Bayerische Staatsregierung:Das Söder-Kabinett fällt vor allem durch Blässe auf

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Seit einem halben Jahr ist das 18-köpfige Regierungsteam im Amt. Nach der Landtagswahl werden sich einige einen neuen Job suchen müssen. Eine Übersicht.

Von Wolfgang Wittl

Sechs Wochen noch bis zur Landtagswahl. Am Dienstag nimmt das Kabinett nach kurzer Sommerpause seine Arbeit auf, es geht um Landwirtschaft und Asyl - und für die Minister auch darum, ihre Unverzichtbarkeit für eine Weiterbeschäftigung zu beweisen. Fast ein halbes Jahr ist das Kabinett von Ministerpräsident Markus Söder im Amt. Sogar in der CSU finden viele, dass es vor allem durch Blässe auffällt. Ob die Minister zu wenig ins Licht drängen oder ob der dominante Söder einen zu langen Schatten wirft, darüber gehen die Meinungen auseinander.

Markus Söder, 51, Ministerpräsident: Jüngster Ministerpräsident aller Zeiten in Bayern. Hat nach aktuellen Umfragen das Potenzial, auch als kürzester Ministerpräsident aller Zeiten in die Geschichte einzugehen. Hat den Wahlkampf auf sich zugeschnitten wie keiner vor ihm, die Zahl seiner Termine wird nur von der seiner Ideen übertroffen, welche Wohltaten er der Bevölkerung noch angedeihen lassen könnte. All das könnte ihm helfen, sein Amt zu behalten - wie auch die gering ausgeprägte Bereitschaft in der CSU, schon wieder einen Machtkampf zu führen. Aber wer weiß das schon so genau.

Ilse Aigner, 53, Wohnen, Bau und Verkehr: Wollte mit dem Schlüsselthema Infrastruktur aufgewertet werden. Hat dann alle überrascht, wie entspannt die Arbeit in so einem Schlüsselministerium laufen kann. Ging über Ostern erst einmal in Urlaub, bis das eigene Haus schlüsselfertig eingerichtet war. Zeigte zuletzt verstärkte Aktivitäten durch neue Newsletter und eine Vorliebe für Seilbahnen. Will da doch jemand höher hinaus? Nächste Station könnte Landtagspräsidentin sein, sollte Barbara Stamm nicht mehr ins Parlament einziehen. Hat als oberbayerische CSU-Chefin eine Schlüsselrolle im Wahlkampf.

Florian Herrmann, 46, Leiter der Staatskanzlei und Staatsminister für Bundesangelegenheiten: Arbeitet seine Aufgaben geräuschlos ab, wie es von ihm verlangt wird. Darf anders als seine Vorgänger unter Horst Seehofer keine Kabinettspressekonferenzen abhalten, das macht der Chef selbst. Ist daher öffentlich kaum wahrnehmbar. Trotzdem einer der treuesten Söder-Soldaten. Wenn er in sozialen Netzwerken auf dessen Gegner feuert, könnte er auch CSU-General sein.

Florian Herrmann, einer der treuesten Söder-Soldaten. (Foto: Marco Einfeldt)

Georg Eisenreich, 47, Digitales, Medien und Europa: Staatsminister Nummer zwei in der Machtzentrale, die Rolle liegt ihm besser als vorher als zweiter Mann im Bildungsministerium. Fäden ziehen, Konzepte entwickeln - Eisenreich kennt das als Nummer zwei der Münchner CSU. Wird von Söder als strategischer Kopf geschätzt, trotzdem hält es die Nummer eins für nötig, den Münchner Parteifreunden im Wahlkampf mit einer Metropolstrategie zur Hand zu gehen.

Joachim Herrmann, 61, Inneres und Integration: Es gibt kein Spitzenamt, für das Herrmann nicht gehandelt worden wäre. CSU-Chef, Ministerpräsident, Bundesminister - geblieben ist er Innenminister ohne die Zuständigkeit für Bau und Verkehr, dafür jetzt mit Integration. Verrichtet seine Arbeit pflichtbewusst wie immer, auch im Wahlkampf ein Vorbild an Einsatzfreude. Trotz all der verpassten Spitzenämter: Herrmann wäre wohl der einzige, der im Fall von Söders Sturz als Übergangsministerpräsident infrage käme. Wäre aber zu früh, ihn dafür zu handeln.

Winfried Bausback, 52, Justiz: Versteht es wie kein anderer, sogar ein Bierzeltpublikum mit juristischen Fachvorträgen einzuschläfern. Hat mit der Wiedereinführung des Obersten Bayerischen Landesgerichts kurzzeitig alle aufgeweckt. Oder war das Söder? Für Bausback könnte es vielleicht das Schlüsselerlebnis gewesen sein, doch noch den Weg vom schlafwandlerisch sicheren Rechtsprofessor zum aufgeweckten Politiker zu schaffen.

Bernd Sibler, 47, Unterricht und Kultus: Eine Entdeckung des früheren Parteichefs Erwin Huber. Beweist, dass für den Aufstieg zum Minister eine niederbayerische Parteilaufbahn manchmal wichtiger sein kann als eine schillernde Vita. Kommunikativ und kooperativ, versteht er es, mit gutem Handwerk Ruhe auf einem schwierigen Gelände herzustellen. Erster Erbe von Ludwig Spaenles aufgeteiltem Superministerium. Hat es geschafft, dass man seinen Vorgänger nicht vermisst.

Marion Kiechle, 58, Wissenschaft und Kunst: Eine Entdeckung des Ministerpräsidenten Markus Söder. Beweist, dass nach dem Aufstieg zur Ministerin eine schillernde Vita manchmal nicht so wichtig sein kann wie eine urbayerische Parteilaufbahn. In der Fraktion isoliert, versteht sie es mangels politischem Handwerk nicht, ein schönes Gelände für die CSU zum Blühen zu bringen. Zweite Erbin von Ludwig Spaenles aufgeteiltem Superministerium. Hat es geschafft, dass man ihren Vorgänger vermisst.

Marion Kiechle wurde von Markus Söder entdeckt. (Foto: dpa)

Albert Füracker, 50, Finanzen, Landesentwicklung und Heimat: Hat als Chef im einzigen verbliebenen Superministerium eine super wichtige Rolle im Kabinett. Hat allerdings auch das Pech, dass sich der Ministerpräsident super auskennt im Finanzministerium und genau weiß, wie super es sich im Wahlkampf mit dem vielen Geld punkten lässt. Findet Söder nach wie vor super, wie dieser ihn umgekehrt auch. Könnte nach der Wahl deshalb auch neuer Superman in der Fraktion werden, um den Laden in Söders Sinn zusammenzuhalten.

Albert Füracker mit dem ehemaligen Finanzminister Söder. (Foto: Robert Haas)

Franz Josef Pschierer, 62, Wirtschaft, Energie und Technologie: Zahlt seinen unerwarteten Aufstieg mit Einsatz zurück. Trotz hoher Akzeptanz in Handwerk und Mittelstand gefährdet, wenn die CSU Kabinettsplätze für einen Partner freiräumen muss. Setzt Akzente im Tourismus, an einer Urlauberin Angela Merkel ist Pschierer aber uninteressiert. Bekam die größte Aufmerksamkeit, als seine Heimatzeitung eine wenig galante Hintergrund-Plauderei über die Kanzlerin ausbreitete.

Marcel Huber, 60, Umwelt und Verbraucherschutz: Ist es als ehemaliger Staatskanzleichef gewohnt, geräuschlos Aufträge zu erfüllen. Der Auftrag als Umweltminister: Ruhe schaffen auf dem schmalen Grat zwischen Naturschutz und Landwirtschaft. Das ist dem geübten Bergsteiger vorerst gelungen. Allerdings arbeitet er derart geräuschlos, dass man gerne wieder mal etwas hören würde.

Michaela Kaniber, 40, Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: Je niedriger die Erwartungen, desto größer die Überraschung. Sogar CSU-Veteranen staunen über die Oberbayerin. Frisch, frech, frei - die unkomplizierte Art der Gastwirtstochter kommt an. Arbeitet sich fleißig ein, hat noch keine größeren Fehler gemacht. Beackert ihr Feld so gut, dass kaum jemand über ihren beliebten Vorgänger Helmut Brunner spricht. Das sagt alles.

Kerstin Schreyer, 47, Familie, Arbeit und Soziales: Muss im Streit um das bayerische Familiengeld eine der heikelsten Prüfungen der Staatsregierung bestehen. An ihrer Art sollte es nicht scheitern: Gilt in der CSU als resolut - beste Voraussetzungen also für einen Kampf mit dem Bundesminister. Ist mit hohem Tempo und klaren Vorstellungen gestartet. Verglichen mit ihren Vorgängerinnen eher eine Christine Haderthauer als eine Emilia Müller.

Kerstin Schreyer gilt als resolut. (Foto: Günther Reger)

Melanie Huml, 42, Gesundheit und Pflege: Hat mit der Pflege eines der zentralen Wahlkampfthemen übertragen bekommen - und ihr Haus wie immer im Griff. Agiert allerdings so geräuschlos wie derzeitige und ehemalige Staatskanzleichefs. Im Kabinett unumstritten, wäre nun Zeit für den nächsten Schritt. Schließlich ist Huml nicht nur Gesundheitsministerin, sondern auch Parteivize und CSU-Spitzenkandidatin in Oberfranken.

Josef Zellmeier, 54, Baustaatssekretär: Gemütlich-konservativer Niederbayer, in der Fraktion beliebt und von deren Chef Thomas Kreuzer daher freundlich ins Kabinett geleitet. Wie andere Staatssekretäre ein Wackelkandidat, falls die Wähler der CSU demnächst ein Postensparprogramm auferlegen.

Gerhard Eck, 58, Innenstaatssekretär: Außerhalb Unterfrankens wenig bekannt, in der Fraktion aber ebenfalls geschätzt. Steht als CSU-Bezirkschef womöglich unter Artenschutz.

Carolina Trautner, 57, Kultusstaatssekretärin: Wurde von ihrer Berufung selbst überrascht. Harmoniert mit ihrem Chef Bernd Sibler prächtig, erhöhte schlagartig die Frauenquote. Fleißig, nett, brav - und damit austauschbar.

Hans Reichhart, 36, Finanzstaatssekretär: Akut vom Ausscheiden bedroht, jedoch nicht wegen seiner Arbeit, sondern weil er zur Wahl lediglich als Listenkandidat antritt. Gilt als eines der wenigen großen Talente der CSU. Könnte daher auch ohne Mandat wieder berufen werden, um die Karriere am Laufen zu halten.

© SZ vom 01.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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