Bayern:Die meisten jungen queeren Menschen erleben Diskriminierung

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Für viele junge Menschen ist es noch immer nicht einfach, ihre Identität offen zu leben. Viele wünschen sich mehr Sensibilisierung in der Gesellschaft für LSBTIQA-Themen. (Foto: Imago)

Eine aktuelle Studie zeigt, dass die Lebenssituation in Bayern für 14- bis 27-Jährige mit LSBTIQA-Identität zum Teil "alarmierend" ist. Und das besonders an Schulen.

Von Lina Krauß

Fast 94 Prozent der queeren Jugendlichen in Bayern erleben Diskriminierung. Das geht aus der am Mittwoch veröffentlichten Studie "How are you?" des Bayerischen Jugendrings (BJR) in Zusammenarbeit mit dem Institut für Diversity- und Antidiskriminierungsforschung (IDA) und der Hochschule Fresenius hervor. Das Forschungsteam befragte mehr als 2000 junge Menschen im Alter zwischen 14 und 27 Jahren.

Damit stehe "erstmals eine belastbare Datenbasis zur Verfügung, um die Lebenssituationen und Bedarfe queerer junger Menschen in Bayern genauer zu durchleuchten", sagte BJR-Präsident Philipp Seitz bei der Vorstellung der Studie am Mittwoch in München. So könne man konkrete Handlungsempfehlungen für Politik und Jugendarbeit entwickeln.

"Die Ergebnisse sind zum Teil alarmierend", sagte Dominic Frohn, wissenschaftlicher Leiter am IDA. Neun von zehn Befragten haben mindestens einmal in ihrem Leben Diskriminierung erfahren. Junge Menschen mit einer trans, nicht-binären oder questioning Geschlechtsidentität (TNQ) erleben noch mal mehr Diskriminierung als solche, die sich dem Geschlecht zugehörig fühlen, mit dem sie geboren wurden (cis). Schulen sind der Ort, an dem am meisten Diskriminierung stattfindet. Aber auch in der Öffentlichkeit, im Internet, bei der Arbeit sowie in Gesundheitseinrichtungen und im engeren und weiteren Familienkreis werden Diskriminierungserfahrungen gemacht.

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Diese stehen laut den Studienautoren in einem engen Zusammenhang zum Wohlbefinden und zur Resilienz der Befragten. Jeweils rund 68 Prozent der queeren Jugendlichen gaben an, ein niedriges Wohlbefinden und eine niedrige Resilienz zu haben. Man könne also sagen, je mehr Diskriminierung die jungen Menschen erfahren, desto niedriger sei ihr Wohlbefinden und ihre Resilienz. Beides sei auch im Vergleich zu Gleichaltrigen in der Allgemeinbevölkerung niedriger.

Die größte Offenheit im Umgang mit ihrer LSBTIQA-Identität zeigen junge queere Menschen gegenüber Freundinnen und Freunden, die geringste am Arbeitsplatz. Und im Internet seien sie offener als gegenüber der Herkunftsfamilie. Online gebe es laut den Studienautoren viele niedrigschwellige Angebote, sich mit seiner geschlechtlichen und sexuellen Identität auseinanderzusetzen und sich zu vernetzen. Vielen jungen Menschen fehle ein solches Angebot in ihrer direkten Umgebung. Über ein Viertel der Befragten gab an, dass die Entfernung zum nächsten queeren Angebot zu groß sei. Die optimale Anfahrtszeit liege bei 34 Minuten.

Doch die Realität sieht anders aus. Bei der Vorstellung der Studienergebnisse am Mittwoch schilderte Lysander Wöhler Erfahrungen aus der Arbeit als Vorstand des Vereins diversity München: Teilweise nähmen queere Jugendliche eine Anfahrtszeit von drei Stunden in Kauf, um das Angebot in München zu besuchen, weil es in ihrer Nähe keines gibt. Auch Patrick Wolf, Queerbeauftragter des BJR, betonte, dass es zwar schon eine Menge Angebote gebe, "aber eben nicht genug". Queere Jugendgruppen seien wichtig, weil sie den Jugendlichen einen Schutzraum bieten. Dort seien sie sicher vor Diskriminierung, fänden kompetente Ansprechpartner und träfen andere queere Jugendliche. Die jungen Menschen müssten sich nicht erklären und könnten sich mit anderen austauschen, die ähnliche Erfahrungen machen.

Die Studie zeigt zudem, dass sich junge queere Menschen neben einem Ausbau der Freizeitangebote in ihrer Umgebung mehr Sensibilisierung für LSBTIQA-Themen in verschiedenen Lebensbereichen wünschen - in Schule, Universität und Arbeit sowie bei Freizeitangeboten, in Kirchen und anderen Religionsgemeinschaften. Das könne dazu beitragen, dass mehr Akzeptanz und Unterstützung sowie weniger Diskriminierung stattfinden, sagt Frohn. Kora Hackl vom Jugendnetzwerk Lambda Bayern sorgt sich deshalb wegen der Diskussion um ein geplantes Verbot des Genderns. "Gerade in so einem Bereich gendersensible Sprache abzubauen oder zu verbieten, zeigt nur, wie wenig von der Regierung hier in Bayern an die Inklusion mitgedacht wird", sagte Hackl. Ähnlich sah es BJR-Präsident Philipp Seitz. Gendersensible Sprache drücke die gesellschaftliche Vielfalt aus und trage zu mehr Inklusion bei.

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