Neubau in Deggendorf:Wie hoch ein Hochhaus sein darf

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Sichtweise: "Die Bogen" nach den Plänen des Architekturbüros Kress soll das neue 36 Meter hohe Hochhaus in Deggendorf heißen. (Foto: Montage/oh)
  • In Deggendorf gibt es Streit darüber, wie hoch ein neues Hochhaus sein darf.
  • Die Deggendorfer Bevölkerung muss in einem Bürgerentscheid darüber befinden, wie hoch der Turm werden soll: 36 oder 22 Meter.
  • Das Hochhaus soll am Rand der Altstadt entstehen, in direkter Nähe zur Hochschule und Stadthalle - als Startschuss für ein komplett neues Stadtviertel.

Von Wolfgang Wittl, Deggendorf

An diesem Dienstag wird es in dem Wirtshaus namens "Zur Knödelwerferin" noch einmal zur Sache gehen. Es ist zwar nicht zu erwarten, dass Sättigungsbeilagen durch den Saal fliegen, doch Diskussionsstoff gibt es genug. "Wahrzeichenarchitektur ohne Schaden für die historische Altstadtsilhouette" lautet der sperrige Titel der Informationsveranstaltung. Dahinter verbirgt sich ein Thema, das nicht nur in Deggendorf, sondern auch in vielen anderen Städten bewegt: Wie modern, wie hoch darf man heute bauen, ohne das historische Stadtbild zu verschandeln?

Hier zeigen die Gegner des Projekts, was sie erwarten. (Foto: Montage/oh)

36 Meter oder 22 Meter? Diese Frage wird die Deggendorfer Bevölkerung am kommenden Sonntag in einem Bürgerentscheid beantworten. Entstehen soll das Hochhaus am Rand der Altstadt, in direkter Nähe zur Hochschule und Stadthalle. Oberbürgermeister Christian Moser (CSU) sieht darin den "Startschuss für ein komplett neues Stadtviertel". Es sei gewünscht, dass der Bau Aufmerksamkeit errege, die markante Höhe symbolisiere die Zukunft der Stadt. 500 Arbeitsplätze sollen langfristig auf dem Gelände "Die Bogen" entstehen. Der Turm stehe für Fortschritt, für die Vereinigung des neuen mit dem alten Deggendorf, sagt Moser. Er ist überzeugt: "Die Silhouette unserer historischen Altstadt wird nicht beeinträchtigt."

Angst um die Silhouette der Stadt

Schön wär's, sagt Johannes Grabmeier. Er ist völlig anderer Auffassung. Seit Jahrhunderten wird das Deggendorfer Stadtbild von drei Türmen geprägt: von dem der Grabkirche, der Stadtpfarrkirche sowie des Alten Rathauses. Ein 36 Meter hoher Klotz an dieser Stelle werde die Silhouette unweigerlich zerstören, findet Grabmeier. Er und zwei weitere Stadträte von den Freien Wählern haben daher die Bürgerinitiative "Kein Hochhaus" gegründet. Sie wollen die Höhe des Turms auf maximal 22 Meter begrenzen. Politisch stehen sie damit ziemlich allein auf weiter Flur.

Die Mehrheit des Stadtrats hat sich für den Bau des 36-Meter-Hochhauses ausgesprochen und ein entsprechendes Ratsbegehren entgegengesetzt. Die Debatte wurde vor sieben Jahren schon einmal geführt, ehe sie aufgrund diverser Widerstände wieder einschlief. Das Landesamt für Denkmalpflege hatte den Plänen damals eine deutliche Abfuhr erteilt. Man darf davon ausgehen, dass sich an dieser Haltung wenig geändert hat, doch offiziell bekannt ist darüber nichts - ebenso wenig wie die Stellungnahmen anderer Fachstellen, die der Stadt vorliegen. Grabmeier fordert Transparenz, er sagt: "Wer ist denn die Stadt: die Behörde oder die Bürger?" OB Moser verweist darauf, dass die Hochhausgegner selbst schuld seien an dieser Situation. Hätten sie den Bürgerentscheid nicht so früh eingereicht, hätte man das Verfahren nicht stoppen müssen. So aber dürfe er die Stellungnahmen nicht publik machen.

Der Investor ist umstritten

Dass die Diskussion mit vielen Emotionen geführt wird, liegt auch an der Person des Investors. Vor Jahren gehörte das gut 60 000 Quadratmeter große Gelände noch mehreren Eigentümern, inzwischen hat der Unternehmer Günther Karl den Großteil erworben. Selbst der Oberbürgermeister räumt ein, dass der Name Karl polarisiere und Neiddebatten auslöse. Tenor: Ob der sich denn alles erlauben dürfe? Im Rathaus sieht man Karl hingegen als zuverlässigen Partner. Hätte Karl nicht die marode Eishalle übernommen und saniert, gäbe es etwa keinen Eissport mehr in Deggendorf. Überhaupt stammten die Pläne zum Hochhaus nicht von dem Unternehmer, sondern von der Stadt. So gesehen fügt es sich auch, dass der von der Stadt beauftragte Architekt zugleich für Karl arbeitet. Eine Planung aus einer Hand sei durchaus sinnvoll, wenn man zu einer gemeinsamen Lösung kommen wolle, erklärt OB Moser.

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So ein Vorgehen sei zwar bequem, aber ungewöhnlich, sagt Karlheinz Beer. Er bedauere, dass kein Architektenwettbewerb ausgeschrieben worden sei, um die Vielfalt an baulichen Möglichkeiten aufzeigen. Als Landesvorsitzender des Bundes Deutscher Architekten wird sich Beer an diesem Dienstag zu dem Projekt äußern. In teuren Städten wie Frankfurt oder München sei es nachvollziehbar, dass in die Höhe gebaut werde, nicht unbedingt aber in Deggendorf - zumal für eine profane Nutzung wie Büros. Hochhäuser seien oft die Bühne für Selbstdarstellung, sagt Beer: "Es besteht schnell die Gefahr, dass sie zur Karikatur verkommen."

© SZ vom 17.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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