Blattmacher-Wettbewerb:Wie Schülerzeitungen die Corona-Zeit verarbeiten

Lesezeit: 2 min

Beim Schülerzeitungs-Wettbewerb "Blattmacher" ist Corona ein großes Thema. (Foto: N/A)

Schüler widmen sich der Pandemie auf kreative Art und Weise. Damit stehen sie in historischer Tradition.

Von Maximilian Gerl und Viktoria Spinrad

"Die Corona-Pandemie beherrscht das Leben - Kontakt mit Freunden darf's nicht geben - Der Autor bleibt deshalb daheim - und sein Blog erscheint im Reim."

Ja, mit der Normalität war es weit her im Schuljahr 2020/21. Kaum saßen die 1,2 Millionen Schülerinnen und Schüler in Bayern hoffnungsfroh in den Klassenzimmern, ging es schon wieder nach Hause. Es folgten Wechselunterricht, Fernlehre und eine wahre Achterbahn der Gefühle. Blättert man dieser Tage durch die Gewinner-Ausgaben des Blattmacher-Zeitungswettbewerbs, präsentieren sich einem eindrucksvolle Zeugnisse einer verrückten Zeit, die in die Geschichte eingehen wird.

Ganz verschiedene Formate haben die Schüler gewählt, um den Alltag in Pandemiezeiten festzuhalten. Eine Autorin des Franzi beispielsweise hat über das ganze Schuljahr hinweg Tagebuch geführt. Auf fünf Seiten beschreibt die Schülerin der Franziskus-Schule in Bad Windsheim in kurzen, prägnanten Sätzen die Aufbruchstimmung zu Anfang des Schuljahres - und wie dann alles wieder in sich zusammenfällt. "Bin heute Nacht schon um drei Uhr wach gewesen, wieder schlaflos", schreibt sie im Frühjahr 2021, als Distanzunterricht herrscht. Schreibtherapie und Geschichtsschreibung in einem.

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Im Wallburg Express bildet die Redaktion der Georg-Göpfert-Mittelschule in Eltmann den Corona-Alltag mit einer doppelseitigen Bilderstrecke ab. Pfeile auf dem Boden zwecks Laufwegen, Arbeitsblätter, die durch ein Fenster gereicht werden, Wolldecken für die in kühlgelüfteten Räumen sitzenden Schüler: alles nachdenkliche Bilder aus einer denkwürdigen Zeit.

Andere versuchen, ihren Gefühlscocktail in Humor zu gießen. So schreibt der fiktive, aber durchaus wortgewandte Leserbriefverfasser Nils Nörgler in JFM Read me, der Schülerzeitung des Johann-Michael-Fischer-Gymnasium in Burglengenfeld: Irgendein Typ namens "Mebis" war angeblich so dermaßen überlastet mit dem Schul-Dings. "Der ist ständig zusammengekracht, so musste der sich anstrengen." Dass Mebis eigentlich eine Plattform und kein Typ ist: geschenkt!

Schreiben hilft in schweren Zeiten

Es ist halt schlicht ein zutiefst menschliches Bedürfnis, Krisen zu verarbeiten, indem man sie sich von der Seele schreibt. Und sei es nur für einen selbst. Dafür gibt es in der Geschichte Beispiele, die älter sind als jede moderne Zeitung. Zum Beispiel sind wir über die Schrecken des Dreißigjährigen Kriegs auch deshalb so gut informiert, weil der Söldner Peter Hagendorf über seine Kriegszüge Tagebuch führte - und sogar über seine Alkoholsucht.

Und wie fürchterlich es auch früher schon war, am Rand der Gesellschaft leben zu müssen, kennen wir aus den Schriften des Nürnberger Scharfrichters Franz Schmidt. Er berichtete nicht nur über sein blutiges Handwerk, sondern ebenso über die Folgen, die damit für ihn selbst verbunden waren. "Normale" Bürger durften mit ihm quasi qua Amt keinen Kontakt haben. Erst in späteren Jahren gelang es ihm, endlich vom Außenseiter zum anerkannten Mitmenschen aufzusteigen.

Wir wissen nicht genau, ob das Schreiben damals Hagedorn und Schmidt half, mit Alltäglichem und mit Neuem umzugehen, mit Schönem und mit Schrecklichem. Wir wissen aber, dass sie das Sammeln und Dokumentieren von Eindrücken und Geschehnissen für nötig erachtet haben müssen, sonst hätten sie diese Arbeit wohl kaum auf sich genommen. Heute helfen uns solche Zeugnisse dabei, das längst Vergangene zu verstehen. Wie die Menschen einst tickten und lebten, was sie wussten und glaubten, was sie beschäftigte und herausforderte. Vielleicht hilft uns das sogar ein bisschen, uns selbst zu verstehen.

Ob die gesammelten Corona-Eindrücke, wie man sie auch in Schülerzeitungen findet, einmal die Menschen in ferner Zukunft ebenso erleuchten werden? Die Vorstellung hat etwas Schönes. Zumal die Schülerzeitungen ja auch die neugewonnene Wertschätzung für den ganz normalen Schulalltag abbilden. "Die Schule soll nicht mehr schließen. Ich will immer weiter zur Schule gehen", schreibt die Chronistin des Franzi. Im Wallburg Express prangt am Ende der Fotostrecke in bunten Lettern ein breites, einladendes "Herzlich Willkommen" auf der Tafel. Auch Nils Nörgler freut sich: "Da gehen alle wieder in Persenz oder so in die Schule und dann sehen wir uns safe wieder."

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