Landespolitik:Bayern lockert die Sargpflicht

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Särge werden bei Bestattungen in Bayern nicht mehr zwingend benötigt. Der Landtag hat die Sargpflicht gelockert. (Foto: Julia Bergmann)
  • Bestattungen in einem Leichentuch "aus religiösen und weltanschaulichen Gründen" sind in Bayern künftig zulässig.
  • Beschlossen wurde ein Antrag der Freien Wähler (FW), die CSU hatte ähnliche Anträge in der Vergangenheit abgelehnt.
  • Der Friedhofsbetreiber muss der Bestattung ohne Sarg jedoch zustimmen.

Von Johann Osel, München

Seit gut einem Jahrzehnt bereits wird in Bayern über eine Lockerung der Sargpflicht gestritten, jetzt ist die Regelung auf Friedhöfen weitgehend gefallen. Muslime können somit ihre Angehörigen künftig unter bestimmten Voraussetzungen auch ohne Sarg bestatten lassen. Der Landtag hat am Mittwoch die Möglichkeiten der sarglosen Bestattung dazu deutlich erweitert. Beschlossen wurde ein Antrag der Freien Wähler (FW), wonach dann Bestattungen in einem Leichentuch "aus religiösen und weltanschaulichen Gründen" zulässig sind - "soweit öffentliche Belange dem nicht entgegenstehen". Allerdings müsse die Entscheidung, ob die Sargpflicht konkret gelockert wird, dem jeweiligen Friedhofsträger überlassen bleiben.

Der SPD-Abgeordnete Arif Taşdelen, der seit Jahren dafür kämpft und mit seiner Fraktion entsprechende Anträge bis dato ohne Erfolg gestellt hatte, sprach von einem "historischen Tag für Muslime und Juden in Bayern". Der Antrag nun kam aber von den Freien Wählern: Jeder Mensch habe demnach ein Recht, nach seiner weltanschaulichen und religiösen Haltung bestattet zu werden. Dem Antrag, der die Überarbeitung der Bestattungsverordnung vorsieht, stimmten im Ausschuss für Kommunale Fragen alle Fraktionen mit Ausnahme der AfD zu.

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Taşdelen sieht in der Entscheidung ein Signal der Wertschätzung für andere Religionsgemeinschaften: "Wir zeigen damit, dass beispielsweise Muslime und ihre Lebenswirklichkeit zu Bayern gehören", teilte er mit. Für ihn ist es ein erster Schritt hin zu einer sarglosen Bestattung. Ziel bleibe also weiterhin, die Sargpflicht "komplett zu beerdigen". Der Wunsch nach alternativen Bestattungsformen gilt seiner Einschätzung zufolge nicht nur für Muslime. Kritisch wertete er, die Verantwortung eben den Friedhofsträgern zuzuschieben. Auch die Grünen-Abgeordnete Gabriele Triebel rügte das. Es könnte womöglich in Zukunft von Friedhof zu Friedhof Unterschiede geben.

Wer stirbt, braucht einen Sarg. Die klare Vorschrift gilt mittlerweile nur noch in einzelnen Bundesländern, die meisten haben die Sargpflicht über die Jahre abgeschafft oder gelockert. Sie gilt im Freistaat nicht nur für diejenigen, die sich traditionell auf einem Friedhof begraben lassen; auch etwa bei einer Feuerbestattung wird der Verstorbene mit Sarg verbrannt. In den vergangenen Jahren hat sich auch der bayerische Landtag immer wieder mit der Frage nach einer Liberalisierung der Sargpflicht befasst. Staatliche Gesundheitsbehörden hatten dabei in zahlreichen Sitzungen ebenso wenig Bedenken bei Leichentuch statt Sarg wie auch Vertreter der beiden großen christlichen Kirchen. Die CSU hatte sich aber stets auf die "gewachsene Bestattungskultur" berufen; aufgeschlossener war dagegen der Koalitionspartner FW.

Im Frühjahr hatte sich im Landtag aber bereits ein Umdenken bei der CSU angedeutet. Bei einer Debatte hatten SPD und Grüne gefordert, das Gesetz "auf die Höhe der Zeit zu bringen" Taşdelen berichtete, dass sich aufgrund der Sargpflicht viele Muslime mit Migrationshintergrund in ihre Heimatländer überführen und dort bestatten ließen. FDP-Fraktionschef Martin Hagen merkte damals schnippisch an, der Staat müsse "uns nicht auch noch über den Tod hinaus bevormunden". Der Abgeordnete Max Gibis (CSU) hatte schließlich im Plenum angekündigt, man werde eine Lösung für die sarglose Bestattung finden - wie nun geschehen. Die CSU hatte zuletzt etliche Gespräche mit Religionsgemeinschaften geführt. Druck hatten auch verschiedene Akteure gemacht: Der Migrationsbeirat der Stadt München zum Beispiel hatte mitgeteilt, es liege klar im Interesse Bayerns, "Bedingungen zu schaffen, die den Muslimen eine Identifikation mit ihrer ,neuen' Heimat erleichtern".

© SZ vom 11.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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