#MutZurHilfe-Aktion:Bäcker verteilen Brottüten mit Hilfsangebot bei Krisen

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Butterbreze mit Botschaft: Auf vielen Bäckertüten findet sich in diesen Tagen ein Hilfsangebot. (Foto: Martin Augsburger)

Auf diese Weise wollen sie Menschen in psychischen Notlagen helfen - und gleichzeitig die Akzeptanz seelischer Erkrankungen in der Bevölkerung steigern. Ein Interview über die heilende Kraft des Telefongesprächs.

Interview von Nina von Hardenberg

Beim Kauf der Butterbreze lohnt es sich gerade, etwas genauer hinzuschauen: 650 Bäckerfilialen in ganz Bayern geben derzeit bedruckte Bäckertüten aus mit einer Telefonnummer für alle, die in seelischer Not sind. Katjenka Wild, die fachliche Leiterin der Leitstelle der Krisendienste Bayern in der Oberpfalz, hat das Projekt mitentwickelt und erklärt, was die bedruckte Bäckertüte auf dem Küchentisch bewirken kann.

SZ: Frau Wild, ist das Krisentelefon der Krisendienste Bayern zu wenig bekannt?

Katjenka Wild: Die Krisendienste Bayern gibt es erst seit zwei Jahren. Wir haben in jedem der sieben bayerischen Bezirke eine Leitstelle. Im Schnitt erhalten wir täglich 225 Anrufe, insgesamt waren es 82 473 im vergangenen Jahr. Das ist nicht wenig, aber wir möchten so viele Menschen wie möglich erreichen, möchten, dass sie wissen, dass es diese Nummer gibt. Dass da jemand da ist für sie, wenn sie mal in eine Krise kommen, und dass sie sich auch Hilfe holen dürfen. Deshalb sind wir allen bayerischen Innungsbäckern, die sich an der Bäckertüten-Aktion beteiligen, dankbar für die Unterstützung.

Wann sollte man zum Hörer greifen?

Das ist subjektiv. Bei uns kann jeder anrufen, der sich in der Krise fühlt. Wir bewerten das nicht. Eine Situation, die der eine gut verkraftet, kann den anderen in Not stürzen.

Kann denn reden helfen?

Absolut. Wir geben Menschen ganz viel Raum, um erzählen zu können. Sie fühlen sich dadurch gesehen mit ihrem Thema und ihren Belastungen. Das allein hat große Wirkung, gibt ihnen Stabilität zurück und beruhigt sie. Wir sortieren dann gemeinsam, was die größte Belastung ist und was helfen könnte.

Katjenka Wild ist die Fachliche Leiterin der Leitstelle der Krisendienste Bayern in der Oberpfalz. (Foto: Isabelle Lemberger)

Sie sitzen auch selbst am Telefon. Was erfährt man da?

Die Gespräche beginnen oft dramatisch und hochbelastet. Und wenn die Menschen darüber sprechen können, sind sie unglaublich dankbar. Krisen erleben wir fast immer als etwas Bedrohliches. Man ist allein, überfordert. Das macht Angst. Eine der wichtigsten Erfahrungen in solchen Momenten ist es, nicht alleine zu sein.

Glauben Sie, das Gespräch verhindert Schlimmeres?

Ja, das ist die Idee und die Haltung der Krisendienste Bayern. Je früher ein Mensch in Not ein fachlich professionelles Gegenüber hat, desto besser. Ein Krisengespräch kann verhindern, dass jemand weiter abstürzt und absinkt. Es ist fundamental wichtig, zu lernen, dass man sich helfen lassen kann. Dass man also etwas tun kann gegen diese Lage, die sich so gewaltig und machtlos anfühlt.

Wer meldet sich am häufigsten?

Die Betroffenen selbst, oft wegen Ängsten, Depressionen oder Problemen in der Partnerschaft und der Familie. Es rufen aber auch Angehörige an oder Kollegen.

Fragen manche, ob sie wieder anrufen dürfen?

Ja, und sie dürfen. Wir haben Mehrfachanrufer. Aber wir sind natürlich ein Krisentelefon für die akute Not. Wir versuchen die Menschen dann an ambulante Angebote oder auch in die Kliniken weiterzuvermitteln.

Falls es denn dort einen Platz gäbe...

Das ist manchmal ein Problem. Es gibt Wartezeiten. Dann helfen wir zu überbrücken. Wir sind auch gut in der Region vernetzt, können manchmal andere Angebote vermitteln.

Die Bäckertüten waren auch Ihre Idee. Was erhoffen Sie sich davon?

Psychische Krisen sind immer noch ein Tabu. Wir wollen, dass die Menschen sie als etwas Alltägliches akzeptieren, das jedem passieren kann. Mit der Bäckertüte wird die Krise ein Stück mehr Alltag.

Die Krisendienste Bayern - Soforthilfe in seelischen Notlagen ist unter 0800/655 3000 rund um die Uhr kostenfrei erreichbar, auch an Sonn- und Feiertagen.

Hinweis der Redaktion: Erste Ansprechpartner bei Verdacht auf eine Depression oder Suizidgedanken sind Hausärzte, Psychiater oder psychologische Psychotherapeuten. Betroffene und Angehörige können sich auch an die Deutsche Depressionshilfe wenden: Info-Telefon 0800 33 44 5 33 (kostenfrei).

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