Energieversorgung:Happurger Pumpspeicher soll wieder ans Netz gehen

Lesezeit: 3 min

Das entleerte Oberbecken des Kraftwerks Happurg liegt auf dem 586 Meter hohen Deckersberg. (Foto: Caproni Ca.33/ Wikipedia/gemeinfrei)

Nach jahrelangem Stillstand könnte der Betreiber Uniper das Kraftwerk in Mittelfranken reaktivieren. Die etwa 100 Jahre alte Technologie der elektrischen Großspeicher gilt als bewährt und in Zeiten hohen Energiebedarfs auch als zukunftsfähig.

Von Christian Sebald

Seit 13 Jahren steht das Pumpspeicherkraftwerk Happurg im Landkreis Nürnberger Land still. Anfang 2011 wurde das Oberbecken geleert, nachdem massive Schäden am Beckenboden entdeckt worden waren. Nach langem Hin und Her soll nun die Entscheidung des Energieversorgers Uniper über die Zukunft der Anlage fallen - vieles deutet darauf hin, dass sie positiv sein wird. "In Erwartung auf die Genehmigung und eine positive Investitionsentscheidung nimmt Uniper bereits heute Geld in die Hand und treibt das Projekt so schnell es geht zur Entscheidungsreife", sagt ein Unternehmenssprecher. "Der finale Beschluss wird aber erst in den kommenden Monaten fallen."

Der Pumpspeicher Happurg ist eine von sieben solchen Anlagen in Bayern. Mit 160 Megawatt Leistung und einer Speicherkapazität von 840 Megawattstunden Strom zählt er zu den großen. Wie alle Pumpspeicher funktioniert er nach dem gleichen, ungefähr hundert Jahre alten technischen Prinzip: Wenn mehr Strom zur Verfügung steht als gebraucht wird, wird das Wasser aus einem Fluss, See oder einem künstlichen Speicher - bei Happurg ist das der Happurger See - mit elektrischen Pumpen durch Rohrleitungen einige Hundert Meter nach oben in das sogenannte Oberbecken gepumpt. Das für die Happurger Anlage liegt auf dem 586 Meter hohen Deckersberg. Wird Strom benötigt, leitet man das Wasser aus dem Oberbecken nach unten auf Turbinen und erzeugt die Menge Energie, die man braucht. Die Fallhöhe der Rohre des Pumpspeichers Happurg beträgt gut 200 Meter.

Pumpspeicher sind aber nicht nur technologisch bewährte elektrische Großspeicher. Aus der Sicht ihrer Anhänger haben sie eine Reihe wichtiger weiterer Vorteile. Sie können sehr präzise gesteuert werden, sodass man damit sekundengenau Schwankungen im Stromnetz ausgleichen kann. Man kann ihre Turbinen ohne Strom starten, indem man das Wasser aus dem Oberbecken über sie lenkt. Das ist wichtig, um die Stromversorgung nach einem totalen Ausfall wieder in Gang zu bringen. Und mit einem Wirkungsgrad von 80 Prozent und mehr gelten sie als sehr effizient. Beim Hochpumpen des Wassers gehen maximal 20 Prozent des eingesetzten Stroms verloren.

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Der Pumpspeicher Happurg war 1964 nach vierjähriger Bauzeit ans Netz gegangen und bis Anfang 2011 in Betrieb. Im Januar 2011 schlugen Messgeräte am Oberbecken Alarm. Darauf stellte der damalige Betreiber Eon den Kraftwerksbetrieb ein und ließ das Oberbecken entleeren. Erkundungen ergaben Einbrüche in seiner Sohle, die von einem verfüllten Höhlensystem unter ihm herrührten. Zwar nahm Eon alsbald die Sanierung des Oberbeckens ins Visier, ursprünglich hoffte man, die Anlage schon Ende 2013 wieder ans Netz nehmen zu können.

Doch dann verzögerten sich die Arbeiten von Jahr zu Jahr, aus dem Betreiber Eon wurde in der Zwischenzeit Uniper und in der Energieszene herrschte zuletzt Rätselraten, was aus dem Kraftwerk wird. Gründe der langen Ungewissheit sollen unter anderem gewesen sein, dass sich das ursprüngliche Sanierungskonzept als extrem aufwendig und zu teuer herausstellte. Außerdem, so kritisiert auch der Uniper-Sprecher, fehlen bisher "angemessene Vergütungen" für den Beitrag von Pumpspeichern für die Stabilität des Stromnetzes und andere Dienstleistungen. Sie finanzieren sich ausschließlich über die Entgelte für den Strom, den sie produzieren. Das machte eine aufwendige Sanierung von Happurg offenbar wenig attraktiv.

Gleichwohl machten sich Landespolitiker immer wieder dafür stark. So erklärte Wirtschafts- und Energieminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) vor einem halben Jahr bei einem Besuch der Anlage: "Wir brauchen diese großen Speicher, sie sind ein wichtiger Baustein der Energiewende." Der Bund müsse jetzt die Rahmenbedingungen schaffen, damit sich ihre Leistungen "auch wirtschaftlich lohnen". Der Grünen-Landtagsabgeordnete und Energieexperte Martin Stümpfig, der aus Franken stammt, tritt ebenfalls seit jeher für die Sanierung von Happurg ein.

Zumal der Speicherbedarf für Bayern gigantisch ist. Darauf hat dieser Tage der Verband der bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft (VBEW) eindringlich hingewiesen. Zwar gibt es laut VBEW-Geschäftsführer Detlef Fischer aktuell einen "regelrechten Ausbauboom bei Batteriespeichern". Inzwischen sind laut VBEW bayernweit schon 230 000 stationäre Speicher am Netz, der Löwenanteil davon sind Heimspeicher für private Photovoltaikanlagen. "Ungefähr 70 Prozent der neuen Photovoltaikanlagen auf Gebäuden werden mit einem Batteriespeicher ausgestattet", sagt Fischer.

Die Reichweite der bayerischen Batteriespeicher ist allerdings nach wie vor extrem begrenzt. Rein rechnerisch könnte die Stromversorgung im Freistaat bei einem flächendeckenden Ausfall mit ihrer Hilfe - so sagt es Fischer - gerade mal 17 Minuten lang aufrechterhalten werden. Nimmt man die Kapazität der vorhandenen Pumpspeicher dazu, würde sich die Überbrückungszeit auf gerade mal 34 Minuten verdoppeln. Eine Dunkelflaute, in der über mehrere Tage hinweg weder Sonnen- noch Windstrom zur Verfügung stehen, könnte mit den vorhandenen Speicherkapazitäten "nicht einmal ansatzweise bewältigt werden", sagt der VBEW-Mann.

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