Denkmalschutz in Bayern:Alte Liebe

Lesezeit: 3 min

Der Kolonialwarenladen in Friesenhausen ist so erhalten, wie er 1976 abgesperrt wurde. (Foto: Markus Stadler/oh)

26 Projekte werden heuer mit der Denkmalschutzmedaille ausgezeichnet. Die Menschen dahinter bringen viel Zeit und Geld auf, um die Objekte zu bewahren.

Von Dietrich Mittler, München

Als sie noch ein kleines Mädchen war, da ist Andrea Meub aus Friesenhausen im Kreis Haßberge an manchen Tagen dreimal von ihren Eltern in den alten Dorfladen geschickt worden, um dort Dinge für den alltäglichen Bedarf einzukaufen. "Dort gab es einfach alles", sagt sie, "von Stoffen, Nägeln und Gewürzen bis hin zu offenen Heringsportionen." Meub, mittlerweile 56 Jahre alt, erinnert sich lebhaft an diese Einkäufe: Oft nämlich hatte Lina Schmidt, die damalige Ladenbesitzerin, ihr Geschäft bereits abgeschlossen. Dann klingelte Andrea Meub, versteckte sich an der Tür und sprang dann mit einem Satz vor der zierlichen alten Dame in die Höhe. Die sagte dann stets: "Du Freggele!"

Bei einem Freggele handelt es sich aus fränkischer Perspektive um eine Person, die zwar ziemlich frech aber zugleich auch sehr liebenswert ist. Nun sollen das einstige Freggele und weitere Preisträger mit der Denkmalschutzmedaille 2020 ausgezeichnet werden, die seit 1978 für besondere Verdienste um die Bau-, Kunst- und Bodendenkmalpflege verliehen wird. Durch Andrea Meubs Engagement etwa ist der Laden gegenüber der Friesenhausener Dorfkirche so erhalten geblieben, wie ihn Lina Schmidt im Jahre 1976 zum letzten Mal abschloss.

Siglinde Matysik verbringt ihre Samstage am liebsten an Grabungsstellen. (Foto: Privat)

Deren Erben ließen alle Waren im Geschäft liegen - darunter etwa große Flaschen Maggi-Würze und emaillierte Nachttöpfe. Noch vorhandene Aufzeichnungen bis zurück zum Jahr 1899 belegen, dass die Kundschaft selbst aus Schweinfurt nach Friesenhausen kam, um dort einzukaufen. 2013 konnte Andrea Meubs Vater Julius nach vergeblichen Anläufen das Nachbarhaus schließlich doch noch kaufen. Der mittlerweile 86-Jährige packt bis heute bei der Restaurierung kräftig mit an. "Heute sind wir alle froh, dass er damals das Haus erworben hat", sagt Meub. Auf ihre Initiative hin wurde das Lädchen zum Museum. Ein Hort für viele kleine liebenswerte Geschichten.

Die Burg Gruttenstein in Bad Reichenhall hingegen wird mit Ereignissen in Verbindung gebracht, für die das Wort liebenswert fehl am Platz wäre. Ihren Vorgänger, ein "Castrum", hatte der Salzburger Erzbischof Adalbert III. von Böhmen laut Burgchronik 1196 schleifen lassen. Es tobte ein blutiger Streit um die Salzgewinnung und den Handel mit Salz, das im Mittelalter mit Gold aufgewogen wurde. 1219 soll dann die Burg Gruttenstein entstanden sein - als Trutzfeste. Mehrmals in ihrer Geschichte brannte sie ab, in den Jahren 1742 bis 1745 bedrängten und quälten die Panduren im Dienste der österreichischen Krone die Reichenhaller auf das Übelste. Ihr berüchtigter Anführer Franz Freiherr von der Trenck soll sich kurzzeitig auf Gruttenstein einquartiert haben. In den Jahren 1870 bis 1872 diente ein Teil der Burg als Lazarett, später dann als Heimstätte für Salinenarbeiter.

Seit 2001 ist sie im Privatbesitz der Familie Riegler. "Mein Mann Wilhelm hat sie gekauft", sagt Brigitta Riegler, die für die von ihr vorangetriebene Instandsetzung der Burg nun ebenfalls die Denkmalschutzmedaille 2020 bekommt. Sie habe "die Spuren der Vergangenheit sichtbar gelassen", heißt es in der Laudatio. Die Übergabe der Medaillen verläuft in diesem Jahr so ganz anders als gewohnt, bedingt durch die Corona-Pandemie. Eine zentrale Feier für alle Ausgezeichneten wird es 2020 nicht geben. Kunstminister Bernd Sibler (CSU) will aber stattdessen einige Preisträger besuchen. Die restlichen Verleihungen soll Mathias Pfeil, der Leiter des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege, übernehmen.

So werden Sibler oder Pfeil auch bei Siglinde Matysik im schwäbischen Königsbrunn vorbeischauen - aber hoffentlich nicht an einem Samstag. Seit mehr als 30 Jahren nämlich verbringt Matysik so gut wie jeden Samstag in Gummistiefeln an archäologischen Fundorten, um dort mit wissenschaftlicher Akribie die Fundstücke zu reinigen, zu zeichnen und das Grabungstagebuch zu führen.

An mehr als 40 Grabungen hat Siglinde Matysik bereits teilgenommen, so etwa half sie dabei mit, die römische Mithras-Kultstätte auf dem Königsbrunner Friedhof freizulegen. Wer nun aber darauf schließt, dass Matysik damit einen seit Kindheit gehegten Lebenstraum zu ihrem Beruf gemacht hat, liegt weit daneben. Zum Arbeitskreis für Vor- und Frühgeschichte des Heimatvereins im Kreis Augsburg kam sie völlig unverhofft. "1987 beobachtete sie in der Nähe ihrer Wohnstraße eine Ausgrabung", heißt es in der Laudatio. Sie schaute vorbei und wurde vom damaligen Grabungsleiter Otto Schneider "sofort eingespannt".

Ausgezeichnet wird unter anderem die Burg Gruttenstein bei Bad Reichenhall. (Foto: oh)

Insgesamt 26 Denkmalschutzprojekte werden in diesem Jahr ausgezeichnet - jedes einzelne von ihnen wäre eine Geschichte wert, sei es nun die Instandsetzung des aus einer romanischen Kapelle hervorgegangenen Wohnhauses in Regensburg durch Monika und Franz Schöfer, sei es der Erhalt des alten Totengräberhäuschens auf dem Wöhrder Friedhof in Nürnberg durch die evangelische Kirchengemeinde St. Bartholomäus. Mit historischen Ereignissen ist auch der "Milchhof" in Hohenberg an der Eger verbunden. Der erhielt seinen Namen vier Tage vor Beginn des Zweiten Weltkriegs. Von 1939 bis 1950 tauschten dort die Hohenberger ihre Lebensmittelmarken gegen Milch ein.

Auf der Homepage des Landesamtes für Denkmalpflege lassen sich all diese Geschichten nachlesen. Dort finden sich auch die Namen der Preisträger wieder - Persönlichkeiten, von denen Kunstminister Sibler sagt, dass diese keine Mühen scheuten, "um die Schönheit und Einzigartigkeit unserer Baudenkmäler wieder hervortreten zu lassen".

© SZ vom 12.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Baudenkmäler
:Bayerns Erbe für die Welt

Sankt Martin, Olympiapark, Kulturlandschaften: Eine ganze Reihe bayerischer Sehenswürdigkeiten wartet auf die Adelung durch die Unesco.

Von Hans Kratzer

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: