Umwelt:Regierung will nun doch Flutpolder

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Der Deggendorfer Ortsteil Fischerdorf wurde im Juni 2013 besonders hart vom Hochwasser getroffen. Das sollen Flutpolder verhindern. (Foto: Armin Weigel/dpa)

Die gigantischen Rückhaltebecken können die Millionen Kubikmeter Wasser aufnehmen - und sollen für den Hochwasserschutz an der Donau sorgen. Das neue Gutachten bedeutet eine Kehrtwende - und viel Streit.

Von Christian Sebald, München

Aus der Sicht von Umweltminister Thorsten Glauber (FW) ist die Sache nun ein für alle Mal geklärt. "Flutpolder wirken", sagt Glauber, der auch für Hochwasserschutz zuständig ist. "Deshalb wollen wir mit einer Kette von neun Flutpoldern entlang der Donau die Menschen bestmöglich vor Hochwasserkatastrophen schützen." Das Programm umfasst auch die umstrittenen Polder in Bertoldsheim (Kreis Neuburg-Schrobenhausen) sowie Wörthhof und Eltheim (Kreis Regensburg).

Dieser Tage veröffentlicht Glaubers Haus eine neue Studie über die Bedeutung der Flutpolder für den Hochwasserschutz an der Donau. Dann folgen Gespräche in den jeweiligen Regionen. Danach soll das Kabinett das Polder-Konzept beschließen. Glauber macht Druck. "Es ist Zeit, Verantwortung zu übernehmen", sagt er. "Es geht um die Sicherheit von 120 000 Menschen."

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Polder sind gigantische Rückhaltebecken, die Millionen Kubikmeter Wasser aufnehmen können. Sie werden nur geflutet, wenn alle anderen Schutzmaßnahmen nicht ausreichen. Sie sind gleichsam Notventile. Der Hochwasserschutz umfasst traditionell drei Säulen: zum einen Technik - vor allem Dämme und Deiche, wie sie derzeit mit Millionenaufwand im Kreis Deggendorf gebaut oder modernisiert werden. Zum anderen die Stärkung des natürlichen Rückhalts, wie die Renaturierung von Au-Landschaften, in die sich ein Hochwasser ergießen kann. Und zum dritten Vorsorge, etwa den Verzicht auf Neubaugebiete auf Risikoflächen.

Das Polder-Programm setzt auf den drei Säulen auf. Die Rückhaltebecken werden nur eingesetzt, wenn sich eine so hohe Hochwasserwelle aufbaut, dass sie Dämme und Deiche zu überfluten oder gar zu brechen droht. Mit ihrer Hilfe soll der Scheitel der Welle gekappt werden. Angesichts von Katastrophen wie 2013 in Deggendorf und in Passau sind sie aus Expertensicht unverzichtbarer Bestandteil jedes modernen Hochwasserschutzes.

In den Regionen, in denen sie errichtet werden sollen, sind Polder dennoch denkbar unbeliebt. Die Gründe sind immer dieselben. Viele zweifeln grundsätzlich ihre Wirksamkeit an. Hausbesitzer befürchten ein Ansteigen des Grundwasserspiegels und dadurch eine Gefahr für ihre Gebäude. Und die Bauern wollen ihren Grund und Boden nicht hergeben, denn es sind ihre Äcker und Weiden, in die im Ernstfall geflutet werden.

Im Kreis Neuburg-Schrobenhausen und vor allem im Kreis Regensburg, der von der FW-Landrätin Tanja Schweiger regiert wird, waren die Proteste so massiv, dass CSU und FW im ihrem Koalitionsvertrag 2018 entschieden, die drei Polder zu streichen, die dort geplant waren. Angeblich war es Vize-Ministerpräsident und FW-Chef Hubert Aiwanger, der die Klausel durchgeboxt hat.

Den FW und der CSU bis hinauf zu Parteichef und Ministerpräsident Markus Söder war offenbar nicht klar, dass sie damit das gesamte Polderkonzept an der Donau ins Wanken brachten. Denn die Rückhaltebecken entfalten ihre Wirkung am besten, wenn sie sich wie eine Perlenkette aneinanderreihen. Die Kritik in der Fachwelt war prompt massiv. Lokalpolitiker wie der Deggendorfer Landrat Christian Bernreiter (CSU) und der Passauer OB Jürgen Dupper (SPD), deren Bevölkerung massiv von der Jahrtausendflut 2013 getroffen worden war, machten klar, dass sie das Aus für die drei Polder nicht akzeptieren. Also beschloss das Kabinett das neue Gutachten.

Dessen Ergebnisse sind so eindeutig, dass der Freistaat sein Polderkonzept nun doch vorantreiben will. "Die Studie zeigt, dass mit den Rückhaltebecken die Scheitelwelle eines Extremhochwassers bei Straubing um 40 Zentimeter gekappt werden kann", sagt ein Sprecher des Umweltministeriums. "Bei Deggendorf sind es immer noch 24 Zentimeter." Das ist mehr, als sich selbst glühendste Polder-Verfechter erwartet hatten. Auch die Hausbesitzer müssen laut Gutachten nicht mit einer Gefahr für ihre Gebäude rechnen. Und den Bauern werden sämtliche Nachteile auf ihren Äckern und Weiden üppig ersetzt.

Vize-Ministerpräsident Aiwanger hat denn auch den Widerstand gegen die Polder aufgegeben. In den betroffenen Regionen ist man nicht so weit. Landrätin Schweiger bleibt wie viele Menschen im Regensburger Land kritisch. Dabei gibt es ein Zugeständnis an sie: Die beiden Polder Wörthhof und Eltheim sollen zu einem zusammengefasst werden. Der soll zwar das gleiche Fassungsvermögen wie die zwei bisher geplanten haben, aber weniger Fläche brauchen.

© SZ vom 08.07.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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