Bamberg:Ermittlungen zu Überstundenpauschalen im Rathaus kurz vor Abschluss

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In Bambergs Rathaus war in den vergangenen anderthalb Jahren eine Menge Unruhe entstanden. Nun wird mit Spannung erwartet, wie es weitergeht. (Foto: Nicolas Armer/dpa)

Darf man Rathausmitarbeitern Überstundenpauschalen ohne Dokumentation bezahlen? Oder ist das nicht nur zu beanstanden, sondern auch strafbar? Jetzt hat die Staatsanwaltschaft das Wort.

Von Olaf Przybilla, Bamberg

In diesen Tagen, womöglich bereits an diesem Donnerstag, will die Staatsanwaltschaft Hof - sie ist auf Wirtschaftskriminalität spezialisiert - eine lang erwartete Entscheidung bekanntgeben. Wie beurteilt sie die sogenannte Boni-Affäre im Rathaus von Bamberg? Erhebt sie Anklage wegen Untreue? Und wenn ja, gegen wen? Sieht sich womöglich sogar der Oberbürgermeister der Stadt, Andreas Starke (SPD), einer Anklage ausgesetzt? Oder geht alles mit Strafbefehlen oder gar einer Einstellung des Verfahrens vonstatten? Über der Fülle von Vorwürfen rund ums Bamberger Rathaus ist es gelegentlich schwer, den Überblick zu behalten. Hier eine unvollständige Chronik.

Im Dezember 2020 macht ein Bericht des Bayerischen Kommunalen Prüfungsverbands die Runde in Bamberg. Stadträtinnen und Stadträte sind irritiert. Viele warnen aber auch vor Vorverurteilung, sogar von "Geheimnisverrat" ist die Rede. Der Bericht umfasst mehr als 150 Seiten, von besonderer Brisanz ist der Punkt, der sich mit "personalrechtlichen Angelegenheiten" befasst. Vor allem Überstundenpauschalen kreiden die Prüfer an.

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Die sollen unzulässig sein, wenn die Arbeitszeiten zum Teil gar nicht erfasst würden. Anhand überprüfter Fälle werde schon nicht nachgewiesen, dass Überstunden tatsächlich angefallen sind. Auch habe die Stadt etlichen Angestellten und einer Beamtin Pauschalen gewährt, obwohl Arbeitsleistung zusätzlich zur vereinbarten Arbeitszeit nicht nachgewiesen sei. Sollten Zahlungen in Kenntnis von Rechtswidrigkeit geleistet worden sein, stelle sich die Haftungsfrage.

Staatsanwälte prüfen den Verdacht der Untreue

Dagegen verwahrt sich die Stadt. Selbstverständlich habe ausnahmslos ein Zusammenhang zwischen überdurchschnittlicher Mehrleistung und angemessener Vergütung bestanden. Man habe dauerhaft erbrachte Mehrleistungen der Mitarbeiter - regelmäßige Tätigkeiten am Wochenende etwa - gesondert vergütet. Trotzdem interessieren sich auch die Hofer Staatsanwälte für den Bericht. Sie prüfen den Verdacht der Untreue.

Besonderes Augenmerk könnten sie dabei auf Seite 39 des - geheimen - Berichts legen. Dort legen die Prüfer dar, dass allein in den überprüften Fällen zwischen 2012 und 2017 Zahlungen in Höhe von mehr als 450 000 Euro geleistet worden sein sollen - und dies angeblich "tarifwidrig", respektive ohne gesetzliche Grundlage. Als die Staatsanwaltschaft kurz vor dem Neujahrstag 2021 Ermittlungen aufnimmt, ist das für die Stadtspitze mehr als unangenehm - schon weil es ist nicht das erste Verfahren in der Zeit ist.

Auch die Staatsanwaltschaft Coburg ermittelt gegen OB Starke. Vor der Kommunalwahl hatte die SPD Briefe an Bürger mit Migrationshintergrund verschickt. Dazu waren Daten aus dem Melderegister samt Staatsangehörigkeit weitergegeben worden. Starke wehrt sich zunächst dagegen, dass dies strafbar sein soll. Im Juli 2021 akzeptiert er den Strafbefehl wegen Verletzung von Dienstgeheimnissen doch. Ein öffentlicher Prozess würde der Stadt schaden, sagt er.

Ein OB mit akzeptiertem Strafbefehl? Die Stadtdebatte um Rathaus-Boni befeuert das zusätzlich. Die einen finden, dass gutes Geld für regelmäßige Mehrarbeit auch in Rathäusern das Normalste der Welt sein sollte - und alles andere als ehrabschneidend ist. Die anderen befürchten, dass da ein Rathausteam eine Wagenburg bildet und mit Großzügigkeiten aus der Stadtkasse zusammengeschweißt werden soll.

Die Stadt räumt Fehler ein

Die Kritiker bekommen Oberwasser, zumal im Mai 2021 Dutzende Ermittler das Rathaus durchkämmt haben. Ermittlungen, auch in dieser Größenordnung, sind kein Präjudiz, entgegnen manche, vor allem aus Bambergs Sozialdemokratie. Aber es bestreitet auch kaum jemand, dass der Druck steigt.

Im Juni 2021 folgt ein weiterer Schlag ins Rathaus-Kontor. Die Regierung von Oberfranken erklärt als Rechtsaufsicht, die Stadt Bamberg habe gegen die Regelungen des Tarifvertrags respektive der bayerischen Arbeitszeitverordnung verstoßen. Sie habe Überstundenpauschalen gewährt, obwohl eine Zeiterfassung nicht oder nur zum Teil erfolgt sei. Voraussetzungen für solche Zahlungen lägen nicht vor - und zwar "mangels Nachweis". Ebenso gelte das für ausgezahlte Überstunden.

Und nicht nur das moniert die Regierung: Gewähre eine Stadt über einen längeren Zeitraum Überstundenpauschalen, so käme dies einer dauerhaften Anordnung von Mehrarbeit gleich. Also einem Verstoß gegen den Tarifvertrag. Die Stadt räumt daraufhin "Fehler" ein, die sich nicht wiederholen dürften. Man habe aber bereits Konsequenzen gezogen, Pauschalen eingestellt, eine Zeiterfassung eingeführt, Prämien ausgesetzt.

Trotzdem prasselt viel Kritik auf die Stadt ein. Vor allem Bambergs SPD sieht sich gelegentlich ungerecht behandelt, gerade in sozialen Medien. Konfrontiert mit dem Verdacht, es würden womöglich der Sozialdemokratie nahestehende Personen Fake-Accounts betreiben, um die öffentliche Meinung in eine bestimmte Richtung zu lenken, rechtfertigt ein SPD-Spitzenfunktionär solche Accounts im BR als grundsätzlich "okay".

Kurz darauf entschuldigt er sich dafür. Gleichwohl läuft gegen ihn ein Parteiordnungs-, vulgo Parteiauschlussverfahren, eine der vielen Weiterungen der "Boni-Affäre".

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