Kommunalpolitik:Ein bisschen Macht und sehr viele Millionen

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Schilder und noch ein bisschen mehr: Wie komplex das Thema Straßenbau ist, kann man in der Ausstellung ebenfalls lernen. (Foto: Susanne Sagner/Stadtmuseum Kaufbeuren)

In einer Sonderausstellung im Stadtmuseum von Kaufbeuren kann jeder Besucher Kommunalpolitiker sein - und die Gemeinde zum Erfolg oder in den Ruin führen.

Von Florian Fuchs, Kaufbeuren

Es ist nicht viel Zeit, die Schlaglöcher müssen ausgebessert werden. Der Besucher im Stadtmuseum Kaufbeuren bekommt also eine Art Angel an die Hand, mit einem schweren Baufahrzeug und einem Magneten am Ende, und dann muss er Geldstücke aus einem Loch fischen und direkt in vier Schlaglöchern auf einem Modell ablegen. Um sie zu stopfen, gewissermaßen. Es hilft aber alles nichts, ein Countdown zählt herunter, und wenn die Digitalanzeige auf null springt, dann öffnen sich die Schlaglöcher und das mühsam gesammelte Geld fällt hinunter, in einen Schacht hinein. "Beim Straßenbau wird man nie fertig", sagt Museumsleiterin Petra Weber. "Da gibt es immer was zu investieren."

Das ist eine leidvolle Erfahrung, die Kommunalverwaltungen bestens kennen. Dem Bürger allerdings ist ja oft gar nicht klar, was all der Straßenbau jährlich so an Mitteln verschlingt, was Kindertagesstätten kosten und die Sportförderung, warum Stadtpflege wichtig ist und Wirtschaftsförderung unabdingbar. Die Mitmach-Sonderausstellung "Macht & Millionen" will da ein bisschen Abhilfe schaffen und Besucher des Stadtmuseums sensibilisieren. In der Ausstellung darf jeder selbst Kommunalpolitiker spielen und die Millionen verteilen, auf Sport und Kultur, Schule und Feuerwehr, Wohnungsbau und Jugendförderung. Wer klug investiert, lässt die Stadt prosperieren. Wer allzu viele Schulden anhäuft oder zu wenig investiert, bekommt am Ende einen Rüffel vom Computer, der alles auswertet.

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Dabei hat die Ausstellung einen durchaus realistischen Ansatz, die einzelnen Stationen haben Weber und ihr Team in Absprache mit der Stadtverwaltung Kaufbeuren konzipiert. Aktuell, so ist es auf einer Schautafel bei der Station "Kitas" zu lesen, werden in Kaufbeuren zum Beispiel rund 1000 Kinder in einer Kindertagesstätte betreut. Das kostet die Stadt jährlich 8,4 Millionen Euro. Der Besucher kann am Ende des Rundgangs dann selbst entscheiden, ob er weniger investiert oder gar mehr. Investiert man zum Beispiel nur 6,16 Millionen Euro, würden 40 Prozent der Personalkosten eingespart - allerdings auf Kosten der Betreuungsqualität. Um 400 neue Betreuungsplätze zu schaffen, was laut Stadt für die nächsten Jahre tatsächlich nötig wäre, bräuchte es jedoch 23,76 Millionen Euro pro Jahr für Betrieb und Neubauten. Aber woher kommt das Geld dann, oder soll woanders gespart werden?

"Es ist spannend, diese Abwägungen einmal plastisch vor Augen geführt zu bekommen", sagt Museumsleiterin Weber. Das fängt schon zu Beginn der Ausstellung an, wo Kaufbeurens Haushaltsplan 2018 ausliegt: 795 Seiten dick ist das Werk, und nicht gerade Belletristik. "Teilergebnishaushalt Abteilung RPA Rechnungsprüfung" etwa steht da auf einer der vielen Seiten, "Posten 169 Ergebnis laufende Verwaltungstätigkeit, Ansatz 2018: 335 000 Euro". Das ist schwere Kost, "die meisten Besucher wissen gar nicht, dass so ein Haushaltsplan öffentlich einsehbar ist", sagt Weber.

Die Ausstellung ist für den Laien wesentlich verständlicher konzipiert, garniert mit historischen Beständen wie alten Feuerwehrspritzen, Videobeiträgen und beim Thema Jugendförderung sogar mit einer Sprayerwand. Bevor am Ende das Geld verteilt wird, darf ausprobiert werden, bei der Feuerwehr wird der eine oder andere Besucher sogar nass. Die Ausstellung soll Haushaltspläne und Finanzbedarf mit einem Augenzwinkern vermitteln, was gut gelingt.

"Bewerben Sie sich doch bei der Stadtkämmerei"

Wer sich dann als Sparfuchs erweist und die aktuellen Ausgaben der Stadt Kaufbeuren konsequent unterschreitet, den klärt der Computer darüber auf, dass manche Ausgaben gar nicht gestrichen werden dürfen, weil Kommunen gesetzlich dazu verpflichtet sind, etwa beim Schulbetrieb. Wer dagegen maßvoll haushaltet, bekommt ein nicht ganz ernst gemeintes Jobangebot: "Bewerben Sie sich doch bei der Stadtkämmerei".

Wenn auch keine Jobgesuche, wird Oberbürgermeister Stefan Bosse dennoch einiges an Papier auf seinen Schreibtisch bekommen, sobald die Ausstellung am 11. August endet. Unter der Überschrift "Mein Projekt" sollen die Bürger an eine Pinnwand heften, wo es ihrer Ansicht nach an Investitionen in Kaufbeuren mangelt. "Sichere, durchgängige Fahrradwege" wollen viele Besucher, eine autofreie Innenstadt steht ebenfalls auf zahlreichen Wunschzetteln. Mehr Mülleimer in der Stadt wären offenbar auch nicht schlecht. Oberbürgermeister Bosse, seine Verwaltung und die anderen Kommunalpolitiker der Stadt werden sich damit auseinandersetzen müssen, auch mit einer anderen Aufforderung an der Pinnwand, die sich gerade jetzt im Sommer auf den ersten Blick erschließt: "mehr Eisdielen". Kommunalpolitik kann so einfach sein.

© SZ vom 15.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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