Mitten in Bayern:Die Kettensäge hat ausgeröhrt

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Die nach Benzin riechende Kettensäge steht für pure Männlichkeit. Zumindest in den bayerischen Staatsforsten könnte dieser Nimbus nun ins Wanken geraten: Dort setzt man künftig auf E-Sägen.

Von Maximilian Gerl

Für ein Werkzeug hat es die Kettensäge zu beachtlicher Berühmtheit gebracht: Spätestens seit "The Texas Chain Saw Massacre" ist sie aus der Popkultur kaum mehr wegzudenken. Sie dient in dem nicht wegen seiner Dialoge bekannt gewordenen Horrorfilm von 1974 als Lieblingsmeuchelinstrument eines maskierten Kannibalen - was offensichtlich so eindrucksvoll ist, dass die Kettensäge seitdem auch für Metalbands und Computerspiele herhalten muss. Sogar in den Wettkampf hat sie es geschafft, mit ihrer Hilfe schneiden muskelbepackte Timber Sportler in Sekundenschnelle Scheiben aus den Stämmen. Oder feuilletonistischer formuliert: Ähnlich wie der V8-Sportwagen steht die Kettensäge mit ihrem Benzingeruch und brutal-kontrolliertem Röhren für das pure Maskuline.

Diese Festung der Männlichkeit könnte nun jedoch ins Wanken geraten. Gleich 300 mit Strom betriebene Motorsägen haben die Bayerischen Staatsforsten bestellt. Man setze damit konsequent den Weg "in Richtung echte Nachhaltigkeit fort" und ersetze "fossile Energie durch moderne Akkutechnologie", heißt es in einer Mitteilung. Zunächst sollen die Geräte für leichtere Arbeiten eingesetzt werden; angesichts des technischen Fortschritts aber scheine der Einsatz von elektrisch betriebenen Sägen in der Holzernte "schon in wenigen Jahren" möglich.

Nicht nur für Filmkannibalen, deren Blutrausch durch lange Ladezeiten gestört würde, klingen solche Nachrichten erst einmal nach Bedrohung statt nach Fortschritt. Erst verdrängt das E-Auto den Diesel, jetzt muss auch noch die Kettensäge dran glauben! Manch einer mag da vielleicht sogar ein Form von Cancel Culture wittern. Dabei gibt es für die Anschaffung der Akku-Sägen laut Staatsforsten ganz pragmatische Gründe: Sie seien ihren konventionellen Pendants überlegen, weil leichter, abgasfrei, vibrationsärmer und günstiger aufzutanken. Und weil die Zukunft ihren Ursprung immer in der Gegenwart hat, haben die Staatsforsten auch virtuell aufgerüstet: Im Bildungszentrum Buchenbühl sollen angehende Forstwirtinnen und Forstwirte künftig die Holzernte fossil wie akkufrei erlernen. Mit Virtual-Reality-Brille auf der Nase geht es dann zum Trainingsfällen von Bits- und Byte-Bäumen in den Pixelwald.

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