Landespolitik:Die Datensammler vom Amt

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Das Bild zeigt Würzburg in 3D - digital vermessen vom Landesamt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung. (Foto: Bayerische Vermessungsverwaltung)

Das Landesamt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung ist recht unbekannt - und kennt umgekehrt ganz Bayern. Zum Beispiel die Zugspitze von oben.

Von Maximilian Gerl, München

Start-ups sind, so will es das Klischee, jung, dynamisch, innovativ - interessant. Verzwickt also, dass Wolfgang Bauer Chef einer Organisationsform ist, die viele abschreckt. "Behörde verbindet man nicht unbedingt mit Innovation", sagt er dazu. "Behörde ist in der Regel angestaubt und langsam." Man habe eben den hoheitlichen Auftrag, die Erdoberfläche zu dokumentieren. Große Marketingmaßnahmen seien da nicht möglich, "wir müssen mit Steuergeld effizient umgehen".

Etwas Bekanntheit, dagegen hätten die Beamten im Landesamt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung nichts einzuwenden. Sie versuchen seit Jahren, worüber heute alle reden: die Digitalisierung des Freistaats anzuschieben. Ein Zukunftsthema. Doch was genau in dieser Behörde in München-Lehel passiert, wissen nur wenige Außenstehende. Dabei kennt sie umgekehrt Bayern wie keine Zweite.

Amtschef Bauer ist studierter Geodät, aufgewachsen in Passau. Statt langer Erklärungen zeigt er Besuchern Powerpointpräsentationen in seinem Büro. Oder er geht mit ihnen einen Stock tiefer, dort können sie um die Zugspitze kreisen. Mehr als eine Brille braucht es dazu nicht. Virtual Reality (VR) heißt das. Sobald die Brille über die Augen rutscht, verschwindet die Amtsstube. Es erscheint eine künstliche, interaktive Welt, der Mensch steht in der Luft. Der Horizont wandert mit dem Blick. Wo man unter sich sonst die Füße sieht, faltet sich das Zugspitzmassiv auf. Wer möchte, kann mithilfe eines Joysticks über einen Grat wandern oder wie ein Adler ins Tal stürzen. Wer genug hat, nimmt die Brille ab. Die Amtsstube ist zurück. Bauer sagt: "Ich bin so mal durch Augsburg spaziert."

Formell untersteht das Landesamt für Digitalisierung dem Finanzministerium. Danach wird es kompliziert. Die Existenz eines Digitalministeriums täuscht: Digitale Themen sind in der Staatsregierung über die Ressorts gestreut. So ist für Breitbandförderung das Finanzministerium und damit Bauers Behörde verantwortlich. Um Mobilfunk kümmert sich das Wirtschaftsministerium. VR fällt eigentlich in den Bereich Medienpolitik von Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU).

Das Digitalministerium wiederum soll sich digitalen Zukunftsthemen widmen, was aber ohne Breitband- und Mobilfunkausbau schwierig ist. Und auch ohne das Landesamt für Digitalisierung, das einerseits die IT-Infrastruktur des Freistaats stellt, andererseits selbst Daten sammelt und anwendet. Bauer definiert seinen Arbeitsauftrag pragmatisch: einfach mal machen.

Die Datenmasse des Landesamts bewegt sich inzwischen im Petabyte-Bereich. Das ist eine Zahl mit 15 Nullen. Dagegen wirkt das Litografiesteinlager im Keller mit seinen 27 000 Platten beinah handlich.

Gesammelt werden vor allem Geodaten. Die können dann von anderen Behörden genutzt werden - oder von Firmen, wenn sie dafür zahlen. Täglich sind Mitarbeiter unterwegs, um Bayern zu kartografieren; im Sommer steigen Flugzeuge mit hochauflösenden Kameras auf. Mithilfe der Aufnahmen werden unter anderem Katasterregister verfeinert. Historische Zeitreihen helfen beim Aufspüren von Weltkriegs-Blindgängern. Mithilfe von Farbfiltern lässt sich sogar erkennen, wo in einem Wald welche Baumart steht - nützlich, wenn Maßnahmen gegen Schädlinge oder für Wiederaufforstung getroffen werden müssen.

Das Lithografiesteinlager im Landesamt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung. (Foto: Robert Haas)

Eher theoretisch wird es, wo Bildinformationen ins Dreidimensionale übersetzt werden. Der gesamte Freistaat lässt sich so als begehbares Modell darstellen - Hochleistungsgerät vorausgesetzt. Allein um die Zugspitze darzustellen, rechneten Computer sechs Tage lang. In der Praxis werden die neuen Möglichkeiten noch vergleichsweise selten genutzt. Architekten könnten am Bildschirm neue Gebäude in die Umgebung einfügen und so Entwürfe anpassen. Städteplaner könnten Orte virtuell fluten, um Hochwasserszenarien durchzuspielen. Und Schulen könnten die Modelle für anschaulichen Unterricht nutzen.

Die Behörde mit all ihren Außenstellen kommt auf rund 3500 Mitarbeiter. Bauer sagt, er hätte nichts gegen mehr Personal einzuwenden; dann könnte er noch mehr experimentieren, noch mehr Möglichkeiten aufzeigen. Manche Aufgabe wird trotzdem analog bleiben, zwangsweise. Bauer ist nämlich auch dafür zuständig, dass die Grenzsteine zu Österreich weiß gestrichen werden - damit wenigstens sie sichtbar sind.

© SZ vom 21.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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