Umwelt und Natur:Machtkampf um die Gams

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Gämsen lieben Triebe vor allem junger Tannen und Buchen. (Foto: Sebastian Beck)

Ein Streit zwischen Vereinschefin Christine Miller und Nationalparkchef Roland Baier über Aussagen zur Jagd in der Schonzeit hat bereits mehrere juristische Ebenen durchlaufen. Die streitbare, selbst ernannte Gams-Schützerin ist immer unterlegen. Nun will sie Verfassungsbeschwerde einlegen.

Von Christian Sebald

Die Vorsitzende des Vereins "Wildes Bayern", Christine Miller, steht in dem Ruf, sehr streitbar und hartnäckig zu sein. Was ihr Agieren gegenüber dem Chef des Nationalparks Berchtesgaden, Roland Baier, anbelangt, trifft das in jedem Fall zu. Zwar hat Miller den Gerichtsstreit mit Baier, der seit gut drei Jahren andauert, durch alle Instanzen hindurch verloren. Zuletzt hat der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe Millers Beschwerde gegen die Nichtzulassung einer Revision durch das Oberlandesgericht München zurückgewiesen. Aber Miller will selbst jetzt nicht nachgeben.

"Es geht hier schlicht um das juristische Stichwort der Machtkritik", sagt sie, "also um die Frage, inwieweit es aufgrund dieser Entscheidungen künftig möglich ist, staatliches Handeln zu kritisieren." Deshalb werde sie nun Verfassungsbeschwerde einlegen. Der BGH indes, der Millers Beschwerde verworfen hat, hängt die Latte viel tiefer. In seinem Beschluss heißt es, dass "weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat" noch "die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert".

Natürlich hört sich das alles seltsam an. Aber in Jäger-, Förster- und Naturschützerkreisen wird der Streit genau beobachtet. Denn es geht um die Jagd auf die Gams. Das ist ein Reizthema sondergleichen in dieser Szene. Miller und ihr Verein verstehen sich als Gams-Schützer. Nach ihrer Überzeugung werden vor allem in den staatlichen Bergwäldern, aber auch im Nationalpark Berchtesgaden viel zu viele Gämsen abgeschossen. Ein besonderes Ärgernis ist für sie dabei die sogenannte Aufhebung der Schonzeit in besonders empfindlichen Bergwäldern.

Grundsätzlich dürfen Gämsen nur zwischen 1. August und 15. Dezember gejagt werden. Die übrige Zeit des Jahres herrscht Schonzeit, also Jagdruhe. In ungefähr zehn Prozent der Bergwälder in Bayern ist die Schonzeit allerdings aufgehoben, darunter sind auch einige wenige im Nationalpark Berchtesgaden. Das heißt, dass dort Gämsen auch außerhalb der Zeit zwischen 1. August und 15. Dezember abgeschossen werden dürfen. Der Grund ist, dass man diese Wälder besonders vor Fressschäden durch die Tiere bewahren will. Denn die Triebe vor allem der jungen Tannen und Buchen sind Leckerbissen für sie. Miller, die ihre Anhänger vor allem in konservativen Jägerkreisen hat, übt scharfe Kritik an der Schonzeitaufhebung.

Der Streit zwischen Miller und Baier dreht sich um zwei Aussagen der Vereinschefin Anfang 2021 in einem Internet-Blog. Sie lauten: "Nationalpark erlegt in der Schonzeit Gämsen" (...) und "Der Nationalpark Berchtesgaden erlegt nicht nur fleißig Gams (...), er erlegt sie auch noch am liebsten während der Schonzeit".

Der Nationalpark-Chef hat sich sehr über die beiden Aussagen geärgert. Aber nicht, weil Miller, die gerne polemisch formuliert, den Nationalpark attackiert hat, wie Baier seither vielfach wiederholt hat. Damit müsse er leben, sagt er. Sondern weil beide Aussagen Baiers festen Überzeugung nach unwahr sind und Miller ihm - als Chef des Nationalparks - mit ihnen einen gravierenden Gesetzesverstoß vorgeworfen hat. Das Argument von Baier: Die Jagd von Gämsen in einem Wald, in dem die Schonzeit aufgehoben ist, ist etwas ganz anderes als eine Jagd in der Schonzeit. Die erste ist legal und im Jagdgesetz vorgesehen, die andere illegal und verboten.

Christine Miller ist Vorsitzende des Vereins "Wildes Bayern". (Foto: privat)

Also klagte Baier gegen Miller. Und bekam durch alle Instanzen recht. Beide Aussagen seien falsch und deshalb eine schwere Verletzung von Baiers Persönlichkeitsrechten, urteilten die Richter. Miller erwecke den Eindruck, dass Baier als oberster Verantwortlicher des Nationalparks und damit für die Jagd dort gegen gesetzliche Vorschriften verstoße und gesetzwidrige Maßnahmen anordne. Das sei nicht der Fall, deshalb müsse Baier die Aussagen nicht hinnehmen.

Aus Millers Sicht geht es in dem Streit freilich nicht um die Frage, "ob unser Blogbeitrag richtig oder unrichtig war". Sondern darum, "dass eine Kritik an behördlichem, staatlichem Handeln (...) den in dem Beitrag weder genannten noch gemeinten Behördenleiter legitimieren soll, den Beitrag unter Berufung auf sein allgemeines Persönlichkeitsrecht zu verbieten". Gewähre man einem Behördenchef dieses Recht, so Miller, habe "das massive Auswirkungen auf die in einer Demokratie ganz selbstverständliche Machtkritik". Deshalb die Verfassungsbeschwerde.

Baier hat mit so einem Manöver von Miller gerechnet. Deshalb hat er sich schon mal erkundigt, wie hoch die Erfolgsquote von Verfassungsbeschwerden ist. Laut Statistik des Bundesverfassungsgerichts hat sie in den vergangenen zehn Jahren durchschnittlich 1,66 Prozent betragen.

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