit den für die jeweiligen Schülerinnen und Schüler geeignetsten Tests ist, würden Entscheidungen nicht ausschließlich unter Kostenaspekten getroffen.

Nun läuft die Debatte, wie es nach dem Sommer an den Schulen weitergehen soll. Das Kultusministerium hat bereits angekündigt, an den Grund- und Förderschulen auf das Pool-Testing umzustellen. Dabei werden Gurgelproben von bis zu 30 Menschen zusammengemischt und im PCR-Verfahren getestet. Bei positivem Ergebnis müssen alle einzeln erneut getestet werden. Das Verfahren gilt als deutlich sensitiver und günstiger. Zuletzt hatte eine Studie namens "Wicovir" ("Wo ist das Coronavirus?) die Vorteile unterstrichen. In acht von neun Fällen, in denen der Gurgeltest Coronaviren vorfand, versagte der Schnelltest. Das mag auch erklären, warum von 930 000 Tests zuletzt nur 108 positiv waren. Diese Zahl nannte Kultusminister Michael Piazolo bei der Schuljahresende-Konferenz. Dennoch verteidigte er die Schnelltests: "Sie geben uns Sicherheit."

Pooling-Tests versprechen spätestens seit der Wicovir-Studie mehr davon. Die PCR-Pool-Testungen im Gurgelverfahren seien den Antigenselbsttests "haushoch überlegen", wenn es darum gehe, Infektionen in einem sehr frühen Stadion zu entdecken - "nämlich dann, wenn man die Infektionsketten noch präzise unterbrechen kann", sagt Studienleiter Michael Kabesch. Dazu kommt, dass das Verfahren mit weniger als einem Euro pro Test und Kind deutlich weniger kostet als die Schnelltests.

Grüne und FDP fordern bereits seit Februar, Pool-Tests einzuführen. Allerdings scheitert dies laut Gesundheitsministerium an begrenzten Laborkapazitäten. Wie groß der Aufwand ist, zeigt das Beispiel Nürnberger Land. Testkonzept, PCR-Labor, Lagerkapazitäten: Dort hat es drei Monate gedauert, um die entsprechende Logistik aufzustellen. Einen Monat vor den Ferien hat man mit dem Probelauf angefangen und seitdem gute Erfahrungen gemacht. "Das PCR-Pooling ist genauer und einfacher im Handling", sagt Joachim Schnabel vom örtlichen Schulamt.

Die Kritik der Opposition wollen Lehrverbände nur bedingt gelten lassen. "Im Nachhinein ist man immer schlauer", sagt Simone Fleischmann vom BLLV. Derweil sieht der Philologenverband das Pool-Testing als "ernsthafte Alternative". Kabesch betont, dass das Unterbrechen der Infektionsketten angesichts der Delta-Variante wenn überhaupt nur mit PCR-Tests gelingen könne. Bis dahin wird es noch dauern. Mittlerweile steht fest, dass die Pool-Tests erst im Herbst an den Schulen eingeführt werden. Das Gesundheitsministerium sorgt entsprechend vor: Es hat bereits eine neue Ausschreibung für Schnelltests in Arbeit.

© SZ vom 18.08.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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