Hoffnung für die Esche:Wiederauferstehung einer todgeweihten Baumart

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Eschentriebsterben erkennt man daran, dass Laub fehlt, wie hier im Mangfalltal am Fuße des Taubenbergs. (Foto: Florian Peljak)

Ein Pilz aus Japan bedroht die Bestände der Esche in Bayern - nun hat das Amt für Waldgenetik möglicherweise einen Weg gefunden, die Laubbaumart zu retten.

Von Christian Sebald

Seit 16 Jahren treibt das Eschentriebsterben Forstleute und Waldbesitzer in Bayern um. Denn die Baumkrankheit, die 2008 erstmals im Freistaat nachgewiesen worden ist, hat das Zeug, die Eschen hierzulande so zu dezimieren, dass die Baumart praktisch keine Rolle mehr spielen dürfte in Bayern. Doch jetzt besteht Hoffnung, dass es anders kommt. Das Amt für Waldgenetik (AWG) im oberbayerischen Teisendorf hat in einem Waldstück nahe dem Waginger See (Landkreis Traunstein) eine Plantage mit jungen Eschensamenbäumen angelegt. Deren Abkömmlinge, so die Erwartung von AWG-Chef Joachim Hamberger und seiner Mitarbeiter, werden einmal resistent sein gegen das Eschentriebsterben.

Auch Forstministerin Michaela Kaniber (CSU), der das Amt für Waldgenetik unterstellt ist, zeigt sich optimistisch. "Wir sichern hier die Zukunft der Esche in unseren Wäldern", sagte Kaniber, als sie am Montag die Plantage besichtigte. "Gerade in Zeiten des Klimawandels ist das ein wichtiger Schritt. Denn die Esche ist ein echter Allrounder. Sie ist trockenheitstolerant, ökologisch sehr wertvoll und liefert ein vielseitig verwendbares Holz." Das AWG ist Teil der bayerischen Forstverwaltung, die Einrichtung forscht nicht nur über heimische und andere Baumarten, sondern stellt in einer Reihe Plantagen Saatgut her. In Zeiten der Klimakrise, die die Wälder im Freistaat massiv trifft, kommt dem AWG eine besondere Bedeutung zu.

Eschen können bis zu 40 Meter hoch werden und einen Stammdurchmesser von bis zu zwei Metern haben. Die Rinde junger Bäume ist gelblich grau und lange Zeit glatt, wenn die Eschen älter werden, wird ihre Borke längsrissig. Das Laub ist gegenständig, gefiedert und an den Rändern gesägt. Eschen, deren Holz sehr hochwertig ist und vielfältig verarbeitet werden kann, sind längst nicht so häufig wie Buchen oder Eichen. Fachleute schätzen ihren Anteil am Baumartenmix in Bayern auf gerade mal drei Prozent. Einzig in den Auwäldern entlang der Flüsse, aber auch in Sumpf- und Schluchtwäldern trifft man auf größere Bestände. Denn die Esche mag es feucht.

Noch vor zwanzig Jahren haben viele Förster und Waldbesitzer große Hoffnungen in Fraxinus excelsior gesetzt, wie der wissenschaftliche Name der Laubbaumart lautet. Denn die Esche kommt mit heißen Trockenperioden gut zurecht, wie sie in der Klimakrise auch in Bayern immer häufiger werden. Inzwischen hat sich sogar herausgestellt, dass die Esche dem Klimawandel deutlich besser widersteht als die Buche, auf die Klimaexperten unter den Forstleuten lange Zeit gesetzt haben.

Doch dann hat das Eschentriebsterben die vormaligen Erwartungen jäh zunichtegemacht. Im Herbst 2008 stellten Waldbesitzer in einer ganzen Reihe Wäldern überall in Bayern die damals neue Baumkrankheit fest. Beim Eschentriebsterben wird erst das Laub der befallenen Bäume schütter, dann vertrocknen ganze Äste und am Ende sterben die Bäume komplett ab - bei jungen Eschen verläuft die Krankheit schnell, bei alten kann sie sich lange hinziehen.

Der Erreger ist ein Pilz

Der Erreger ist das Falsche Weiße Stengelbecherchen oder Hymenoscyphus pseudoalbidus. Das ist ein Pilz, dessen Sporen mit dem Wind von Baum zu Baum fliegen und der von Polen her eingewandert ist. Inzwischen dürften vier Fünftel der bayerischen Eschen Opfer des Eschentriebsterbens geworden sein. Das Falsche Weiße Stengelbecherchen ist ursprünglich in Japan beheimatet und im Zuge der Globalisierung nach Europa gekommen. Das Tückische ist, dass sich der Hymenoscyphus pseudoalbidus äußerlich nicht von dem lange bekannten Weißen Stengelbecherchen (Hymenoscyphus albidus) unterscheidet. Das ist ein harmloser heimischer Pilz, der abgefallenes Eschenlaub zersetzt.

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Natürlich grassiert das Eschentriebsterben nicht nur in Bayern. Sondern in ganz Deutschland und Mitteleuropa. Deshalb haben schon vor Jahren eine ganze Reihe einschlägiger Forschungseinrichtungen in Deutschland das Verbundprojekt "FraxForFuture" eingerichtet. "Es soll das Eschentriebsterben nicht nur erforschen, sondern vor allem wirksame Gegenstrategien entwickeln, damit die Baumart hier bei uns erhalten werden kann", sagt AWG-Chef Hamberger, dessen Amt natürlich dem Verbund angehört. Die ungefähr zwei Hektar große Eschenplantage mit ihren knapp 670 Samenbäumen nahe dem Waginger See ist ein erster konkreter Erfolg im Kampf gegen die tödliche Baumkrankheit.

Bis die Plantage angelegt werden konnte, war es freilich ein weiter Weg. Am Anfang stand eine Absuche der Auwälder in Bayern nach vitalen alten Eschen. "Es hat sich nämlich schnell herausgestellt, dass einige Eschen offenkundig immun sind gegen den aggressiven Pilz", sagt Hamberger. "Also haben wir systematisch nach ihnen gesucht." Ein Indiz für die Immunität einer Esche ist, dass sie sattgrün ohne jeden Hinweis auf einen Befall inmitten erkrankter oder abgestorbener Eschen steht.

Die Pfropfreiser wurden mit dem Pilz traktiert

"Von solchen Bäumen haben wir Pfropfreiser geholt", sagt Hamberger, also vitale Zweige, die alle Anlagen dafür hatten, dass aus ihnen einmal gute Samenbäume werden könnten. "Die Reiser wurden dann mit dem Pilz traktiert. Sei es direkt über das Laub befallener Eschen oder indem ihnen seine Sporen mit einem Skalpell unter die Rinde geritzt wurden." Zwei Drittel der Pfropfreiser überstanden die Prozedur unbeschadet. Aus ihnen wurden die knapp 670 Jungbäume für die Samenplantage gezogen. Bis sie freilich in nennenswertem Umfang Samen für Eschen liefern, die resistent sind gegen das Falsche Weiße Stengelbecherchen, vergehen Hamberger zufolge freilich noch zehn bis 15 Jahre.

Die Eröffnung der Eschen-Samenplantage war auch der Start für das neue AWG-Programm "100 Samenplantagen für Bayern". Es zielt darauf ab, die Zahl der Samenplantagen in Bayern zügig auf 100 zu verdoppeln, um die Versorgung von Baumschulen und Waldbesitzern mit qualitativ hochwertigem Vermehrungsgut zu verbessern. "Gutes Saatgut ist für den Erfolg des Waldumbaus nicht mit Gold aufzuwiegen", sagt Forstministerin Kaniber. Zur Umsetzung des Programms will die AWG in den nächsten Monaten Kooperationen mit den Bayerischen Staatsforsten und kommunalen Waldbesitzern eingehen.

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