Show und Brauchtum:"Ich habe den Krampus gebraucht, damit er mich einnordet"

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Sebastian Harrnach und seine Gruppe Strawanza Pass. (Foto: Privat/oh)

Sebastian Harrnach von "Strawanza Pass" organisiert den Tölzer Krampuslauf mit. Ein Gespräch über Larvenschnitzer, verrutschte Hosenträger und Kinderangst.

Interview von Benjamin Engel, Bad Tölz/Erding

Der 39-jährige Sebastian Harrnach schlüpft seit inzwischen 13 Jahren in die Rolle des Krampus. Im Raum Erding hat er im Jahr 2019 die Gruppe Strawanza Pass mitgegründet. Die derzeit sieben Mitglieder sind jedes Jahr im November und Dezember bei Veranstaltungen aktiv. Gemeinsam mit der örtlichen Tourist-Information organisiert Harrnach am Samstag, 9. Dezember, (Beginn: 17.45 Uhr) den Tölzer Krampuslauf mit um die hundert Mitwirkenden aus Österreich, dem Allgäu und dem Berchtesgadener Land in der Marktstraße. Im Gespräch berichtet er davon, was es heißt, in die Rolle des Bösen zu schlüpfen und was ihn ins Schwitzen bringt.

SZ: Herr Harrnach, geben Sie grundsätzlich gerne den "bösen Buben"?

Sebastian Harrnach: Grundsätzlich eher nicht. Ich arbeite in der Feuerwehreinsatzzentrale, bin ausgebildeter Zimmerer und Rettungsassistent. Eigentlich bin ich jemand, der gerne hilft.

Was treibt Sie denn dazu, als Krampus auf die Straße zu gehen? Der Krampus ist ja der Widerpart des Nikolaus und soll die Kinder bestrafen.

Es macht mir einfach Spaß. Das ist praktisch der Ausgleich zum tristen Alltag. Es ist reizvoll, mit den Spezln unterwegs zu sein, Zeit für Freundschafts- und Brauchtumspflege zu haben, zu sehen, wie Kinder ein Lächeln auf den Lippen haben.

Der Auftritt kann furchterregend wirken für Zuschauer - dem Protagonisten macht es Spaß. (Foto: Privat/oh)

Ich dachte, die fürchten sich vor Ihnen.

Die meisten Kinder finden es cool, wenn Du auf sie zugehst und auf sie eingehst. Ich spüre aber sehr schnell, wenn eins gleich zu weinen anfängt. Dann drehe ich mich besser gleich weg. Als ich klein war, kam der Nikolaus zu uns nach Hause. Da war auch der Krampus dabei. Ich musste dann immer den Nikolausstab halten. Aber ich war auch der Wildeste. Ich habe den Krampus gebraucht, damit er mich einnordet.

Hatten Sie da keine Angst?

Ich würde eher sagen, ich hatte massiv Respekt. Das fängt schon beim Nikolaus an. Mit seinem Bart und dem Bischofsornat ist der ja schon eine Respektsperson. Dann kommt noch der Krampus. Der gehört aber meiner Meinung nach dazu.

Und deshalb sind Sie dann als Erwachsener auch selbst Krampus geworden?

Mit Ende 20 war ich als Leitstellendisponent auf einer Feuerwehrfortbildung. Ich saß auf dem Bett und hatte nicht so viel Lust zu lernen. Ich bin dann auf eine Internetseite von einer Krampus-Gruppe gestoßen. Die habe ich dann angeschrieben. Als ich das erste Mal die Larve auf dem Kopf hatte, war ich schockverliebt. Da war es um mich geschehen.

Und wie kommt ein Krampus dann an seine eigene Ausstattung?

Vor allem in Österreich gibt es spezialisierte Larvenschnitzer. Die sind dann handgemacht und kosten je nach Aufwand richtig Geld. Das geht bei 600 Euro los und kann auch gerne 1300 Euro kosten. Für das Gwand aus Fell - oft vom Schaf oder der Ziege, aber auch heimischem Wild - kommen noch einmal 1000 Euro obendrauf. Für meine Krampus-Ausstattung mit Lederhose, Schaffellmantel, Glockengurt, Larve und Kraxe habe ich 2900 Euro ausgegeben.

Sebastian Harrnachs Ausstattung ist nicht billig. (Foto: Privat/oh)

Nicht gerade preiswert. Das hält aber hoffentlich länger?

Wir bei Strawanza Pass haben unsere Felle und Larven jetzt drei Jahre. Nächstes Jahr lassen wir uns Larven aus Aluminiumguss anfertigen, weil wir eine andere Richtung ausprobieren wollen. Es gibt aber auch Gruppen, die sich jedes Jahr was Neues zulegen. Ich sage immer, das ist das schönste, aber auch das teuerste Hobby, weil es so ein Draufzahl-Geschäft ist.

Dann lassen Sie es doch sein. Und mit der Larve und allen Drum und Dran ist das doch sicher nicht immer so bequem. Wie viel wiegt denn so ein Krampus-Outfit?

Mit meiner Kraxe sind das bis zu 30 Kilogramm.

Das klingt aber anstrengend. Trainieren Sie für die Krampusläufe eigentlich?

Ich pumpe zwar wie ein Maikäfer, aber ich gehe deswegen nicht zum Training. Die Läufe sind ja ganz unterschiedlich lang, manchmal dauern die nur zehn Minuten. In Klagenfurt waren das aber auch einmal eineinhalb Stunden. Irgendwas zwickt immer. Da verrutscht schon einmal der Hosenträger. Aber man hält es aus. Dafür ist es unter dem Fell oft der wärmste Ort.

An wie vielen Läufen nehmen Sie selbst teil?

Heuer sind es sieben Krampusläufe und zweimal Hausbesuche im Erdinger und Freisinger Raum. Mir ist es wichtig, mit meinen Spezln einfach einmal für vier, fünf Wochen im Jahr rauszukommen. Krampus zu sein, ist etwas Besonderes, weil das ja nicht jeden Tag ist. Das ist meine Jahreszeit.

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