Wirtschaft in Bayern:Die Zahl der Azubis steigt deutlich - trotzdem sind es zu wenige

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Die Metall- und Elektro-Industrie sucht wie viele andere Branchen in Bayern händeringend nach Auszubildenden. Nun konnten erstmals seit Jahren wieder deutlich mehr junge Leute für die Berufsausbildung dort gewonnen werden. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Die bayerische Metall- und Elektroindustrie meldet ein deutliches Plus bei den Ausbildungsverträgen. Das Dilemma des Fachkräftemangels bleibt dennoch bestehen.

Von Maximilian Gerl

Die Überraschung folgt an diesem Mittwoch gleich zu Beginn. Die bayerischen Metall- und Elektroarbeitgeber (Bayme VBM) haben in ihr Münchner Hauptquartier geladen, um die neuesten Ausbildungszahlen zu präsentieren; normalerweise eine Angelegenheit, bei der aus Unternehmersicht die beste Nachricht darin besteht, dass sich überhaupt ein paar junge Menschen für eine Ausbildung entschieden haben. Doch diesmal kann Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt den "höchsten Anstieg seit über zehn Jahren" verkünden. Demnach nahm 2023 die Zahl der abgeschlossenen Ausbildungsverträge in der Metall- und Elektroindustrie um fast elf Prozent zu, verglichen mit dem Vorjahr. Und fürs laufende Jahr rechne man mindestens mit "einer schwarzen Null", sagt Brossardt, eher sogar "mit einem Zuwachs" um gut ein Prozent.

Deutlich mehr Auszubildende? In Zeiten, in denen viele Unternehmen glücklich wären, wenn sie ihre Lehrstellen überhaupt irgendwie besetzt bekämen? Nach froher Kunde klingen da die Zahlen aus der in Bayern so starken Metall- und Elektroindustrie. Dennoch bleibt das grundsätzliche Dilemma bestehen. Weil durch den demografischen Wandel tendenziell mehr alte Menschen in Rente gehen, als junge aus den Schulen nachrücken, ist der Fachkräftemangel längst auch ein Lehrlings- und Azubimangel.

Darauf weist auch Brossardt hin. "Für die Auszubildenden ist das eine sehr erfreuliche Situation", sagt er. Für Unternehmen werde es dagegen "immer schwieriger", passende Bewerber zu finden. Und das trotz der insgesamt gestiegenen Ausbildungszahlen. Laut Bayme VMB wurden im vergangenen Jahr branchenübergreifend und bayernweit gut 86 000 neue Ausbildungsverträge geschlossen, ein Plus von 4,7 Prozent. Rund 15 000 Verträge entfielen dabei auf die Metall- und Elektroindustrie - auch im Vergleich mit den Vor-Corona-Jahren ein ordentliches Ergebnis. Insgesamt aber überstiegen die Stellen die Interessenten deutlich, fast 20 Prozent der Ausbildungsplätze blieben unbesetzt. Die beiden häufigsten Gründe, so gemäß einer Umfrage unter den Unternehmen: Es gab zu wenige Bewerberinnen und Bewerber - und keine geeigneten. Was die Firmen genau unter "geeignet" verstehen, wurde allerdings nicht abgefragt.

In jedem Fall darf die Gesamtsituation aus Wirtschaftssicht als herausfordernd gelten. Denn die Nachwuchsgewinnung ist zu weiten Teilen ein Nullsummenspiel: Wer bei Unternehmen A anheuert oder Studium B beginnt, wird eher nicht eine Lehre zu C machen. Wenn dann noch das Reservoir an potenziellen Fachkräften schrumpft, werden die Konkurrenzkämpfe zwischen Unternehmen und Branchen größer. Laut Schulstatistik lernten im Schuljahr 2003/04 ungefähr 820 000 Kinder und Jugendliche an Bayerns allgemeinbildenden Schulen. Im Jahr 2022/23 waren es 672 000. Absehbar ist zudem, dass 2025 besonders wenige Jugendliche die Schulen verlassen werden: In diesem Jahr wird es wegen der Umstellung vom acht- aufs neunjährige Gymnasium keine flächendeckenden Abiturprüfungen im Freistaat geben.

Umso wichtiger dürfte in Zukunft das Thema Berufsorientierung werden. Hier haben viele Betriebe und Wirtschaftsorganisationen inzwischen digital nachgerüstet. Bei den Metall- und Elektroarbeitgebern setzt man unter anderem auf Tools, die sich übers Smartphone spielerisch nutzen lassen. So können Jugendliche in einem "Swipe-Test" Bilder aus der Welt der Metall- und Elektroindustrie am Bildschirm bewerten. Anschließend ermittelt ein Algorithmus, welche Ausbildung womöglich zu den Antworten passen könnte. Bei Bayme VBM sieht man deshalb in den gestiegenen Azubizahlen ein Zeichen, dass die Ansprache junger Menschen besser funktioniere. Viele Dinge, die heute die Wirtschaft unternehme, "hätten wir früher nicht gemacht", räumt Brossardt ein. Das, sagt er, "war aber schon früher falsch".

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