Landwirtschaft in Bayern:Mehr als 62 000 Unterschriften gegen die Anbindehaltung

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Die sogenannte Anbindehaltung, bei der Kühe im Stall immer angebunden sind, wird von Tierschützern abgelehnt. (Foto: Manfred Neubauer)

Die Anbindehaltung ist in Bayern noch immer weit verbreitet - obwohl Tierschützer sie seit Jahren anprangern. Sabine Lissy will nun mit einer Petition das "Leid der Rinder" beenden, die "tagaus, tagein am selben Fleck" angebunden in ihren Boxen stehen.

Von Christian Sebald, München

Sabine Lissy lebt in einem Dorf unweit von Ingolstadt und ist viel draußen unterwegs. "Wenn ich dann an den Bauernhöfen in meiner Umgebung vorbeikomme, sehe ich das Leid der Kühe, die das ganze Jahr in Anbindehaltung tagaus, tagein am selben Fleck im Stall stehen", sagt die 55-Jährige. "Ein Schritt nach vorn oder zurück ist alles, was ihnen möglich ist." Wie viele Tierschützer ist Lissy der Überzeugung, dass die ganzjährige Anbindehaltung ein immenses Leid für die betroffenen Rinder ist. Deshalb hat sie im August auf der Internetplattform change.org eine Petition für ein schnelles Verbot gestartet. Binnen drei Monaten haben mehr als 62 000 Menschen die Petition unterzeichnet.

Lissy selbst hat überhaupt nicht mit einem solchen Zuspruch gerechnet. "Aber ich wollte einfach nicht länger zusehen, wie die Tiere leiden", sagt sie. "Das hat mir das Herz gebrochen." Tatsächlich zählt die Anbindehaltung zu den dunklen Seiten der Tierhaltung in Bayern. Sie betrifft nicht nur Milchkühe, sondern auch Mastrinder und Jungvieh. Die Tiere werden dabei in den Ställen an ihren Plätzen oder in engen Boxen mit einer Kette oder anderen Vorrichtungen am Hals fixiert. Sie können sich kaum bewegen, geschweige denn umdrehen, sich über den Rücken lecken oder durch den Stall laufen. Wenn sie im Stall sind, stehen oder liegen sie die ganze Zeit in ihrem Stand. Sie werden in ihm gefüttert und gemolken. Der Tierschutzbund und andere Organisationen prangern die Anbindehaltung deshalb schon seit Jahren als schlimme Tierquälerei an und fordern - wie jetzt Lissy - ihr Verbot.

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Ministerin Kaniber kündigte den schnellen Ausstieg bereits an

Zwar sind in der Rinderhaltung längst sogenannte Laufställe moderner Standard, in denen sich die Tiere frei bewegen können. Aber im Freistaat ist die Anbindehaltung dennoch weit verbreitet. Das Statistische Bundesamt hat am Stichtag 1. März 2020 bayernweit 14 100 Milchbauernhöfe gezählt, auf denen sie praktiziert wird. Das sind mehr als die Hälfte der Milchviehbetriebe im Freistaat. Die Zahl der Milchkühe in Anbindehaltung belief sich auf 303 000 oder 26 Prozent des Milchviehs in Bayern. Außerdem lebten an dem Stichtag 325 000 Mast- und Jungrinder in Anbindehaltung.

Anbindehaltung ist aber nicht gleich Anbindehaltung. Viele Bauern verbinden sie mit einem Laufhof, auf dem die Rinder zumindest stundenweise ins Freie kommen, oder der traditionellen Weidehaltung. Bei ihr sind die Kühe oft von April bis Anfang November nur zum Melken im Stall und ansonsten Tag und Nacht auf den Weiden. Die Kriterien für die sogenannte Kombinationshaltung sind allerdings so lasch definiert, dass es auch Formen gibt, bei denen die Rinder die weit überwiegende Zeit des Jahres angebunden im Stall stehen. Deshalb lehnen viele Tierschützer auch die Kombinationshaltung ab und wollen sie allenfalls noch für den Übergang tolerieren.

Agrarministerin Michaela Kaniber (CSU), der Lissy ihre Petition übergibt, zählt zu den wenigen Politikern, die sich öffentlich klar zumindest gegen die ganzjährige Anbindehaltung positionieren. Ende Mai verkündete sie per Regierungserklärung, dass sie den schnellen Ausstieg aus ihr will. Sofort brach unter der Bauern ein ungeheurer Entrüstungssturm los, der bis heute anhält. Dabei will Ministerin Kaniber Bauern, die von der Anbindehaltung lassen, massiv unterstützen - durch ein Förderprogramm für tierfreundliche Ställe, eine Beratungsinitiative und dergleichen mehr. Solche Angebote an die Bauern fordert übrigens auch Sabine Lissy in ihrer Petition. "Denn meine Initiative richtet sich ja nicht gegen die Bauern", sagt sie. "Sondern ich will einzig erreichen, dass es den Rindern gut geht."

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