Kratzers Wortschatz:Nichts sehen, aber reden wie ein Advokat

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Ein Adventskranz gehört noch immer in vielen Haushalten zur leuchtenden Begleitung der Vorweihnachtszeit. (Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

Manche Wörter sind zwar fast in Vergessenheit geraten, aber wenn man sie jetzt hört, klingen sie umso schöner. Weil ihre Glanzzeit immer noch ein bisserl strahlt. 

Kolumne von Hans Kratzer

Abfent

Eigentlich ist der Advent eine mit schönen Erinnerungen an Schneelandschaften, Plätzchenbacken und Kerzenglanz verknüpfte Zeit. Schade ist nur, dass der kommerzielle und weltliche Adventszauber mittlerweile schon am Anfang November beginnt. Deshalb leuchten neuerdings bereits im Totenmonat viele Adventskränze und Christbäume, und die Schoko-Nikolause stehen eh zuverlässig seit Ende August in den Regalen. Der Advent hat dadurch einen Teil seiner Magie verloren, zu vieles verläuft sich mittlerweile im Ungefähren.

Verlässlich aber wird in der Mundart nach wie vor vom Abfent gesprochen. Dass hier das "d" im Wort Advent zu einem "b" verschliffen wird, erklärt die Grammatik mit dem Fachbegriff Konsonantenangleichung. Das gilt nicht nur für den Advent, sondern auch in Fällen wie d'Frau (b'Frau), d'Fiass (b'Fiass) und d'Feierwehr (b'Feierwehr). Ähnliches ist beim Adjektiv zufrieden zu beobachten. Daraus wurde zfrien und dann bfriem. "Wenns a so bleibt wiass is, samma bfriem", sagt manche alte Bäuerin heute noch.

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Berühmt geworden ist der Begriff Abfent durch den Bühnenkünstler Gerhard Polt, dessen Programm "Abfent, Abfent!" auch auf einer CD zu hören ist. Ein schönes Beispiel bietet außerdem das Wort Advokat, wie man einst den Rechtsanwalt genannt hat. In solchen Begriffen strahlt die Vergangenheit. Auf dem Land sagt man über einen, der recht gescheit daherredet: "Er redt wiar a Abfokat."

Aungglasl

Auch beim Autor schwächeln langsam die Augen, weshalb er beim Schreiben und Lesen immer ganz angestrengt auf den Bildschirm starren muss. "Du brauchst neue Aungglasl", bekommt er regelmäßig von wohlmeinenden Ratgebern zu hören. Aungglasl (Augengläser) ist ein schönes, bildhaftes, fast schon gemütlich klingendes mundartliches Wort für die Brille.

Ein weiteres pfiffiges Synonym ist das Wort Spektifi. "Herrschaftszeiten, wo ist denn bloß mein Spektifi?" So schimpften einst ältere Herrschaften, ein Wort benützend, das vom Begriff Spektiv abgeleitet ist und ein kleines Fernglas benennt. In der ländlichen Mundart heißt so ein Gerät heute noch Zuawaziaga oder Zuaraziaga, weil es die Dinge nah ans Auge zuwaziagt, also heranführt.

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