Razzia:Stadtratsmitglied unter Verdacht der Bestechlichkeit

Lesezeit: 2 min

Aufruhr im Rathaus (links im Bild): Im Dezember 2022 hatte die Polizei wegen des Verdachts auf Bestechung und Bestechlichkeit eines Stadtrats sieben Objekte in und um Aschaffenburg durchsucht. (Foto: Heiko Becker/dpa)

Die Polizei durchsucht mehrere Objekte in und um Aschaffenburg. Vier Personen seien verdächtig, Abstimmungen beeinflusst zu haben.

Wegen Verdachts auf Bestechung und Bestechlichkeit von Mandatsträgern hat die Polizei sieben Objekte in und um Aschaffenburg sowie im angrenzenden Hessen durchsucht. "Es geht um die Sicherung von Beweismitteln", sagte ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft München am Dienstag. Verdächtig seien vier Personen, gegen die im Zusammenhang mit Abstimmungen im Stadtrat von Aschaffenburg in den Jahren 2015 und 2019 ermittelt werde.

Einer Mitteilung von Aschaffenburgs OB Jürgen Herzing (SPD) an die Stadtratsmitglieder zufolge richtet sich der Anfangsverdacht der Ermittler zwar gegen insgesamt vier Beschuldigte. Davon sei allerdings nur "eine Person aus dem Stadtrat". Daraus ist abzuleiten, dass eine Person der Bestechlichkeit, die anderen der Bestechung verdächtigt werden. Die Generalstaatsanwaltschaft habe deshalb nicht nur mehrere Objekte in Aschaffenburg und Umgebung durchsucht, sondern auch Unterlagen aus dem Stadtrat angefordert. Die Stadt arbeite "eng mit der Generalstaatsanwaltschaft zusammen", teilte der OB mit.

Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur soll die Spur in die Aschaffenburger Stadtrats-SPD führen. Detailangaben über in Rede stehende Summen machte die Generalstaatsanwaltschaft nicht. Man stehe noch ganz am Anfang der Ermittlungen, vor Weihnachten sei nicht mehr mit einem vorläufigen Ergebnis zu rechnen, teilte ein Behördensprecher mit.

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Der Stadtrat Aschaffenburg besteht aus dem Oberbürgermeister und 44 Stadtratsmitgliedern, zwölf davon gehören der SPD-Fraktion an. Die Landes-SPD in München verwies auf die Verantwortlichen vor Ort. Im SZ-Gespräch äußerte sich der Vorsitzende der Aschaffenburger SPD-Stadtratsfraktion, Erich Henke, erschüttert. Der Vorgang mache ihn "fassungslos". Er sei "völlig kalt erwischt" worden von den Ermittlungen. Bei Abstimmungen im Stadtrat ergebe sich zumeist eine sehr große Mehrheit, oft votiere das Gremium sogar einstimmig - auch was Baugenehmigungen betreffe. Insofern sei es ihm, falls sich die Vorwürfe als zutreffend erweisen sollten, nicht klar, wer von einer Bestechung "einen Nutzen haben könnte".

Ein Stadtrat einer anderen Fraktion äußerte sich im SZ-Gespräch etwas anders. In den betreffenden Jahre 2015 und 2019 sei beispielsweise über "größere Bauprojekte" debattiert worden im Aschaffenburger Stadtrat. Im Vorfeld an geeigneter Stelle in Genehmigungsverfahren einzugreifen, sei sehr wohl möglich.

Aschaffenburgs OB Jürgen Herzing (SPD) ließ mitteilen: "Wir wurden von dieser Situation völlig überrascht, arbeiten aber natürlich mit der Generalstaatsanwaltschaft zusammen, um alles aufzuklären. Ich möchte noch einmal betonen, dass für die Beteiligten, wie für alle Menschen, die Unschuldsvermutung gilt, so lange der Anfangsverdacht nicht bestätigt ist."

Haftbefehle gegen die Beschuldigten lagen keine vor

Zudem war zunächst unklar, worum es bei den Stadtratsabstimmungen ging und wer die Ermittlungen ins Rollen brachte. Dass es sich um Vorgänge rund um Bauprojekte handeln könnte, wollte der Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft weder bestätigen noch dementieren. Haftbefehle gegen die Beschuldigten lagen den Angaben nach nicht vor. "Es gibt keine Anhaltspunkte für einen Haftgrund wie Fluchtgefahr", sagte er.

Was die Polizisten bei ihren Durchsuchungen sicherstellten, war zunächst unbekannt. Gesucht worden sei unter anderem nach Kommunikationsmitteln wie Mobiltelefonen. Infrage kommt laut Generalstaatsanwaltschaft der Paragraf 108e des Strafgesetzbuches: Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgern. Danach sind bei derartigen Delikten Freiheitsstrafen von einem Jahr bis zu zehn Jahren möglich, in minder schweren Fällen mit Haftstrafen von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

Strafrechtlich gelten Stadträte als "Mandatsträger", als Vertreter einer kommunalen Gebietskörperschaft. Geraten dieses unter Bestechlichkeitsverdacht ist die Generalstaatsanwaltschaft für Ermittlungen zuständig.

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