Bayern: Müssen Lehrer Beamte sein?:Klassenfrage

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Müssen Lehrer verbeamtet sein? Nicht unbedingt, sagt Horst Seehofer - und tritt mit einem Nebensatz eine heftige Debatte um den Beamtenstatus los. Die strittigen Punkte im Überblick.

Katja Auer und Tina Baier

Ministerpräsident Horst Seehofer hat laut gedacht: Dass Lehrer nicht unbedingt Beamte sein müssten. Er will den Staat verschlanken, die Verwaltung effektiver und billiger machen. Das wollen andere auch. Aber mit den Lehrern, die knapp die Hälfte der 220.000 bayerischen Beamten stellen, will es sich kaum einer verscherzen. Nur FDP und Grüne können dem Vorschlag etwas abgewinnen.

Wer unkündbar ist, arbeitet engagierter, meinen Befürworter der Verbeamtung. Die Gegner wollen dies nicht gelten lassen. (Foto: lkn)

Der Kultusminister gibt sich bedeckt. "Das Berufsbeamtentum hat sich aus meiner Sicht bewährt", sagt Ludwig Spaenle. Gegner und Befürworter diskutieren verschiedene Punkte.

Kosten

Dass Beamte teuer sind und den Staatshaushalt immens belasten, ist die landläufige Meinung. Tatsächlich entfallen 42 Prozent des bayerischen Staatshaushalts auf das Personal, das sind mehr als 17 Milliarden Euro.

Etwa 80.000 Euro kostet ein Gymnasiallehrer laut Beamtenbund im Jahr durchschnittlich - darin sei das Geld für seine Altersvorsorge bereits enthalten. Für angestellte Lehrer muss der Freistaat keine Rücklagen bilden. Während seiner aktiven Zeit komme ein Angestellter den Landeshaushalt deutlich teurer, weil für ihn Sozialabgaben abgeführt werden müssten.

Kurzfristig könnte der Freistaat deshalb nicht sparen, wenn Lehrer nur noch als Angestellte beschäftigt werden, betont Max Schmidt, der Vorsitzende des Philologenverbands. Der Einspareffekt könnte sich allenfalls nach Jahrzehnten einstellen. Rolf Habermann, Chef des Beamtenbundes, glaubt nicht einmal das.

Nach seiner Rechnung kommt ein Beamter den Freistaat im Laufe seines Berufslebens mehr als 100.000 Euro billiger als ein Angestellter. Auch die Gegner der Verbeamtung wie FDP-Bildungsexpertin Renate Will, bringen die Kosten nicht als Argument.

Die Qualität der Bildung

Ein Lehrer legt bei seiner Verbeamtung einen Eid auf die bayerische Verfassung ab, das verpflichtet. Und befreit zugleich, glauben die Befürworter der Verbeamtung. "Ein Lehrer, der nicht befürchten muss, abgemahnt und entlassen zu werden, kann freier agieren als ein Angestellter", sagt Klaus Wenzel, der Vorsitzende des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands.

Angelika Neubäcker, die Vorsitzende der GEW Bayern, befürchtet, dass angestellte Lehrer mit befristeten Verträgen nicht so engagiert seien. Das will FDP-Frau Will nicht gelten lassen. Sie propagiert die eigenverantwortliche Schule, die sich selbst um das passende Personal bemüht. Und auch die Lehrer könnten sich je nach Interesse an der richtigen Schule bewerben.

Das schaffe Motivation. "Die Schullandschaft muss sich bewegen", sagt Will und dafür sei ein anderes Berufsbild notwendig. Auch für Thomas Gehring, den bildungspolitischen Sprecher der Grünen, muss ein Lehrer nicht unbedingt ein Beamter sein: Es könne sich sogar positiv auf die Qualität des Unterrichts auswirken, wenn bei der Einstellung nicht nur die Noten im Staatsexamen zählten, sondern auch andere Qualifikationen.

Der Nachwuchs

Ein gut bezahlter Halbtagsjob mit Verbeamtung, so ist der Lehrerberuf bei Kritikern verrufen. Das dürfe nicht die Motivation sein, um Lehrer zu werden, sagt FDP-Politikerin Will. Wenn jemand aus Leidenschaft Lehrer werden wolle, dann müsse er dafür kein Beamter sein. Doch, glaubt Philologenchef Schmidt. Ohne Aussicht auf Verbeamtung werde der Beruf im Vergleich zur freien Wirtschaft unattraktiver.

Der Lehrermangel an den Gymnasien, der in naturwissenschaftlichen Fächern wie Mathematik und Physik schon jetzt dramatisch ist, würde sich seiner Ansicht nach verschärfen. Der Grünen-Bildungsexperte Gehring dagegen glaubt, dass es für die Lehrer auch Vorteile haben könnte, nicht verbeamtet zu sein. "Die Flexibilität würde sich erhöhen", sagt er. Es wäre einfacher, von der Wirtschaft in die Schule zu wechseln und umgekehrt.

Auch ein Wechsel von einem Bundesland in ein anderes wäre für Angestellte einfacher als für Beamte. Allerdings müssten sich seiner Ansicht nach mehrere Bundesländer gleichzeitig dafür entscheiden, den Beamtenstatus für Lehrer aufzugeben, da sonst eine Konkurrenzsituation zwischen den Ländern entstehen würde. Bisher verbeamten nur Berlin, Sachsen, Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern ihre Lehrer nicht.

Das Streikrecht

Angestellte dürfen streiken, für mehr Geld zum Beispiel, Beamte nicht. Deswegen komme "eine verbeamtete Lehrkraft einer Unterrichtsgarantie gleich", sagt Philologenchef Schmidt. Das sieht auch Habermann vom Beamtenbund so: "Wer den Beamtenstatus der Lehrer aufheben möchte, gefährdet die Bildungschancen der Kinder und Jugendlichen."

Die Kündigung

Die Unkündbarkeit ist eines der attraktivsten Merkmale am Beamtentum. GEW-Vorsitzende Angelika Neubäcker glaubt, dass Seehofer "mit seinem Vorstoß darauf abzielt, dass der Staat Lehrer bei Bedarf einstellen und sie dann wieder entlassen kann, wenn er sie nicht mehr braucht." Ganz so einfach ist es nicht, warnt Habermann. Denn so einfach kann der Staat Angestellte nach einigen Jahren auch nicht wieder loswerden.

© SZ vom 13.11.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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