Baupläne:Eichstätter fürchten Betonklotz vor Willibaldsburg

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Der Blick von der Willibaldsburg auf die Altstadt von Eichstätt ist grandios - wenn denn kein Betonklotz im Weg steht (wie in diesem Archivbild vom Herbst 2009). (Foto: Imago)
  • Stadt und Landkreis Eichstätt wollen die neuen Berufsschulgebäude auf dem historischen Gelände der alten Burggärten errichten.
  • Gegen die Pläne, die das Stadtbild nachhaltig verändern, wehrt sich eine Bürgerinitiative.
  • Nun sind die Eichstätter aufgerufen, über das Projekt abzustimmen.

Von Andreas Glas, Eichstätt

Neulich haben sie versucht, die Sache mit roten Gasluftballons zu simulieren. Sie haben Pflöcke in die Wiese gerammt, haben die meterlangen Schnüre der Ballons dran festgezurrt. Hätte alles geklappt, wären die Ballons senkrecht in die Höhe gestiegen und hätten die Eckpunkte des Neubaus markiert. Dann hätte man die Dimensionen erahnen können: drei Werkstattgebäude, je 25 mal 30 Meter breit, je neuneinhalb Meter hoch. Dazu ein Klassentrakt plus Turnhalle, 17,5 mal 75 Meter, sechs Meter hoch. Doch statt gerade nach oben zu schweben, hingen die Ballons schräg in der Luft, der Wind blies zu stark - und die Simulation war umsonst.

Kerstin Merkel war das egal. Sie braucht keine Höhensimulation, für sie steht auch so fest, dass der Neubau eine Schnapsidee ist. "Wir stehen hier im historischen Gelände der alten Burggärten", sagt Merkel, während sie über die Wiese schräg unterhalb der Willibaldsburg marschiert.

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Hier, am Hang, wollen Stadt und Landkreis das neue Berufsschulgebäude hinstellen. Wenn die Neubauten kommen, "dann ist das Panorama zerstört", sagt Merkel und schaut hinunter in die Altstadt. Ein herrlicher Blick: der Eichstätter Dom, der neuromanische Turm der Erlöserkirche, das Kloster Sankt Walburg, auf dem Residenzplatz schimmert die goldene Mariensäule.

"Das ist dann alles weg", sagt Stadtheimatpfleger Rainer Tredt, der neben Kunsthistorikerin Merkel über den Burghügel stapft. Beide gehören zur Bürgerinitiative, die verhindern will, dass Eichstätt sein Wahrzeichen zubaut. Mehr als 1000 Unterschriften haben sie gesammelt - und so erzwungen, dass die Eichstätter per Bürgerentscheid über das Bauprojekt abstimmen. "Wir wollen verhindern, dass das Kulturerbe dieser Stadt rücksichtslos verspielt wird", sagt Tredt.

Betonklotz im gefälligen Landschaftsbild

Wer oben auf der Burg steht, am Hortusfenster, dürfte auch in Zukunft einen guten Blick auf die Altstadt haben, Neubau hin oder her. Doch wer auf dem Mondscheinweg unterhalb der Burg marschiert, hat vielleicht bald einen Betonklotz vor der Nase. Und es marschieren viele Leute über diesen Weg. Nicht nur Touristen, auch die Eichstätter machen hier Sonntagsspaziergang, führen ihren Hund aus oder gehen joggen. Warum also wollen Stadt und Landkreis ausgerechnet hier bauen?

"Wenn ich direkt am Gebäude vorbei marschiere, dann kann ich den ein oder anderen Blick nicht mehr erhaschen, das ist richtig", gibt Oberbürgermeister Andreas Steppberger (Freie Wähler) zu. Ein Neubau bringe immer "eine Veränderung des Landschaftsbildes" mit sich. Über solche Aussagen ärgert sich Merkel. Es gehe ja nicht um irgendeine Fläche, sondern "um das grüne Band, das sich wie ein Bilderrahmen um die Burg zieht".

Bischof Johann Konrad von Gemmingen habe bewusst so geplant, "dass die Burg gerahmt ist von Grün", als er im 16. Jahrhundert den botanischen Garten dort oben anlegte. Dass der Grüngürtel bebaut werden soll, ist für Merkel ein Zeichen dafür, "dass Kreis und Stadt ihr historisches Grün überhaupt nicht schätzen".

Historisches Grün? "Der Grüngürtel ist kein Grüngürtel, das sind landwirtschaftliche Nutzflächen", sagt OB Steppberger, der den Bau unbedingt durchsetzen möchte. Außerdem, sagt er, werde nicht direkt unterhalb der Burg gebaut, sondern ein kleines Stück weiter südlich, sodass der Hang auch in Zukunft grün bleibe. Und auch von der Altstadt aus, vom Dom, vom Westportal, vom Walburgkloster "wird man den Blick zur Burg nicht beeinträchtigen".

Das stimmt natürlich. Die Altstadt liegt in einem Talkessel, die Willibaldsburg hoch oben auf einem Hügel. Doch der Bürgerinitiative geht es auch um die Ästhetik und darum, dass Betonklötze, die unterhalb der Burg stehen, das Gesamtbild auf das Eichstätter Wahrzeichen stören. "Sie sehen ja, wie hässlich so ein Klotz ist", sagt Heimatpfleger Tredt und deutet hinüber zum würfelförmigen Berufsschulbau, der schon seit drei Jahren am Burgberg steht, gleich neben der Fläche, auf der die Schule nun erweitert werden soll.

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Der Eichstätter OB versucht, der Bürgerinitiative ihre Furcht zu nehmen: "Wir werden keinen Klotz vor der Burg haben, sondern verträgliche Bauten errichten", verspricht Steppberger. Für die Neubauten plant das Landratsamt einen Architektenwettbewerb, der "sensibel mit der Lage umgehen" werde, versichert auch Landrat Anton Knapp (CSU) und erklärt, warum er auf den Neubau pocht.

Stadt und Kreis planen eine Rochade: Wenn die drei Berufsschulwerkstätten, die derzeit ein paar Straßenzüge unterhalb der geplanten Neubaufläche untergebracht sind, auf den Burghügel ziehen, könnten Kfz-Zulassungsstelle, Jugendamt, Sozialamt und Gesundheitsamt auf die dann freiwerdende Fläche umziehen. Diese Behörden befinden sich bislang auf einem Grundstück gegenüber des Klinikums, wo dann wiederum Bauflächen für andere Projekte frei würden.

Es gibt nur wenige Stellen, an denen gebaut werden kann

Es fehle eben an Baugrund in Eichstätt, sagt OB Steppberger, und Baugrund sei "die Voraussetzung für Stadtentwicklung". Weil er keinen alternativen Standort für die Berufsschule sieht, fürchtet Steppberger, dass das Landratsamt die Schule oder andere Behörden abziehen könnte, falls die Bürgerinitiative Erfolg hat. Denn der Landrat droht: "Dann würde sich die Frage stellen, ob es in einer anderen Gemeinde ein Grundstück dafür gibt." Davor habe er "wirklich Angst", sagt der OB.

"Panikmache", findet Rainer Tredt, es gebe sehr wohl eine Standortalternative. Ein Neubau sei zum Beispiel dort möglich, wo die drei Werkstätten zurzeit untergebracht sind. Doch statt sich die Zeit zu nehmen, Alternativen zu prüfen, wollten Stadt und Landkreis die Sache "schnell über die Bühne kriegen, ohne sich Gedanken über das Kulturerbe der Stadt zu machen". Entsprechend ärgern sich die Mitglieder der Initiative über das Ratsbegehren, das die Stadt dem Bürgerbegehren entgegengestellt hat. Es trägt den Titel: "Ja zum Bildungsstandort Eichstätt".

Ziemlich "perfide formuliert", findet Kerstin Merkel, "jeder, der das liest, kriegt das Gefühl, wir sind Gegner der Berufsschule". Dabei wolle man die Schule unbedingt in Eichstätt halten, nur eben nicht auf dem Grüngürtel unterhalb der Burg. Dafür werde man weiter kämpfen, sagt Merkel, mindestens bis zum 1. Mai. Dann findet in Eichstätt der Bürgerentscheid statt.

© SZ vom 19.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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