Fasching:Vom Christbaum zum Narrenbaum

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Nicht nur Augsburg hat zum Fasching einen Narrenbaum. Hier ein Exemplar aus Grafing. (Foto: Faschingsbären/oh)

Der Weihnachtsbaum in Augsburg wird zweifach verwertet. Für das Faschingstreiben in der Stadt wird er entastet und zum Narrenbaum umdekoriert.

Glosse von Florian Fuchs

300 goldene Sterne trägt der Christbaum auf dem Rathausplatz in Augsburg, etwa 1000 Lichter haben den örtlichen Christkindlesmarkt erhellt. Weihnachten ist vorbei, aber der 33 Jahre alte Baum, den die Nachbargemeinde Neusäß spendiert hat, soll noch weiter stehen. Wäre auch schade darum. Es gibt Stadtverwaltungen, die müssen sich einiges anhören von ihren Bürgern, weil sie Hungerfichten aufstellen, die höchstens an das Leid der deutschen Wälder erinnern, aber wenig Weihnachtsglanz verbreiten. Die 18 Meter hohe Tanne aus Augsburg war ein Prachtexemplar, das die Leute gerne angeschaut haben.

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Und trotzdem wird die Tanne bald verstümmelt, mutwillig, von der Feuerwehr. Am 7. Februar ist es laut Stadt soweit, dann wird der Baum entastet. Nur der nackte Stamm bleibt stehen, so will es der Brauch, ganz oben mit einer kleinen Krone: Der "Weihnachtsbaum für Alle", wie die Augsburger ihren Christbaum nennen, ist dann ein Narrenbaum. Solch eine entastete Tanne symbolisiert das Herrschaftssymbol der Narren an einem zentralen Ort in der Stadt. Woher die Tradition stammt, dazu gibt es verschiedene Versionen. Die einen sagen, dass sich der Brauch des Narrenbaums aus der Tradition der Metzger entwickelt hat, die früher beim Fastnachtstanz kleine Bäumchen mit sich trugen. Er könnte auch dem Maibaum nachempfunden sein oder aber auf das sogenannte Blockziehen zurückgehen, einem Umzug, bei dem unverheiratete Frauen im Mittelalter einen Baumstamm durch die Straßen zogen, aus dem sie vielleicht doch noch einen Mann für sich schnitzen konnten.

Der Narrenbaum wird nicht nur von der Feuerwehr verstümmelt, die Rettungskräfte können eh nichts dafür. Anschließend dekorieren ihn die Faschingsgesellschaften der Stadt. Es ist, vom Standpunkt der Faschingsmuffelmehrheit in Bayern aus betrachtet, ein langsamer und qualvoller Tod der prächtigen Tanne, die einiges an Faschingstreiben rund um den Rathausplatz herum über sich ergehen lassen muss. Sozialreferent Martin Schenkelberg, qua Herkunft aus dem rheinischen Hennef glaubwürdiger Karnevalsfan, gibt pflichtschuldig zu Protokoll, dass ihn "die Fülle des Augsburger Faschings" regelrecht fasziniert. Am Aschermittwoch hat der zweifach verwertete Baum es dann geschafft. Da rückt die Feuerwehr wieder an - und entsorgt den Baum.

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