Als im Jahr 2022 im rheinland-pfälzischen Kusel zwei Polizisten erschossen wurden, posteten Nutzer in sozialen Netzwerken Sachen wie "2 250Headshot clean durchgeführt, da war der Schütze einfach mal besser", oder "Das geschieht denen recht!!!!!!!Voll geil" und daneben sieben herzhaft lachende Smileys. Für die bayerische Justiz waren das klare Fälle von Straftaten. Die Urheber der Kommentare wurden mit 60 Tagessätzen bestraft, was zwei Monatsgehältern entspricht, wie der neue Hate-Speech-Beauftragte der bayerischen Justiz, David Beck, am Donnerstag erklärte.
Und dann sind da noch andere Beispiele. Ein Haus mit einem Schornstein, aus dem ein Regenbogen herauszukommen scheint, mit dem Kommentar: "Ich vermute mein Nachbarn (sic!) heizt mit Schwulen." Ein schwarz-weißes Bild wahrscheinlich aus der Nazi-Zeit, in dem ein uniformierter Mann Menschen mit Gewalt in ein Zugabteil hineinpresst, dazu der Satz: "Genieße das Leben in vollen Zügen". Die Bilder stammen aus Ermittlungsverfahren, die Beck geführt hat. "Das mag vielleicht irgendjemand witzig gefunden haben, Schwule zu verbrennen, oder Juden in Züge zu packen, aber das zerstört am Schluss das Klima in unserer Gesellschaft."
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Der 36-Jährige ist seit dem 15. Februar im Amt und koordiniert die 22 bayerischen Sonderdezernate, die für die Verfolgung von Hate-Speech im Internet eingerichtet wurden. Er löst damit Teresa Ott ab, die das Amt von 2022 bis 2024 führte. Am Donnerstag stellte er die Jahresbilanz des Kampfs gegen Hate-Speech im Netz vor. Der Hass habe "erschreckende Ausmaße" angenommen.
2023 wurden in Bayern 3115 neue Verfahren wegen Hate-Speech geführt (davon 458 Verfahren gegen unbekannte Personen), im Vergleich zum Jahr 2022 mit 2435 Verfahren ein Plus von 28 Prozent. In 728 Fällen kam es zu einer Klageerhebung und in 411 Fällen zu rechtskräftigen Verurteilungen. 954 Verfahren wurden eingestellt, weil die Täter nicht ermittelbar waren, oder sich der Tatverdacht nicht erhärtete.
Justizminister Georg Eisenreich (CSU) forderte die Betreiber von Social-Media-Plattformen dazu auf, "ohne Wenn und Aber" mit den Ermittlungsbehörden zusammenzuarbeiten. Es könne nicht sein, dass man Milliardengewinne mache, sich aber nicht in ausreichendem Maße der Eindämmung von Hate-Speech widme. Die Grenzen zwischen Meinungsfreiheit und einer Straftat, seien jedoch nicht immer einfach zu erfassen. "Die Meinungsfreiheit endet dort, wo das Strafrecht beginnt", sagte er.
Die Statistik liefert auch Erkenntnisse über die Tatmotivation: 568 Verfahren richteten sich gegen fremdenfeindlich motivierte Hassbotschaften. Im Vorjahr waren es rund 150 weniger. 481 Hassbotschaften richteten sich gegen Juden, knapp 100 mehr als im Vorjahr. Generell, so Eisenreich, mache sich der Gaza-Konflikt stark bemerkbar, weshalb er sich für ein bundesweites Verbot der Parole "From the river to the sea, Palestine will be free" aussprach. Er hält ihn für einen Straftatbestand der Volksverhetzung, weil damit das Existenzrecht Israels nicht anerkannt werde. Ferner richteten sich 88 Hassbotschaften gegen Christen oder Muslime, 64 gegen Menschen mit Behinderung, 61 gegen Frauen und 112 gegen die sexuelle Orientierung und Identität anderer Menschen.
Beck, der seit dem Jahr 2020 in der Staatsanwaltschaft Kempten zuständig ist für Antisemitismus, Hasskriminalität und Organisierte Kriminalität, forderte Betroffene auf, Hasskommentare anzuzeigen. Im Kampf gegen Hate-Speech hat das Justizministerium Online-Plattformen eingerichtet, mit denen mutmaßlich strafbare Hassbotschaften schnell und einfach an die Staatsanwaltschaften gemeldet werden können.